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Position

Zukunftsfähiger Hochschulbau

Es fällt auf: Gleich mehrere Akteure beschäftigen sich mit dem Thema Hochschulbau. Der Wissenschaftsrat hat im Januar sein Positionspapier „Probleme und Perspektiven des Hochschulbaus 2030“ veröffentlicht. Nun gibt es einen Landtagsantrag von rot-rot-grün zur „Hochschulbauplanung Thüringen 2030“ und gerade eben hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) ihre Regel 102-603 „Branche Hochschule“ herausgegeben und damit Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheit an Hochschulen beschrieben. Das hat nicht ausschließlich mit Hochschulbau zu tun, aber viel. Es ist also ein Thema, das gerade mehrere Akteure beschäftigt.

Symbolbild - Foto: Canva Pro

Die Situation in Thüringen

Im Juli 2022 war die GEW Thüringen aufgefordert, zu einem Antrag der Fraktionen des Thüringer Landtags DIE LINKE, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur „Hochschulbauplanung Thüringen 2030“ Stellung zu nehmen. Wenn man schaut, wie es finanziell um den Hochschulbau in Thüringen bestellt ist, muss man konstatieren: Seitdem der Hochschulbau nicht mehr Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern ist, sind die Mittel, die in Thüringen in den Hochschulbau investiert werden, deutlich gesunken.

Nun mag manche:r einwenden, dass es in Thüringen in den 1990er bis 2000er Jahren eine ganze Reihe neuer Bauten an den Hochschulen gegeben hat und daher erst einmal große Investitionen nicht notwendig seien. Ja, es gibt eine Reihe (relativ) neuer Hochschulbauten. Aber es gibt auch viele alte Bauten, die – vielleicht noch unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes – ihrer Sanierung und Ertüchtigung für hochschulische Belange der Lehre und Forschung, des Austausches und des Netzwerkens harren. Das ist aber nur die eine Seite des Hochschulbaus. Denn Hochschulbau ist immer auch der Erhalt der Bausubstanz und die Anpassung an neue Gegebenheiten, seien es personelle, themenspezifische, neuer Technik oder energetischer Anspassungen geschuldete. Und das kostet ebenfalls Geld.

Sanierungsstau

Der Wissenschaftsrat geht in seinem im Januar 2022 erschienenen Positionspapier „Probleme und Perspektiven des Hochschulbaus 2030“ davon aus, dass der Sanierungsstau an den Hochschulen in Deutschland bis zu 60 Mrd. (!) Euro beträgt. Wenn man für den Blick auf Thüringen den Königsteiner Schlüssel anlegt, beträgt der Sanierungsstau hier etwa 1,58 Mrd. Euro. Dazu kommen die Kosten für den Neu- und Ausbau von Gebäuden, d. h. der tatsächliche Bedarf liegt deutlich höher. Zum Antrag von Rot-Rot-Grün fragte die Gruppe der FDP, ob der für Thüringen prognostizierte Bedarf von 500 Mio. Euro für die nächsten 10 Jahre reichen würde. Aufgrund der obigen Erläuterungen sagen wir: Nein, er reicht nicht!

Was muss nun passieren?

Was beim Hochschulbau zu beachten ist, darauf weist der Wissenschaftsrat im oben bereits erwähnten Positionspapier hin und macht auch Vorschläge, wie das zu erreichen ist. Herausgreifen möchte ich hier Folgendes:

  • Nachhaltigkeit ist das große Thema und dies in vielerlei Hinsicht: Es bedeutet ressourcenschonendes Bauen und den Einsatz von klimafreundlichen Baumaterialien (1). Es bedeutet, der häufig als „cradle to cradle“ bezeichnete Ansatz (also: von der Wiege bis zur Wiege) muss deutlich mehr an Gewicht erhalten. Er bedeutet, dass schon bei der Bauplanung bedacht wird, wie ein Gebäude ressourcenschonend erhalten und verändert und dann Baumaterialien (teilweise) wieder nutzend abgerissen werden kann.

