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Arbeitsbedingungen von Horterzieher:innen - komplettes Gespräch

"Wir haben ein großes Problem mit der Vor- und Nachbereitungszeit.“

In der Schule arbeiten nicht nur Lehrkräfte, sondern ganz verschiedene Professionen. Eine davon sind die Horterzieher:innen und auch auf deren Arbeitsbedingungen wollen wir einen Blick werfen. Dazu kamen wir mit Felix Osterloh ins Gespräch. Felix ist Ende 20, arbeitet als Erzieher im Hort der Staatlichen Grundschule Heinrich-Heine in Jena und ist innerhalb der GEW Thüringen einer der beiden Leiter:innen der AG Hort.

Felix Osterloh - Foto: Alice End/GEW Thüringen

Als Erzieher:in im Hort arbeiten, das darf man sich nicht mehr so vorstellen wie früher, sondern im besten Fall ist das eine Ganztagsschule mit einer Ganztagsbetreuung und die Horterzieher sind dort auch ganztags eingebunden und unterstützen die Lehrkräfte. Habe ich das erstmal richtig gesagt, Felix?

Ich denke schon. Da sehe ich keine Abweichungen. Das alte Bild vom Hort ist mittlerweile deutlich überholt.

Aber es gibt noch Schulen, die klassisch vormittags Unterricht haben und nachmittags Hortbetreuung, oder gibt es das gar nicht mehr?

Die gibt es tatsächlich noch. Das liegt zum einen an der Schule und zum anderen aber auch an den Beschäftigten selber. Mittlerweile gibt es ja die Möglichkeit 80 Prozent zu arbeiten als Erzieher, es gibt aber auch Erzieherinnen und Erzieher, die wollen das gar nicht. Die möchten ihre 50 Prozent behalten und die werden dann überwiegend am Nachmittag eingesetzt.

Du bist Erzieher, Ende 20 und hast eine ganz klassische Ausbildung gemacht zum staatlich anerkannten Erzieher vor ein paar Jahren. Vielleicht nochmal den Blick zurück, aus welcher Motivation heraus bist du eigentlich Erzieher geworden?

Generell Erzieher bin ich geworden, als ich festgestellt habe: Ich möchte zwar mit Kindern arbeiten, aber ich möchte nicht unbedingt als Lehrer arbeiten, weil ich denke, dass man als Erzieher nochmal ganz anders mit den Kindern kommunizieren kann, ganz anders mit ihnen arbeiten kann. Und nicht nur frontal beziehungsweise vor der Klasse stehend.

Dass ich mit Kindern arbeiten möchte habe ich relativ schnell festgestellt. Das war schon in meiner eigenen Schulzeit, wenn ich Arbeitsgemeinschaften geleitet habe, oder das später auch auf Honorarbasis an einer anderen Schule gemacht habe. Dann war quasi nur noch die Frage: Lehramt? Das hätte dann nochmal eine deutlich längere Schulzeit für mich bedeutet und dann auch das Studium. Oder eben Erzieher, wie meine Schwester es mir schon vorgelebt hatte, ich bin also auch familiär etwas geprägt. Und da war mir der praktische Aspekt in der Erzieherausbildung deutlich lieber.

Speziell zum Hort bin ich dann gekommen als ich durch verschiedene Praktika festgestellt habe, dass mir das Verständige der Kinder dort einfach besser gefällt. Also, dass ich mit denen besser reden kann, dass die mich besser verstehen und auch das machen können, was ich vorschlage oder anleite.

Ich hatte ja vorhin schon gesagt, du bist in Jena in der Staatlichen Grundschule Heinrich-Heine. Und du hast im Vorfeld schon gesagt, deine Arbeitsbedingungen sind da eigentlich ziemlich gut. Kannst du mal kurz schildern wie deine Arbeitsbedingungen sind. Wie ist so vielleicht der normale, alltägliche Arbeitsablauf und was ist da besonders gut? Wo fühlt ihr euch gut unterstützt als Erzieher:innen?

Als erstes würde ich gerne sagen, dass die Jenaer Schule eine sehr inselhafte Stellung hat, also in Jena geht es generell sehr gut. Ich habe auch in verschiedene andere Schulen Einblicke und gerade meine Schule gefällt mir so von allen Schulen in Jena, die ich kenne, am besten - eben weil ich gute Bedingungen habe. Das liegt meiner Ansicht nach vor allem an der Kommunikation, auch mit der Schulleitung. Und ansonsten, so vom Tagesablauf, ich arbeite 80 Prozent, ich bin also auch 16 Stunden in der Zweitbesetzung im Unterricht drin und habe dennoch noch Zeit am Nachmittag für meine Gruppe beziehungsweise für die Arbeit im offenen Hort bei uns an der Schule.

