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Bericht über seniorenpolitische Fachtagung

„Vielleicht ist 70 bald das neue 30.“

Was bedeutet alt werden in unserer Gesellschaft, wie kann eine zeitgemäße Politik für Senior:innen aussehen und wie können Menschen im Ruhestand wirkungsvoll an der Gesellschaft teilhaben? Mit solchen Fragen beschäftigte sich die 7. Senior:innenpolitische Fachtagung der GEW vom 4. bis 6. Juli in Bonn unter dem Titel „Alterspolitik und soziale Verantwortung“. Gut 120 Teilnehmer:innen aus allen Bundesländern waren angereist.

Diskutiert wurde über die Rolle von Freiwilligenarbeit in der Gesellschaft bei der Versorgung Älterer, den Aufgaben des Wohlfahrtsstaates, über Perspektiven für eine zeitgemäße Senior:innenpolitik in Kommunen, Land und EU und Ideen für ein intensiveren Dialog zwischen älteren und den jüngeren Generationen.

„Was ist die Rolle der Senior:innen in der GEW? Wie schaffen wir es für die Jüngeren Professionspolitik zu machen und für die Älteren eine Altersphasenpolitik?“, fragte Frauke Gützkow, im GEW-Vorstand zuständig für Senior:innenpolitik, daher zum Auftakt. „Alt werden ist vielfältig, geprägt von Lebenssituation, Biographie, Geschlecht und Herkunft. Wir brauchen eine Senior:innenpolitik, die auf respektvoller Solidarität zwischen den Generationen fußt und Älteren Selbstbestimmung und Teilhabe ermöglicht.“

In seinem Fachvortrag erinnerte der Koblenzer Sozialforscher Stefan Sell daran, wie wichtig Freiwilligenarbeit für die Gesellschaft ist. 84 Prozent der 5 Millionen Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt. Nutzt der Wohlfahrtsstaat das Ehrenamt als Sparmodell, um sich ungeliebter Aufgaben zu entledigen oder kann Freiwilligenarbeit eine sinnvolle Ergänzung zu wohlfahrtsstaatlichen Dienstleistungen sein? Hildegard Theobald, Professorin für Gerontologie an der Universität Vechta, verglich die Rolle von Freiwilligenarbeit und Sozialstaat in Deutschland, Japan und Schweden. Dabei wurde erschreckend deutlich, dass in den ganz unterschiedlichen Versorgungssystemen eines allen gemeinsam ist: „Sie setzen auf den Einsatz von Frauen“, kritisierte Gützkow. „Das ist ein gesellschaftlicher Missstand, den wir dringend bekämpfen müssen.“

Bei der Debatte über Senior:innenpolitik in Kommunen, Land und EU brachte Klaus Beck, Bundessenior:innenbeauftragter des DGB, die Stimmung der Tagungsteilnehmer:innen auf den Punkt. Scharf wies er darauf hin, dass Politik für Ältere immer noch keine große Rolle in der politischen Landschaft spiele. Gerade mal acht Zeilen habe die Ampelkoalition der Senior:innenpolitik eingeräumt, in der Debatte über das allgemeine Gleichstellungsgesetz finde das Thema Altersdiskriminierung nicht statt. Beck erinnerte an eine zentrale gewerkschaftliche Forderung: „Damit die Anliegen Älterer gehört werden, brauchen wir endlich flächendeckend Senior:innenmitwirkungsgesetze.“

Regina Görner, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO), ermunterte Ältere, lauter zu werden. Denn obwohl die Gruppe der Senior:innen größer und vielfältiger ist denn je, machten sie meist dieselbe Erfahrung: „Raus aus dem Erwerbsleben, heißt raus aus allem. Das gilt sogar fürs Ehrenamt.“ Viele Organisationen suchten vor allem 30- bis 35-jährige, beobachtet Görner, Ältere werden oft weggeschickt. „Wir sollten uns für ein Umdenken einsetzen – dann ist vielleicht bald 70 das neue 35.“

Wie sehr der Generationendialog derzeit viele in der GEW umtreibt, wurde in der lebhaften Debatte mit Vertreter:innen von Junger GEW, Deutschem Bundesjugendring und des BSA Thüringen sichtbar. Alle sprachen sich für mehr Austausch und eine engere Zusammenarbeit von Alt und Jung aus. Franziska Hense von der Jungen GEW und Gabriele Matysik vom BSA Thüringen berichteten vom fruchtbaren Miteinander bei einer gemeinsamen Tagung in Erkner im Juni.

Das Themenspektrum der Workshops umschloss wesentliche Arbeitsfelder der senior:innenpolitischen Arbeit der GEW: Alter(n)sgerechte Arbeit, Leben mit der Digitalisierung, Pflegezeit für Angehörige tragfähig gestalten, Altersbilder hinterfragen, selbst reparieren und sich im Alltag organisieren, intergenerationelles Wohnen, sichere, flexible Mobilität für Senior:innen und Altersarmut von Frauen bekämpfen.

Kontakt
Gabriele Matysik
Landessenior:innenvertreterin
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
Telefon:  0361 590 95 0