Hochschulentwicklung bis 2023
Ministerium legt Leitlinien vor
Im Januar 2024 hat das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft (TMWWDG) die „Leitlinien für die Hochschulentwicklung in Thüringen 2026 – 2030“(1) veröffentlicht. Werden sie dem Untertitel „Entwicklung Thüringens zu einem Standort mit Exzellenz in Forschung, Lehre und Transfer im nationalen und internationalen Kontext“ gerecht?
Den Leitlinien vorausgegangen sind die Empfehlungen „Hochschulentwicklung in Thüringen 2030+“(2), denen schon in der tz vom Oktober 2023 ein Artikel gewidmet war, sowie deren Diskussion an allen Hochschulen. Wesentlich Neues gegenüber dem Empfehlungspapier gibt es jedoch nicht, nur dass an der einen oder anderen Stelle Präzisierungen vorgenommen worden sind.
Hauptproblem Finanzierung
Schon seit 2023 blieben die Mittelzuweisungen an die Hochschulen hinter den Kostensteigerungen zurück, was einer Realkürzung der Haushaltsmittel entspricht. In den Leitlinien steht nun, dass davon auszugehen ist, dass die jährlichen Steigerungsquoten nicht höher sein werden als in der Rahmenvereinbarung V – was nichts anderes bedeutet als ein Einschwören der Hochschulen auf weitere Realkürzungen. Es fehlt offenbar der politische Wille, die Hochschulen aufgabengerecht zu finanzieren. Dabei wäre mehr als je zuvor ein Bekenntnis zur einer auskömmlichen Ausstattung erforderlich, die sich dynamisiert am Prinzip „hochschulspezifische Kosten- und Tarifsteigerungen plus ein Prozent“ orientiert.
Problem Hochschulbau und Bauunterhalt
In den Leitlinien werden nur andeutungsweise Aussagen getroffen zur erforderlichen baulichen Umgestaltung der Hochschulen, damit sie für neue Anforderungen und innovative Studien- und Lehrkonzepte den erforderlichen Raum bieten. Auf den an manchen Hochschulstandorten bestehenden Investitionsstau mit bildlich ruinösen Folgen wird gar nicht eingegangen. Zwar möchte die Landesregierung überprüfen, ob ein Hochschulbauprogramm Finanzierungssicherheit und Planbarkeit von Baumaßnahmen sicherstellen kann, sie verweist allerdings auch auf die Möglichkeit, dass die Hochschulen mit den ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen „selber bauen“ können – was angesichts der ohnehin knappen Finanzausstattung fatal ist.
Widersprüchliche Aussagen zu Drittmitteln
In verschiedenen Kapiteln der Leitlinien wird eine weitere Steigerung des Drittmittelvolumens gefordert, sei es für die Forschung, die Internationalisierung oder die Einrichtung von Stellen wissenschaftlicher Mitarbeitender an den Fachhochschulen. Fast wird der Eindruck geweckt, dass alles, wofür die beschränkten Landesmittel nicht ausreichen, über Mittel Dritter finanziert werden soll. Gleichzeitig gibt es aber auch kritische Töne, die das ganze Drittmittelwesen in Frage stellen: Das Erfordernis der Ko-Finanzierung müsse berücksichtigt werden, und es wird auf den Wissenschaftsrat verwiesen, der eine Neujustierung von Grund- und Projektfinanzierung fordert.
„Finanzmittel, die über eine Grundausstattung hinaus zur Kofinanzierung von Projekten bereitgestellt werden müssen, gehen zu Lasten der Kernaufgaben von Hochschulen, wie Lehre und Forschung jenseits von programmatischen Vorgaben.“(3)
Hier wird klar formuliert, dass Drittmittelförderung die Erfüllung der eigentlichen Hochschulaufgaben erschwert – ohne dass die notwendigen Konsequenzen gezogen werden.
Kooperation statt Innovation?