Wir sind materiell gut aufgestellt durch den Schulträger der Stadt Jena. Wir haben ein saniertes Schulgebäude, gut funktionierende Klassenräume, relativ viele Luftreiniger auch in der Corona-Zeit anschaffen können. Wir haben auch einiges an Personal. Zwar haben wir auch die üblichen Langzeitkranken und auch Kolleg:innen mit Teilzeitbeschäftigung, also noch weniger als 80 Prozent und dennoch ist es bei uns an der Schule immer so, dass wir wirklich noch einige Kolleg:innen haben, die da sind. Wir sind also, wenn keine Krankenwelle da ist, sehr gut aufgestellt.

Also habt ihr nicht das klassische Problemfeld, dass drei Kolleg:innen ausfallen und auf einmal steht man alleine vor 35 Kindern am Nachmittag. Das Problem habt ihr nicht?

Nicht im normalen Betrieb. Zu Grippezeiten stand ich auch schon mal alleine mit mehreren Kindern da, aber das sind Ausnahmesituationen. Wir haben das dann über eine Überlastungsanzeige geregelt, dann ist man rechtlich abgesichert. Und dann macht man das Beste, was man machen kann.

Das musst du kurz erklären. Also eine Überlastungsanzeige heißt, du zeigst an, dass du hier nicht die richtigen Arbeitsbedingungen hast, und da passiert dann was?

Genau, also ich zeige an, dass ich überlastet bin mit der Situation. Das ist immer situationsspezifisch und endet auch relativ zeitnah, wenn die Situation behoben ist. Das gebe ich vor allem erstmal bei der Schulleitung ab, damit die sehen, die Situation ist so eigentlich nicht händelbar. Ich sichere mich damit rechtlich ab, dass ich dafür nicht haftbar gemacht werden kann, wenn es irgendwelche Konsequenzen oder Folgen gibt.

Ist das so üblich im Erzieherbereich?

Also die Möglichkeit müsste eigentlich noch viel häufiger wahrgenommen werden, wenn ich jetzt auf andere Schulen gucke. Wir kriegen auch immer wieder Fragen, gestern beispielsweise hatten wir eine Rechtsweiterbildung für die Erzieherinnen und Erzieher in der Gewerkschaft und da wurde auch gefragt: „Wenn wir zu zweit auf 100 Kinder aufpassen müssen, auf vier, fünf Klassen, was machen wir? Müssen wir das?“ Da haben wir auch nur gesagt: „Wenn der Schulleiter euch das anweist müsst ihr das, aber sichert euch bitte ab! Schreibt eine Überlastungsanzeige!“

Dieses Wissen darum ist also nicht sehr weit verbreitet, das höre ich da jetzt raus.

Ich denke auch es wird problematisch, weil man sich ja in dem Moment eingestehen muss, dass man überlastet ist und wer macht das schon gerne? Wenn man jetzt nicht weiter guckt, denn ich sichere mich damit ja eigentlich nur ab.

Dazu kommt noch, dass nicht wirklich was passiert. Das heißt man gibt diese Überlastungsanzeige ab, die wird ans Schulamt geschickt, aber es kommt keine Reaktion darauf. Ich erwarte auch keine Reaktion darauf, weil ich weiß, ich sichere mich damit ab, aber andere wünschen sich da vielleicht noch mehr.

Also mir erscheint das jetzt erstmal plausibel und logisch zu sagen, wenn ich die Aufsicht gar nicht gewährleisten kann, dann zeige ich das meinem Arbeitgeber an und damit ist sozusagen die Haftbarmachungsfrage eine andere. Darum geht’s doch im Kern.

Genauso ist es!

Um nochmal ganz kurz zu deinen persönlichen Arbeitsbedingungen zu kommen an eurer Schule. Du hast gesagt, du bist teilweise im Fachunterricht und teilweise im Stammgruppenunterricht. Heißt das, die Schule hat ein spezielles Konzept? Klingt wie Jenaplan oder Montessori.

Ein spezielles Konzept im Unterrichtsbereich würde ich nicht sagen. Wir haben eine Mischung in den ersten zwei Klassen, in der Schuleingangsphase, unterrichten dann aber in der dritten und vierten Klasse altershomogen. Wir haben ein bisschen eine Ausprägung auf das Sportliche und das Musikalische, aber jetzt kein Konzept wie Jenaplan oder Montessori.

