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Debatte

Ja zur Impfpflicht! Oder doch nicht?

Als mich der Redakteur dieser Zeitung bat, einen Artikel zur Impfpflicht zu schreiben, ahnte ich nicht, dass es mir so schwer fallen würde. Beim Recherchieren und Nachdenken wurde mir immer deutlicher, dass dieses Thema wirklich sehr komplex ist. Ich bin weder Virologin, Epidemiologin noch Juristin, um alle Folgen einer Impfpflicht ab- und einschätzen zu können.

Symbolbild- Quelle: Canva Pro

Dennoch ist das Thema ja eines, was auch für die pädagogischen Einrichtungen diskutiert wurde und teilweise noch wird. Erst im November 2021 wurde entschieden, dass medizinisches Personal spätestens zum 15. März 2022 vollständig geimpft sein muss, um weiterhin am Patienten arbeiten zu dürfen. Ähnlich wurde das auch für Erzieher:innen und Lehrer:innen diskutiert.

Die Haltung der GEW

Die GEW hat dies aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Zum einen ist der Anteil der geimpften Pädagog:innen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sehr hoch. Das RKI veröffentlichte am 20.11.2021 das Ergebnis einer Bevölkerungsbefragung.1 Nach dieser waren im Zeitraum vom 15.09.2021 bis 18.10.2021 etwa 92 Prozent der Lehrer:innen und Erzieher:innen bereits geimpft. Eine berufsbezogene Impfpflicht würde daher aus Sicht der GEW keine besondere Schutzwirkung entfalten. Weiterhin war der GEW wichtig, dass Pädagog:innen frühzeitig Zugang zu Auffrischungsimpfungen erhielten und im Falle einer Impfpriorisierung auf den vorderen Plätzen liegen sollten. Nun geht die Diskussion über eine berufsgruppenbezogene Impfpflicht aber hinaus. Die neugewählte Bundesregierung hatte angekündigt, schnellstmöglich über eine allgemeine Impfpflicht zu entscheiden. Mittlerweile ist eine Entscheidung für frühestens März 2022 angekündigt. Die Omikronwelle aufzuhalten ist ohnehin nicht mehr möglich. Dennoch wird erbittert gestritten. Warum eigentlich?

Fakten

Es ist bekannt, dass die Pandemie nicht allein durch Eigenverantwortung, Masken tragen, Abstand halten und regelmäßiges Lüften einzudämmen ist. Impfen schützt den Einzelnen und die Gemeinschaft, in der wir uns bewegen. Impfen verhindert keine Infektion, aber verringert die Gefahr, ernsthaft zu erkranken. Das wissen wir von der Grippeschutzimpfung, dass wissen wir von vielen anderen turnusmäßigen Impfungen ebenfalls. Um einen wirksamen Schutz für diejenigen zu erreichen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können, schätzen Virolog:innen ein, müsse die Impfquote bei mindestens 90 Prozent liegen. Davon sind wir in Deutschland (Stand 14.02.2022: 72,3%), aber auch in Thüringen (66,8%) weit entfernt. Die Impfkampagnen waren teilweise eine kommunikative Katastrophe, die für zusätzliche Unsicherheit führte. Aber es gibt noch ein weiteres Problem: Der Anteil der Impfgegner:innen, also jener, die sich mittlerweile bei den sogenannten Spaziergängen radikalisieren, ist hoch. Diese Menschen, die sich ihre Kenntnisse aus dubiosen Telegram-Kanälen holen, sind durch weitere Appelle an die Eigenverantwortung nicht mehr zu erreichen. Insofern ist die Diskussion um eine allgemeine Impfpflicht dringend geboten, auch wenn diese das letzte Mittel sein sollte.

Verantwortung für die Gemeinschaft

Die Freiheit des Einzelnen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, endet dort, wo diese Freiheit die Gesundheit anderer gefährdet. Wer aus purem Egoismus, aus Missachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse die sichere Impfung gegen ein potentiell tödliches Virus verweigert, muss mit entsprechenden Konsequenzen rechnen. Wie konkret eine solche allgemeine Impfplicht geregelt wird, welche Strafen ein Nichtbefolgen haben soll, dass muss Politik letztlich mit Blick auf das Rechtsgefüge, ethische Fragestellungen und Durchsetzungsvermögen diskutieren und entscheiden. Die gesellschaftliche Debatte dazu läuft bereits und sowohl Befürworter:innen als auch Ablehner:innen bringen sich argumentativ in Stellung.

Stellungnahme des Deutschen Ethikrats

In seiner Stellungnahme zur Ausweitung der Impfpflicht vom 22. Dezember 2021 unterstreicht der Deutsche Ethikrat, dass eine allgemeine Impfpflicht eine erhebliche Beeinträchtigung persönlicher Freiheitsrechte sei. Doch unterm Strich sei sie gerechtfertigt, „wenn sie gravierende negative Folgen möglicher künftiger Pandemiewellen wie eine hohe Sterblichkeit, langfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen signifikanter Teile der Bevölkerung oder einen drohenden Kollaps des Gesundheitssystems abzuschwächen oder zu verhindern vermag.“2 Der SPIEGEL3 beauftragte das Meinungsforschungsinstitut Civey mit der Frage: „Sollte es eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus in Deutschland geben?“ Dabei stimmten 64 Prozent mit Ja, 32 Prozent mit Nein, nur vier Prozent waren unentschieden. Allerdings sinkt die Zustimmung. Insofern wäre wichtig, die Debatte nicht einfach laufen zu lassen, sondern alle Folgen transparent zu machen und offen zu diskutieren. Wer sich zu diesem Thema weiter informieren will, dem ich kann die Internetseite der Landeszentrale für politische Bildung/Baden-Württemberg sehr empfehlen. Aber auch die Internetseite des Deutschen Ethikrates hält spannende und umfassende Informationen zu diesem Themenkomplex bereit. 

Was ich mir wünsche

Ich persönlich würde mich freuen, wenn wir ohne Impfpflicht diese Pandemie beenden könnten. Ich fürchte jedoch, dass uns das nicht gelingen wird. Die Pandemie hat unser Leben nachhaltig verändert, aber ein Stück Normalität, ein Stück wie früher, das wäre schon schön.

 


1 COVID-19 Impfquoten-Monitoring in Deutschland (COVIMO) (rki.de), S. 9
2 Corona-Impfpflicht in Deutschland - ja oder nein? (lpb-bw.de)
3 Corona: Große Mehrheit für Impfpflicht – aber Zustimmung nimmt ab - DER SPIEGEL
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