Der Begriff der Hochschulkooperation zieht sich wie ein roter Faden durch die Leitlinien. Bestehende Strukturen sollen evaluiert und Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Hochschulen auf verschiedensten Gebieten ausgelotet werden – auf unterschiedlichsten Gebieten, seien es Liegenschaftsmanagement, Innenrevision, Beschaffung, Bibliotheken oder Archive, seien es Weiterbildung, Forschung, Lehre, Ausgründung, Unterstützung beim Berufseinstieg. Es scheint, als ob Kooperation unhinterfragt als Allheilmittel für alle realen und imaginären Probleme betrachtet wird. Um die Hochschulen dabei zu unterstützen, wird vorgeschlagen, den bestehenden „Strategie- und Innovationsfonds“ in einen „Strategie- und Kooperationsfonds“ umzuwandeln. Nicht hinterfragt wird, ob Kooperationen überhaupt ein geeignetes Mittel sein können, Effizienzgewinne zu schaffen – oder ob sie für die Beschäftigten nicht lediglich einen Mehraufwand bedeuten, ohne dass dem ein Nutzen gegenübersteht. Mitbestimmung der Personalvertretungen bei diesen angedachten organisatorischen Maßnahmen wird übrigens im ganzen Dokument mit keinem Wort erwähnt.
Ist die Bedeutung Guter Arbeit erkannt?
Auf die Bedeutung guter Beschäftigungsbedingungen wird sowohl im Kapitel „Personalentwicklung und Gute Arbeit“ als auch im Kapitel „Wissenschaftlicher Nachwuchs“ eingegangen. Es wird jeweils betont, dass Daueraufgaben von dauerhaft beschäftigtem Personal erledigt werden sollen, sowohl in Technik und Verwaltung als auch im wissenschaftlichen Bereich. Interessant ist auch die Aussage, dass die Einführung neuer wissenschaftlicher Personalkategorien für „Karriereziele neben der Professur“ überprüft werden soll. Auch für die Qualifizierungsphase gibt es durchaus interessante Vorschläge: zwar wird eine Mindestbefristung bei Erstverträgen Promovierender von nur drei Jahren gesetzt (da sind viele Hochschulen schon jetzt besser), allerdings wird ein Beschäftigungsumfang von 65% bei Promotionsvorhaben angestrebt, verbunden mit einer ausreichenden Zeit- und Ressourcenausstattung für die Promotion. Hinzu kommt ein Modell der institutionellen Verantwortung für die wissenschaftliche Qualifikation, bei dem Betreuung und Bewertung von Promotionen getrennt wird (ein Schritt in Richtung zum sogenannten „Departmentmodell“). Abgerundet werden die Aussagen zu „Guter Arbeit“ durch ein Bekenntnis zu einer mindestens bedarfsdeckenden Berufsausbildung an den Hochschulen sowie das Bekenntnis, dass das Land sich zur Schaffung rechtlicher Möglichkeiten zur Einführung von Job-Bikes und Job-Tickets einsetzen wird. (4)
Wie geht es nun weiter?
Bis zum 30.06.2024 müssen die Hochschulen auf Grundlage der Leitlinien ihre „Struktur- und Entwicklungspläne“ erstellen. Da auch die Personalplanung Bestandteil ist, müssen die Personalräte beteiligt werden. Anschließend wird das TMWWDG einen Entwurf für die “Rahmenvereinbarung VI“ erarbeiten, die das Verhältnis zwischen Freistaat und Hochschulen bis 2030 regelt, insbesondere die Finanzierung. Nach Beschluss des Landtags und Unterzeichnung der Rahmenvereinbarung wird mit jeder der 10 Hochschulen einzeln eine „Ziel- und Leistungsvereinbarung“ getroffen, in der die Rahmenziele hochschulindividuell konkretisiert werden. Für uns als GEW ist es wichtig, jede Gelegenheit zu nutzen, uns in den Prozess einzubringen.
(1) https://wirtschaft.thueringen.de/fileadmin/th6/Presse/Dokumente/Anlage_Leitlinien_fuer_die_Hochschulentwicklung_in_Thueringen_2026-2030.pdf (Stand 11.03.2024)
(2) https://wirtschaft.thueringen.de/fileadmin/th6/wissenschaft/Hochschulentwicklung/AG-Empfehlungspapier_Hochschulentwicklung2030_barrierefrei.pdf (Stand 11.03.2024)
(3) Leitlinien, S. 20
(4) Das gesamte Kabinett hat den Leitlinien zugestimmt, auch die Finanzministerin und der Innenminister.
99096 Erfurt