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Lehrverpflichtung immer noch zu hoch

Warum macht die GEW Druck bei der Lehrverpflichtung der Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA) an Hochschulen?

Die LVVO (Thüringer Verordnung über die Lehrverpflichtung an den Hochschulen) regelt die Höhe der Lehrdeputate und verschiedene Ermäßigungstatbestände. Noch immer mit teils gravierenden Unterschieden zwischen den Hochschultypen.

Foto: canva
Foto: canva

Ist das noch zeitgemäß? Unterscheidet sich die Tätigkeit einer Lehrkraft für besondere Aufgaben (LfbA) an einer Fachhochschule von jener einer Kollegin an einer Universität, wenn beide beispielsweise Grundlagen der Elektrotechnik, höhere Mathematik oder Betriebswirtschaftslehre unterrichten?

Wir denken – nein.

Dennoch lehren LfbA an Fachhochschulen (FH) üblicherweise 24 Lehrveranstaltungsstunden (LVS) und ihre Kolleginnen und Kollegen an den Universitäten 18 LVS. Entsprechende Bandbreiten sind in der LVVO definiert:

 

LfbA Uni (wiss. Fächer) 14 bis 20 LVS
LfbA Uni (künstlerische Fächer) 20 bis 26 LVS
LfbA FH 20 bis 26 LVS

 

Ein Indiz, woher die Differenzierung rührt, entnehmen wir dem Klammerzusatz „wissenschaftliche Fächer“. Es wird also postuliert, dass Uni LfbA in wissenschaftlichen Fächern lehren und LfbA an
Fachhochschulen dies nicht tun.

In einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) aus 2017 (7 AZR 524/15) legt das Gericht den Begriff der wissenschaftlichen Lehre aus.

„Für eine wissenschaftliche Lehre ist es nicht erforderlich, dass sich der Lehrende um eigene, neue wissenschaftliche Erkenntnisse bemüht. Es kann vielmehr ausreichen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse
Dritter vermittelt werden. … Entscheidend ist, dass der Lehrende Forschungs- und Erkenntnisentwicklungen auf seinem jeweiligen Wissenschaftsgebiet permanent verfolgen, reflektieren und kritisch hinterfragen muss, um diese für seine Lehre didaktisch und methodisch zu verarbeiten. Würde man wissenschaftliche Lehre nur dann annehmen, wenn sie sich als Resultat eigener Forschung darstellt, wäre ein Großteil der Lehre an Universitäten nicht als wissenschaftlich zu qualifizieren, was dem Grundrechtsschutz für die Freiheit der Lehre nicht gerecht würde“.

Der Auslegung des BAG folgend, erbringt demnach auch der überwiegende Teil der LfbA an Fachhochschulen wissenschaftliche Lehre. Blickt man auf die Einordnung der Abschlüsse im Deutschen- bzw. Europäischen Qualifizierungsrahmen (D-/EQR), so rangieren diese auch auf gleichem Niveau, unabhängig vom Hochschultyp. Bachelor Niveaustufe 6, Master Niveaustufe 7.
Durch den Druck der GEW gelang es 2016 zudem, die einheitliche Eingruppierung der LfbA in Entgeltgruppe 13 durchzusetzen.

Dass auch eine Angleichung der Deputate geboten wäre, ist unseres Erachtens offensichtlich.

Es bliebe noch die Frage nach der Höhe des Deputates. Die GEW fordert hier einheitlich 16 LVS für alle LfbA. Gründe hierfür finden wir in der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung aber wir möchten
dennoch mit einem Blick in die Vergangenheit starten. 2005 wurden die Lehrdeputate für LfbA an Universitäten bei gleichbleibender Arbeitszeit von 16 LVS1 auf durchschnittlich 18 LVS2 angehoben.

 

1994 – 2005 LfbA an Universitäten mit ausschließlich Lehraufgaben 16 LVS
  LfbA an Universitäten mit überwiegend Lehraufgaben 12 LVS

 

Bis 2005 war klargestellt, dass LfbA i.d.R. ausschließlich Lehraufgaben erbringen und dass dafür ein Deputat von 16 LVS angemessen wäre. Dies entspricht unserer Wahrnehmung nach wie vor auch der
aktuellen Arbeitswirklichkeit der meisten LfbA. Die Argumentation, dass LfbA an Universitäten im Vergleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen an Fachhochschulen noch zusätzlich Forschungsaufgaben erfüllen, trifft im Regelfall nicht zu und war ursprünglich so auch nicht vorgesehen – ausschließlich Lehraufgaben. Wie vom BAG dargestellt, verfolgen sie jedoch die Entwicklungen in den entsprechenden Wissenschaftsgebieten, d. h. die Lehre ist wissenschaftlich geprägt – sowohl an Fachhochschulen als auch an Universitäten.