Stammunterricht heißt einfach nur, dass wir in den Stunden Sachkunde, Mathematik oder Deutsch machen, wobei der Lehrer sich entscheiden kann, wann er was macht. Und der Fachunterricht sind dann eben die Fächer wie Sport, Musik, Kunst, Werken und Schulgarten, in denen teilweise auch andere Lehrer dann den Unterricht führen.

Und was machst du in dem Unterricht, wenn die Lehrkraft was erklärt? Also jetzt in der klassischen Vorstellung: Da ist halt ein Lehrer, der etwas erklärt und wenn da jetzt noch ein Horterzieher rumstände, wüsste ich jetzt gar nicht, was der dann da macht.

Es gibt natürlich Phasen, in denen was erklärt wird, aber wir arbeiten nicht ausschließlich frontal. Wir arbeiten viel im Selbststudium oder in Gruppenphasen. Wenn etwas eingeführt oder erklärt wird, sind meine Aufgaben bei mir in der Klasse, aufgrund der technischen Ausstattung, meistens, dass ich vor dem Computer sitze und am Whiteboard meinen Lehrer unterstütze, indem ich Bilder einfüge oder zeige, oder auch Filmchen. In der Coronapandemie haben wir auch Videos aufgenommen um etwas zu zeigen, die wir heute noch teilweise benutzen. Und wenn dann der Stoff eingeführt ist und die Erarbeitungsphase beginnt, gibt’s noch andere Möglichkeiten wie ich mich einbringen kann. Beispielsweise indem ich zu den Schülern gucke, Fragen beantworte mit der Lehrkraft zusammen oder wir teilen die Gruppe einfach mal und ich nehme eine kleine Gruppe mit in den Nachbarraum. Da sind wir wieder bei der guten Ausstattung: Wir haben Teamräume, die für acht bis zehn Kinder groß genug sind und entweder betreue ich dann die Kinder und die Lehrkraft erklärt weitere Stoffe oder andersrum.

In deiner Funktion als einer der Leiter:innen der AG Hort in der GEW Thüringen macht ihr auch Schulungen und Weiterbildungen für die Kolleg:innen. Ist es denn aus eurer Beobachtung ein Problem, dass es zu wenig Personal gibt oder dass das falsch eingesetzt wird?

Also, es gibt auf jeden Fall die Schulen, wo das Personal zu wenig ist oder sie nicht genug Stunden haben, um das aufzufangen. Beziehungsweise, dass die Kollegen in den Vormittag mit reingezogen werden, um den Unterricht zu vertreten, also vertreten ist natürlich viel gesagt, um einfach da zu sein, um die Kinder zu betreuen. Und das wirkt sich natürlich auf den Nachmittagsbereich aus, wenn die Erzieherinnen und Erzieher früh schon ausgepowert sind, weil sie die Kinder von sieben an beaufsichtigen müssen, bleibt hinten nicht mehr viel Zeit für Qualität. Wenn jemand nicht gut mit dem Hortkoordinator oder mit der Schulleitung zurechtkommt oder wenn gewisse Kommunikation fehlt, dann erschwert das den Arbeitsablauf natürlich auch. Wenn meine Schulleiterin nicht weiß, dass ich alleine mit 50 Kindern am Nachmittag da stehe, weil sie vielleicht schon woanders ist, kann sie da auch nicht handeln.

Hortkoordinator muss man kurz erklären. Ist das quasi der Hortleiter oder die Hortleiterin?

Leiter dürfen wir sie nicht nennen, weil offiziell der Schulleiter Hortleiter ist.

Aber der Schulleiter empfiehlt dann einen Erzieher, mittlerweile wird’s ausgeschrieben, als Hortkoordinatoren, der dann mit dem Schulleitungsteam eng zusammenarbeitet und dann quasi die Arbeit des Hortes koordiniert, plant und organisiert.

Du hast vorhin gesagt, Erzieher gehen in den Vormittagsunterricht weil eine Lehrkraft ausfällt und vertreten den Unterricht. Dann hast du dich aber verbessert und hast gesagt: „Nee, Vertretung machen die ja nicht.“ Das ist doch das gleiche Problem, oder? Die machen also schon Unterrichtvertretung, aber es darf niemand so nennen. Oder sehe ich das falsch?