  • Diese Lebenszeitbetrachtung eines Gebäudes bedeutet auch: der billigste Anbieter ist selten in diesem Sinne der beste. Hier muss sich Vergaberecht ändern, aber auch das Denken. Bisher galt eher: geringe Bau-, aber hohe Erhaltungskosten. Dies muss sich umkehren.
  • Die Erfordernisse an Hochschulen ändern sich relativ schnell: veränderte Aufgaben, der Einsatz neuer Techniken, Änderungen in der Struktur von Fakultäten, Fachbereichen oder Lehrstühlen und und und. Wenn aber zwischen Planung von (Hochschul-)Bauten und Fertigstellung gern mal 10 Jahre liegen, dann ist das deutlich zu lang. Detailfestlegungen müssen deutlich früher getroffen werden, Änderungen sind schwer/kaum/nicht möglich. Auch die laufende Anpassung des Betreibens eines Gebäudes an die Notwendigkeiten der Hochschulen muss sich verbessern.
  • Hochschulen sind Kommunikationszentren, die von der Präsenz und dem persönlichen Austausch der Menschen dort – Beschäftigte, Studierende, Gäste – leben. Und sie sind Arbeitsorte, trotz Homeoffice-Möglichkeiten. Dies muss sich in der Gestaltung der Gebäude, aber auch des Umfeldes/ Campus widerspiegeln.
  • Neue technische Möglichkeiten ergänzen Präsenzangebote, sowohl in der Lehre als auch bei den Beschäftigten. Auch Arbeitsformen vor Ort ändern sich durch diese Möglichkeiten. Genannt seien hier beispielhaft Online-Einzel- und Gruppenarbeitsplätze für Studierende und das Angebot von Onlinekonferenzräumen für Beschäftigte, die in Mehr-Personen-Büros arbeiten. Umfassende Lösungen dafür gibt es bisher an keiner der Thüringer Hochschulen.

Alle diese Fragen sind unabhängig davon, ob die Hochschulen (teilweise) selbst Bauherren sind oder nicht. Egal, wie diese Frage gelöst wird, bedeutet sie aber: Wenn die Hochschulen Aufgaben übernehmen, die vormals bei Ministerien oder Bauämtern durchgeführt wurden, dann muss das Personal für diese Aufgaben an die Hochschulen.

Wir konnten in unserer Stellungnahme für den Thüringer Landtag also sehr gut Bezug auf das Papier des Wissenschaftsrates nehmen und Vorschläge bewerten. Nicht alle Voraussetzungen, die notwendig sind, um das Bauen an und für Hochschulen schneller und besser zu machen, werden allein in Thüringen geschaffen werden können, manches muss auf Bundesebene vorangebracht werden.

Auch der Freistaat Thüringen kann Einiges tun

Vor allen Dingen können die Bauverantwortlichen schon heute – und ohne bereits mehr Geld zur Verfügung zu haben – etwas tun: Sie können diejenigen, die diese Bauten nutzen – besonders Beschäftigte und Studierende – viel stärker in die Entwicklung von Gebäuden und Außenanlagen einbeziehen, denn diese wissen meist, was sie wollen und was sie brauchen. Von den Nutzer:innen akzeptierte und „geliebte“ Gebäude, das geht auch schon jetzt.

Und damit „geliebte“ Gebäude auch sicher sind, gibt es ganz aktuell von der Deutschen Unfallversicherung DGUV die Regel 102-603 „Branche Hochschule“. Dort finden sich viele Informationen, Hinweise und Tipps, wie Hochschulen zu sicheren und zugänglichen Räumen werden. Das reicht von der Barrierefreiheit und Hilfen für Menschen mit Beeinträchtigungen bis zur sicheren Gestaltung von Laborräumen: https://publikationen.dguv.de/regelwerk/dguv-regeln/4346/branche-hochschule. Ein Blick hinein lohnt nicht nur für Personalräte und Schwerbehindertenvertretungen.

Hilfe vom Bund ist dringend notwendig

Heutzutage wird in vielen Bereichen nach Hilfe vom Bund gerufen. Im Hochschulbau wäre diese Hilfe tatsächlich dringend nötig. Zwar war auch zu den Zeiten, als die Hochschulbauförderung noch gemeinsame Sache von Bund und Ländern mit einer 50:50-Finanzierung war, nicht alles gut, das Geld auch zu knapp. Aber es gab damit Verlässlichkeit dahingehend, wie viel die Länder auf jeden Fall jedes Jahr in ihren Hochschulbau investiert haben, denn ohne ihren Anteil gab es die Bundesförderung nicht.

Ein solch verbindliches Modell wäre aus unserer Sicht auch heute wieder notwendig, da es nicht nur mehr Geld für den Hochschulbau in seiner Gesamtheit bereitstellen kann, sondern zumindest ansatzweise helfen würde, dass die Schere zwischen den Möglichkeiten reicherer und ärmerer Bundesländer auch diesbezüglich nicht noch weiter auseinandergeht.

 


(1) Wer an den heißen Sommer 2022 zurückdenkt, weiß, wie wichtig Fragen der Klimatisierung von Räumen ist, und wer an die aktuellen Gas- und Strompreise denkt, weiß, dass die Antwort „Klimaanlagen“ meist nicht die richtige sein kann.

Kontakt
Marlis Bremisch
Referentin für Bildung und Gewerkschaftliche Bildungsarbeit
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
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Telefon:  0361 590 95 21