Die Festlegung von Korridoren für die Lehrverpflichtung hat sich unserer Einschätzung nach nicht bewährt. Ab 2006 waren noch verbindliche Mittelwerte vorgegeben, was dazu geführt hatte, dass praktisch alle LfbA das Deputat des Mittelwertes erbringen mussten, z. B. an Universitäten 18 LVS. Die GEW begrüßte, dass in der letzten Novellierung der ThürLVVO die Mittelwerte entfielen und so den Hochschulen mehr Gestaltungsspielraum zukam. Appelle durch örtliche Personalräte, die Qualität in der Lehre und den Bildungserfolg durch Absenkung der Deputate zu steigern, verhallten jedoch mit Verweis auf die schwierige finanzielle Lage.

Betrachten wir die gesellschaftliche Entwicklung, nehmen wir wahr, dass Hochschullehrenden eine zunehmend heterogeneren Studierendenschaft begegnet. Auch Erwartungshaltungen haben sich verändert. Studierende sehen die Hochschule inzwischen oftmals als Dienstleister, der für ihren Bildungserfolg verantwortlich ist und erwarten ein Rund-um-Sorglos-Paket, das sie quasi garantiert zum Hochschulabschluss bringt. Vergleichbare Haltungen begegnen uns auch bei der großen Gruppe der internationalen Studierenden, wenn auch mit anderen Ursachen. Ihr Aufenthalt in Deutschland ist oft nur finanzierbar, indem Erspartes der gesamten Familie eingesetzt wird. Der Druck ist groß und wird ein Stück weit an die Lehrenden weitergegeben. Sie müssen es doch irgendwie schaffen, dass der Student oder die Studentin ihr Ziel erreicht.

Dies sind mitunter Ursachen, warum LfbA stark überlastet sind und insbesondere bei den hohen Deputaten an Fachhochschulen ihren eigenen Idealen nicht mehr gerecht werden können. Physische und psychische Erschöpfung können die Folge sein, bis hin zu Burn-out Erkrankungen.

Bleibt noch die Frage, ob nicht außerhalb der Vorlesungszeiten etwas Freiraum zur Regeneration bleibt? LfbA sind aufgrund ihrer Erfahrung typischerweise auch stark in das Prüfungsgeschehen eingebunden. Sie entwickeln Prüfungsaufgaben, Hausaufgaben, Programmieraufgaben, Praktikumsversuche, nehmen an mündlichen Prüfungen teil, korrigieren Klausuren, Haus- und Projektarbeiten. Vor den Prüfungszeiträumen werden oftmals Konsultationen für Studierende angeboten, bis hin zu regelmäßigen Terminen mit einzelnen Studierenden.

Je nach Größe der Lehrveranstaltungen ist es mitunter schwierig, Klausuren oder Hausbelege vor Beginn des neuen Semesters korrigiert zu bekommen. Auch hier gibt es Druck. Studierende benötigen Ergebnisse, um BAföG-Anträge stellen zu können. Die Entwicklungen durch die Corona Pandemie brachten außerdem dauerhafte Veränderungen im Lehralltag. Inzwischen wird wahrscheinlich für jede Lehrveranstaltung ein mehr oder weniger aufwendiges Online-Angebot gepflegt. Wie in vielen Bereichen beobachten wir auch in der Lehre eine zunehmende Bürokratisierung. Was früher noch im Vertrauen auf Hochschulen und Lehrende funktionierte, wird heute in komplexen Prozessen zum Qualitätsmanagement und zur Akkreditierung abgebildet. Auch diese Prozesse nehmen einen erheblichen Teil der Arbeitszeit der LfbA in Anspruch. Für die Aktualisierung von Lehrinhalten oder für Weiterbildungen fehlt vielen dann schon die Zeit bzw. wird das im Urlaub erledigt.

Selbst bei 16 LVS fänden die LfbA heute schwierigere Arbeitsbedingungen vor, als das noch um die Jahrtausendwende der Fall war. Für die LfbA wäre die Absenkung ein Zeichen der Wertschätzung ihrer Arbeit und für die Hochschulen ein Schritt, die Qualität des Studiums wenigstens annährend aufrecht zu erhalten.

Verwandtes Thema: § 92 ThürHG

Die gelebte Praxis hat die gesetzliche Regelung bzgl. der LfbA im Thüringer Hochschulgesetz überholt. § 92 ThürHG „… Soweit überwiegend eine Vermittlung praktischer Fertigkeiten und Kenntnisse erforderlich ist, die nicht die Einstellungsvoraussetzungen für Hochschullehrer erfordert, kann diese hauptberuflich tätigen Lehrkräften für besondere Aufgaben übertragen werden. Hierzu gehört auch die Vermittlung von Fremdsprachen durch Lektoren.“

An allen Thüringer Hochschulen werden unseres Wissens nach LfbA für die gesamte Bandbreite an Lehrveranstaltungen eingesetzt, d. h. Vorlesung, Übung, Praktika, Seminare, usw. Entsprechend sollte auch die Einschränkung im ThürHG entfallen.

Würden die LfbA alle Aufgaben ablehnen, bei denen es nicht überwiegend um die Vermittlung praktischer Fertigkeiten und Kenntnisse geht, würden plötzlich in vielen Studiengängen große Lücken klaffen. Sie tun dies jedoch nicht, weil die Lehre ihre Profession ist.

Kontakt
Marko Hennhöfer
Lehrkraft für besondere Aufgaben an der TU Ilmenau