Ne, du siehst das nicht falsch. Also, es gibt Lehrer die bereiten dann Unterrichtsstoff vor, obwohl sie krank sind oder weil sie voraussichtlich länger nicht da sind. Dem Erzieher ist aber rechtlich überlassen, ob er jetzt diese Vertretung umsetzt oder ob er die Kinder einfach betreut. Gerne gesehen ist es natürlich, wenn die Kinder die Vertretung umgesetzt bekommen, wobei man darauf achten sollte, dass da kein Stoff eingeführt wird, weil am Ende will der Lehrer das eigentlich ganz anders eingeführt haben und man bekommt wieder Probleme mit der Kommunikation. Aber Übungsaufgaben umzusetzen ist beispielsweise eine Möglichkeit.

Das Problem dahinter ist ja, wenn tatsächlich der Horterzieher die Stunde vertritt, was er offiziell ja nicht macht, dann wird es oftmals auch nicht als ausgefallene Stunde gemeldet. Das Problem dabei: Das Schulamt oder das Ministerium kriegt dann gar nicht mit, dass der Bedarf da ist.

Das Problem kenne ich auch. Deswegen dränge ich immer darauf, dass das tatsächlich Ausfall ist. Das wollen sich auch viele Erzieher nicht eingestehen. Die sagen dann: „Aber ich war doch da, ich habe doch die Arbeit gemacht!“ Aber es ist eben kein Unterricht! Ich bin da auch mit unserer Schulleitung im engen Kontakt und sage immer wieder: „Hier, das ist Ausfall!“ Dann sagen die: „Ja, das ist Ausfall und das melden wir auch so weiter.“ Ich würde an der Stelle Erziehern oder auch Hortkoordinatoren empfehlen, bei der Schulleitung nochmal nachzuhaken.

Ich kenne es von anderen Schulen, dass die Erzieher da beispielsweise nichts ins Klassenbuch eintragen dürfen. Was dann der Lehrer reinschreibt, erfährt der Erzieher nicht. Bei uns an der Schule darf ich das. Ich schreibe rein, was ich in der Stunde gemacht habe, schreibe aber ein „A“ davor, weil es Ausfall ist. Und trotzdem, wenn wir im Thema weitergegangen sind, muss der Lehrer das ja wissen. Wenn der Lehrer das Gleiche nochmal macht, ist es schließlich verschwendete Zeit.

Das immer zu melden, wäre doch quasi die Voraussetzung für eine realistischere Stellenplanung. Unabhängig von dem Problem, dass man gerade keine Erzieher:innen findet.

Auf jeden Fall, ja!

Und in dieser Richtung beratet ihr auch die Kollegen, wenn ihr diese Weiterbildung macht?

Genau. Also ich sage den Kolleginnen und Kollegen das, was ich selber mache, weil ich denke, dass es richtig ist.

Zumindest die Meldung wäre ja jetzt ein Punkt, der sich leicht und schnell verbessern könnte. Ob dann hinterher der Stellenplan anders gestrickt wird und dann noch jemand gefunden wird, das ist nochmal sekundär. Aber die Voraussetzung wäre ja schon mal, dass alle das melden, was tatsächlich in der Schule passiert.

Das wäre ein guter Schritt. Die Frage ist eben, wie oft das Schulamt das auch anfragt. Also, ich glaube nicht, dass das am Ende jeder Woche gemeldet wird. Ich bezweifle sogar, dass Ende des Schuljahres die Stunden gemeldet werden müssen. Aber da steck ich nicht tief genug drin.

Was sind denn noch Felder, wo du denkst, das könnte man eigentlich mit wenig Aufwand verändern seitens des Arbeitgebers, Dienstherren, vielleicht auch des Schulträgers, damit sich an den Arbeitsbedingungen von Horterzieher:innen etwas verbessert?

Man müsste auf jeden Fall Geld in die Hand nehmen, das wird aber weder schnell noch einfach gehen. Ich denke, schnell und einfach kann man interne Sachen regeln. Beispielsweise, wir haben ein großes Problem mit der Vor- und Nachbereitungszeit. Bei 80 Prozent, 32 Stunden haben wir in der Woche eine Stunde zur Vor- und Nachbereitung. Wenn ich die restlichen 31 Stunden am Kind wäre, könnte ich nichts vor- und nachbereiten. Ich könnte mir meine E-Mails nicht angucken, keine Fragen der Eltern beantworten. Wenn wir aber in der Schule absprechen, dass wir uns regelmäßig rausnehmen können aus dem Unterricht um diese Sachen zu erledigen, ist es was anderes. Ich weiß aber bei vielen Kolleg:innen, da wird das so gehandhabt, wenn du da bist, bist du beim Kind! Das funktioniert aber nicht. Wir bräuchten also deutlich mehr Vor- und Nachbereitungszeit. Eine Stunde am Tag, mindestens.

