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Leserbrief

Das „Korrekte-Sprache-Gesetz“ und die Gedankenpolizei

Der Entwurf für das „Thüringer Gesetz für eine regelkonforme, diskriminierungsfreie und verständliche Anwendung der deutschen Sprache an Thüringer Schulen und in der Verwaltung“ (vgl. ww.beteiligtentransparenzdokumentation.thueringer-landtag.de/7-8596/) wurde in der letzten Ausgabe zurecht kritisiert, aber die Kritik greift zu kurz.

Es ist eine Schande, dass – unter dem Deckmantel der Verständlichkeit von Sprache für alle – gendergerechte Sprache verboten werden soll. Die Lehrkräfte werden durch dieses Gesetz angehalten, die gendergerechte Sprache nicht nur aus den Klassenzimmern, sondern auch aus den Köpfen zu verbannen. Unter dem Argument, Diskriminierung verhindern zu wollen, soll die Regelung kommen, dass "Leistungen in deutscher Sprache […] ausschließlich auf der Grundlage des amtlichen Regelwerks des Rats für deutsche Rechtschreibung zu erbringen [sind]." Es müssten also alle Ausdrucksweisen, die nicht vom Rat für deutsche Rechtschreibung abgesegnet sind, als Fehler mit entsprechenden Konsequenzen und schlechten Noten geahndet werden und damit Möglichkeiten der Schüler sich selbst auszudrücken sanktioniert werden.

Aber da ist noch lange nicht Schluss, denn die Lehrmaterialien müssten nicht mehr nur verfassungsgemäß sein, sondern neuerdings wäre dann – hierfür soll der entsprechende Paragraph ergänzt werden – „die Verwendung verkürzter Schreibweisen und von Sonderzeichen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Formen, wie 'GenderStern', 'Gender-Doppelpunkt', 'Gender-Unterstrich' oder Doppelpunkt im Wortinnern […] unzulässig.“ Lehrbücher oder Arbeitsblätter in denen gegendert wird – und wenn es nur darum geht, das Thema Gendern zu thematisieren – sind dann verboten. Jugendbücher und Jugendmedien, in denen gegendert wird, sind dann verboten. Diverse Materialien der Zentralen für politische Bildung, der Gesundheitsämter und gerade auch von Gruppen und Vereinen, die sich für Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt einsetzen, sind dann im Unterricht verboten.

Ganz abgesehen vom finanziellen und zeitlichen Aufwand dieser Säuberungsaktionen wiegen andere Konsequenzen stärker. Medienbildung und die Darstellung aller möglichen Sichtweisen einer Debatte wird zum Problem, wenn diverse öffentliche Beiträge und Stimmen, von links der Mitte und aus der Mitte, die oft gegendert sind, für den Unterricht auf einmal „unzulässig“ sind. Es geht hier nicht nur um „korrekte“ Sprache. Folge des Gesetzes wären Sprachverbote und Denkverbote sowie eine Verschiebung der öffentlichen Debatte nach rechts.

Und auch für die CDU wäre die Verabschiedung dieses Gesetzes ein vergifteter Sieg. Die Klagen von Rechtsaußen gegen Lehrkräfte, die wissentlich oder versehentlich gegen das Gesetz verstoßen, während sie ihrem Bildungsauftrag folgen, würden nicht lange auf sich warten lassen. Und der Kulturkampf von Rechtsaußen gegen alles linke (soll hei ßen: gegen alles nicht rechtsextreme) würde durch die Klagen weitere Munition erhalten. Wie das Gesetz kontrolliert werden soll und wie es instrumentalisiert würde, sollte es jemals einen zuständigen Minister von Höckes Gnaden geben, will man sich gar nicht ausmalen…