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Hochschulentwicklung in Thüringen 2030+

Entwicklung oder Abwicklung?

Am 30. August dieses Jahres hat das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft (TMWWDG) der Landeswissenschaftskonferenz die Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Thüringer Hochschullandschaft vorgelegt.

Foto: canva
Foto: canva

Zwar enthalten diese Empfehlungen einige interessante Ansätze, insgesamt lassen sie für die jetzt fortzuschreibende Hochschulentwicklungsplanung nichts Gutes ahnen und deuten schon das eine oder andere Bedrohungsszenario an.

Ohne auskömmliche und aufgabengerechte Ausfinanzierung können die Hochschulen ihre Aufgaben in Studium und Lehre, Weiterbildung sowie Forschung und Transfer nicht erfüllen, und erst recht können sie keine guten Arbeitsbedingungen als Grundlage qualitativ hochwertiger Arbeit schaffen. Und genau hierin liegt das Problem.

Eine schlechtere Finanzausstattung der Hochschulen wird angekündigt.

Schon in den letzten beiden Jahren reichte der Anstieg der Haushaltszuweisungen nicht aus, denn sie haben die Kostensteigerungen bei weitem nicht kompensiert. So hat es zwei Jahre in Folge schon reale Mittelkürzungen an den Hochschulen gegeben, was schon jetzt einige Hochschulen in eine prekäre Situation gebracht hat. Zu leiden haben darunter in erster Linie die Beschäftigten, indem befristete Beschäftigungsverhältnisse nicht verlängert, Stellen nicht wiederbesetzt oder notwendige Neueinstellungen nicht vorgenommen werden.

In dem Empfehlungspapier wird formuliert, dass es im Zusammenhang der Haushalts- und Finanzsituation des Landes und den Folgen von Corona-Pandemie nicht leicht sein wird, die bisher erfolgten Steigerungen des Finanzvolumens fortzuschreiben. Ein klares Bekenntnis zur (bewährten) Formel „erwartbare wissenschaftsspezifische Kosten- und Tarifsteigerungen plus 1 Prozent“ sieht anders aus. Von 2016 bis 2025 hat es auf diese Weise jährlich immerhin eine 4%ige Steigerung der Haushaltsmittel gegeben, was über mehrere Jahre den Hochschulen Planungssicherheit
auf auskömmlichem Niveau gegeben hat, allerdings seit 2022 nicht mehr ausreicht. Mit den jetzigen Aussagen werden die Hochschulen darauf vorbereitet, dass sie künftig mit noch weniger Geld rechnen müssen. Dieses Signal zeigt schon jetzt fatale Wirkung, indem die Hochschulleitungen noch zurückhaltender bei langfristiger Personalplanung werden als sie es ohnehin schon waren.  

Es fehlt eine personelle Untersetzung der zahlreichen geplanten Maßnahmen

Die Evaluation bestehender Strukturen in Hinblick auf potenzielle Kooperationen zieht sich wie ein roter Faden durch das Empfehlungspapier. Jedoch wird nicht berücksichtigt, dass solche Evaluationen Kapazitäten binden, die das großenteils ohnehin überlastete Personal nicht hat. Auch wird nicht berücksichtigt, dass Kooperationen erfahrungsgemäß ressourcenaufwändig sind und zusätzliches Personal benötigen.

Auch andere empfohlene Maßnahmen, wie ein verstärkt aufzubauendes Monitoring, eine Dokumentation im Forschung- und Transferbereich sowie Flexibilisierungen im Bereich der Hochschulbildung (Umgestaltung im Bereich des Studiums, flexible Studieneingangsphase, akademisches Mentoring) bedeuten viel zusätzlichen Aufwand erfordern und damit zusätzliches Personal. Das trifft auch auf die Digitalisierung zu, die nicht immer zu Effizienzgewinnen führt und oft sehr viel Personal einbindet.