Das ist ein schulinternes Problem, das man schulintern organisatorisch klären kann?

Genau, das kann man entweder mit der Lehrkraft oder der Schulleitung absprechen, dass man die Zeit bekommt Aufgaben eben in Präsens in der Schule, aber nicht am Kind zu erfüllen.

Was wäre der Idealzustand, die ideale Grundschule mit Hort? Aus Erzieher:innenperspektive.

Der Erzieher hat 100 Prozent, wenn er das denn möchte. Er hat entsprechende Vor- und Nachbereitungszeiten, dann vielleicht sogar zwei Stunden am Tag, sodass er sich sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag mit einbringen kann. Oder aber wir nehmen den Hort ganz aus dem Blick und gehen auf die gebundene Ganztagsgrundschule. Dann wäre der Erzieher quasi als zweiter Pädagoge sowieso da, sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag.

Gebundene Ganztagsschule. Kannst du das nochmal ganz kurz erklären?

Es gibt drei Formen: Die Offene, Halboffene und die Gebundene Ganztagsschule. Ganztagsschule sind wir ja in Thüringen per Definition schon und deswegen gibt es nochmal diese Abstufungen. In der Gebundenen Ganztagsschule, von der ich ja geredet habe, gibt es von früh bis spät Unterrichtsangebote. Zur Mittagszeit sind zwei Stunden Angebote, die die Kinder sich frei wählen können, wo also kein Unterricht stattfindet. Mittagsband wird das manchmal genannt. Sowas könnte man auch am Vormittag, beispielsweise nach dem ersten Unterrichtsblock, einfügen. Quasi ein Frühstücksband oder Ähnliches für Arbeitsgemeinschaften, Sport oder musikalische Förderung.

Wenn du sagst in diesen Blöcken findet kein Unterricht statt, dann heißt das ja nicht, dass die Kinder da nichts lernen.

Genau! Da hat man dann Angebote, die durch Lehrkräfte oder auch durch Erzieher:innen stattfinden können, aber man schafft eben auch Pausen, in denen Lehrkräfte Organisationsaufgaben erfüllen können. Beispielsweise Arbeiten kontrollieren, Zeugnisse schreiben und Ähnliches.

Welche Rolle spielt denn die Gewerkschaft bei der Entwicklung, vielleicht hin zur gebundenen Ganztagsschule? Warum ist es denn wichtig, dass man da irgendwie dabei ist?

Ich fang mal wieder in der Vergangenheit an. Als ich 2017 angefangen habe zu arbeiten, wurde ich mit 50 Prozent eingestellt, mehr gab´s nicht. Dann durfte ich einen Antrag stellen auf 60 Prozent und später irgendwann auf 80 Prozent, weil es möglich gemacht wurde, dass allen Erziehern 80 Prozent angeboten wird. Das war eine der Hauptforderungen der GEW Thüringen, die wir auch mit Unterstützung der Politik als GEW durchsetzen konnten. Das heißt, jeder Erzieher, der jetzt neu eingestellt wird, darf, wenn er möchte, mit 80 Prozent eingestellt werden. Beziehungsweise, besondere Stellen werden eben stellengerecht ausgeschrieben. Das ist ein wichtiger Punkt. Aber wir sind natürlich noch nicht am Ende angelangt. 100 Prozent wären nochmal viel besser für die Menschen, die das arbeiten wollen und können.

Das ist also konkret ein Beispiel dafür, wo eine Gewerkschaft sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen eingesetzt hat und auch noch erfolgreich war und sich auch weiterhin einsetzt. Und deshalb wäre es wahrscheinlich sinnvoll, wenn alle in der Gewerkschaft wären, oder?

Auf jeden Fall! Je mehr in der Gewerkschaft sind, desto stärker werden wir. Desto stärker wird die Stimme und irgendwann kann man uns nicht überhören. Das merkt man ja auch gerade jetzt in der Tarifrunde vom öffentlichen Dienst: Je mehr Menschen auf die Straße gehen, desto eher sind die Arbeitgeberverbände dazu geneigt, ein Angebot zu machen.

Vielen Dank!

Das Interview wurde von Michael Kummer, tz-Redakteur, geführt. Eine gekürzte Version des Interviews erschien in der April-Ausgabe der tz.

 

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