Am Morgen steht der Besuch der Puschkinschule an, eine Grundschule ziemlich genau zwischen dem Südviertel und Juri-Gagarin-Ring (für Nicht-Erfurter*innen: Zwischen Bildungsbürgertum auf der einen und sozialem Wohnen auf der anderen Seite). Zum Gespräch mit der Schulleiterin Frau Klose ist auch Oberbürgermeister Andreas Bausewein gekommen, der genau wie ich dem Vortrag über die Schule lauscht. Die Ganztagsschule mit rund 330 Schüler*innen, darunter etwa 70 Kinder nichtdeutscher Herkunft, arbeitet nach dem Lernhauskonzept. Im Idealfall lernen jeweils 10 Kinder der vier Klassenstufen mit zwei Lehrer*innen in zwei Klassenräumen, bilden Kurse, machen Projekte und werden dabei auch von zwei Erzieher*innen in den Nachmittag begleitet. Neben den Klassenräumen gibt es eine Schreib- und eine Forschungswerkstatt, die Aula wird als Musik- und Tanzraum genutzt. Ein grosses Lehrer*innenzimmer gibt es hier nicht, aber das ist Teil des Konzeptes, erklärt Frau Klose. Die Teams in den Lernhäusern haben Arbeitsplätze in ihrem Lernhaus, um sich vorzubereiten und Absprachen treffen zu können. Frau Klose sprüht vor Elan und so hat sie einen ganzen Fragenkatalog für den OB vorbereitet. Am dringlichsten ist die Frage nach der Sanierung, vor allem des Außenbereichs. Die alten Betonplatten auf dem Schulhof sind marode, der Schulgarten zwar groß und schön gelegen, aber nach der Neunutzung noch nicht wieder urbar gemacht und es fehlt an Spielgeräten. In den Treppenhäusern kleben die Kinder selbstgemalte Kunstwerke über die größten Schandflecke, die Pädagog*innen und die Eltern streichen die Räume selbst.
Frau Klose wünscht sich vor allem Kommunikation und Transparenz. Es sei schwer zu ertragen, von Sanierungen anderer Schulen zu lesen, ohne zu wissen, warum die eigene Schule mal wieder hinten runter gefallen ist. Etliche Anfragen und Anträge an den Schulträger wurden bereits gestellt, aber nur wenige beantwortet. Der OB gelobt hier Besserung und sichert den Kolleg*innen auch zu, dass im Falle einer Sanierung diese nicht ohne Einbeziehung der Schule erfolge. Beim Rundgang durch die Schule präsentieren die Pädagog*innen und die Elternvertreter ihren ganzen Stolz: Die neue Schüler*innenküche, die nach zehn Jahren Ende April endlich eröffnet werden kann. Hier werden die Kinder gemeinsam kochen und backen und damit ihren Speiseplan noch mehr mitgestalten als sie es jetzt schon können. Denn im Speisesaal steht ein Büfett, die Kinder können selbst wählen, was und wie viel sie essen wollen; da gäbe es auch schon mal Grießbrei mit grünen Bohnen, erzählt schmunzelnd die Hortkoordinatorin Frau Leichter.
Nachdem der OB zum nächsten Termin geeilt ist, nutzen die Pädagog*innen die Chance, mit uns über die personelle Situation zu reden. Es werde immer enger, klagt die Schulleiterin, zwei Langzeitkranke seit Beginn des Schuljahres, was zu Unterrichtsausfall führe, weil sie nicht nachbesetzt werden. Die Vertretungsreserve wirkt einfach nicht. Die Horterzieher*innen sind enttäuscht, dass sie mit nur 60 Prozent arbeiten müssen. Auch dass viele Impulse aus dem Modellprojekt mit der Überleitung in den Landesdienst verloren gegangen sind, beklagen sie und wünschen sich gemeinsam mit den Lehrer*innen die konsequente Weiterentwicklung der Thüringer Ganztagsschule. Der Hort alleine macht noch keinen Ganztag, darüber sind sich alle einig. Meine Kollegin Marlis Bremisch, mein Kollege Michael Kummer und ich verlassen die Schule mit mindestens zwei Erkenntnissen: Erstens, eine Schule hat Glück, wenn sie eine so engagierte Schulleitung hat, die vom Kind her denkt und alles Mögliche versucht, mit den Kolleg*innen im Team das Lernhauskonzept mit Leben zu füllen. Zweitens, Wertschätzung hat nicht mit allein mit Geld zu tun, sondern mit Kommunikation und Transparenz, mit Mitbestimmung und Planungssicherheit.