Durch die Umsetzung dieser Empfehlungen kämen auf das – weniger werdende - Personal zahlreiche zusätzliche Aufgaben zu, die nicht zu stemmen sind. Hingegen fehlt eine Evaluation bestehender Strukturen und Prozesse in Hinblick auf Abbau (hausgemachter) Bürokratie, was zu spürbarer Entlastung führen würde.

Die Bedeutung guter Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten wird nicht genug gewürdigt

Gute Arbeitsbedingungen und gute Qualität der Arbeit sind zwei Seiten einer Medaille. Um gute Lehre abzusichern, sind gute Arbeitsbedingungen in der Lehre erforderlich. Dasselbe gilt für Forschung und für den wissenschaftsunterstützenden Bereich. Ebenso wird der Bedeutung der Inklusion unzureichend Rechnung getragen, insbesondere was Maßnahmen für Menschen mit Behinderung betrifft.

Die Empfehlungen zur Förderung wissenschaftlicher Karrieren reichen nicht aus

Unter der Überschrift „Schaffung attraktiver Bedingungen“ werden 3 Jahre Mindestbefristung bei Erstverträgen für Promovierende und PostDocs als eine Maßnahme genannt. Das bleibt aber hinter der Praxis an vielen Thüringer Hochschulen zurück (und würde realiter einen Rückschritt darstellen, weil es auch diejenigen Hochschulen, die längere Vertragslaufzeiten anbieten, zu eine Reduzierung der Vertragslaufzeit einlädt). Auch geht dieser Vorschlag nicht über die kursierenden Entwürfe zur Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hinaus. Weiterhin wird vorgeschlagen, dass bei Drittmittelprojekten die Befristung der Projektlaufzeit entsprechen soll (was schon seit 2016 geltende Rechtslage ist.

Insgesamt wird die Bedeutung guter Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten, in Lehre, Forschung und im wissenschaftsunterstützenden Bereich nicht genügend gewürdigt.

Die Aussagen zum Studienangebot wirken bedrohlich und gleichzeitig unkonkret

Die Aussage, dass Studiengänge, die drei Jahre in Folge weniger als 15 Studierende im ersten Fachsemester im Bachelor- bzw. weniger als 10 im Masterbereich gewinnen können, nur ausnahmsweise weitergeführt werden können, ist eine ganz klare Bedrohung, ohne das Aussagen dazu getroffen werden, wie mit dem in den betroffenen Studiengängen tätigen Personal umgegangen werden soll. Das schafft Verunsicherung insbesondere bei den nicht-verbeamteten Beschäftigten.

Die Aussagen zu Fachhochschulen enttäuschen

Die Aussagen zu Fachhochschulen sind mehr als unverbindlich und enttäuschen, insbesondere in Hinblick auf die meisten anderen Bundesländer, die Thüringen schon weit voraus sind. Ein eigenes Promotionsrecht für Fachhochschulen wird nicht empfohlen, lediglich wird ein Konzept angeregt, das Voraussetzungen dafür festlegt, dass forschungsstarke Verbünde von Fachhochschulen ein Promotionsrecht erhalten. Auch ist nur vorsichtig formuliert, dass die „Wege in die FH-Professur weiter ausgebaut werden“ sollen, anstatt die Schaffung von Junior-/Nachwuchs- bzw. dualen Professuren zu fordern (die das Thüringer Hochschulgesetz sogar schon erlaubt).

Es besteht somit die Gefahr, dass die Thüringer Fachhochschulen den Anschluss verlieren.

Wie es weiter geht

Auf Grundlage dieser Empfehlungen wird die Landesregierung die Leitlinien zur Hochschulentwicklung fortschreiben, und die Hochschulen müssen ihre Struktur- und Entwicklungspläne entsprechend anpassen. Als GEW Thüringen müssen wir uns deutlich und stark in den Prozess einbringen – und insbesondere auf eine auskömmliche und aufgabengerechte Ausfinanzierung der Hochschulen drängen, d.h. die Beibehaltung des Grundsatzes „wissenschaftsspezifische Kosten- und Tarifsteigerungen plus 1 Prozent“ einfordern.

Kontakt
Thomas Hoffmann
Stellvertretender Landesvorsitzender
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