Gastbeitrag: Neue Wege im Schulbau
Schulbau Open Source: Staatliche Gemeinschaftsschule Weimar
Am Beginn des Neubaus der Staatlichen Gemeinschaftsschule Weimar stand ein intensiver Konzeptions- und Entwurfsprozess. Dabei standen die Perspektiven und Anforderungen der Schulgemeinschaft stets im Mittelpunkt. Gemeinsam mit der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft und der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen entwickelte ein interdisziplinäres Team aus erfahrenen Schulbauarchitekt:innen und Fachplaner:innen daraus einen kommunikativ wirksamen, offenen Grundriss als Grundstruktur. Das Ergebnis ist ein neuer Schultyp, der den Anspruch nach Innovation mit angemessenen Mitteln umsetzt.
Im April 2023 fand das Richtfest statt, nach den Sommerferien 2024 soll der Neubau bezogen werden. Derzeit wird das Projekt im Rahmen der Abschlussausstellung der IBA Thüringen präsentiert.
Um die Ergebnisse allen Interessierten zugänglich zu machen, sind alle Planungsunterlagen auf der Online-Plattform „Schulbau Open Source“ der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft öffentlich einsehbar. So soll gezeigt werden, wie sich in partizipativen Prozessen und in kritischer Auseinandersetzung mit oftmals veralteten Vorgaben und Regularien zeitgemäße Lösungen umsetzen lassen.
ECKDATEN | |
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Schulform | Primar- und Sekundarstufe I und II, Jenaplan-Profil |
Schüler:innen | ca. 380 (von insgesamt 850) |
Ort | Weimar, Thüringen |
Baumaßnahme | Ersatzneubau |
Jahrgänge | 1-12 altersgemischt |
Ausgangslage
Die Staatliche Gemeinschaftsschule in Weimar befindet sich seit ihrer Gründung 1993 in einem dynamischen Entwicklungsprozess. Eine engagierte und solidarische Schulgemeinschaft betreibt unter dem Leitbild des „Jenaplan-Prinzips“ aktive Schulentwicklung. Das Schulleben basiert auf der Mitverantwortung von Kindern, Jugendlichen und Eltern. Altersgemischte Stammgruppen bilden den schulischen Sozialisationskern der Schüler:innen. Gearbeitet wird von Anfang an eigenverantwortlich und projektorientiert. Die Schule wird zum offenen Lernraum, in dem die Kinder und Jugendlichen kommunikativ voneinander, miteinander und untereinander lernen. Ort, Sozialform und Inhalte können sie im Rahmen des Lehrplans selbst wählen. Das pädagogische Team gibt Impulse, begleitet, berät und unterstützt sie auf diesem Weg.
Dieses Konzept erfährt eine hohe Nachfrage aus der Bevölkerung: Mittlerweile besuchen ca. 850 Schüler:innen die Schule, an der sämtliche Schulabschlüsse angeboten werden. Schon bald nach der Gründung reichten die Kapazitäten des Schulgebäudes in der Innenstadt nicht mehr aus. Deshalb wurde die Schule um einen Anbau erweitert und eine neue Sporthalle gebaut. Zusätzlich wurde ein Teil der Schule am Stadtrand Weimars in einem Schultypenbau aus DDR-Zeiten untergebracht.
Allerdings erforderte der hohe Sanierungsbedarf dieses zweiten Standortes dringende Entwicklungen und Investitionen. Mit der 2014 initiierten Internationalen Bauausstellung Thüringen bot sich dem Schulträger und der Schulgemeinschaft eine besondere Gelegenheit, ihre pädagogischen Konzepte und Ideen auch architektonisch umzusetzen.
Prozess
Auf die erfolgreiche Bewerbung bei der IBA Thüringen folgte eine Vorphase, die in enger Kooperation mit der Bauhaus-Universität Weimar sowie den Kulturagenten für kreative Schulen in verschiedenen partizipativen Formaten durchgeführt wurden. Den nächsten Schritt bildete die erfolgreiche Bewerbung bei der bundesweiten Ausschreibung „Inklusive Schulen Planen und Bauen“ der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft. Dank der Finanzierung und aktiven Mitwirkung der Stiftung konnte die nächste Entwicklungsstufe umgesetzt werden: In einer „Phase Null“ arbeiteten die Beteiligten unter der Begleitung eines erfahrenen Schulbauberater-Teams die pädagogischen Leitbilder heraus und übersetzten diese in konkrete räumliche Anforderungen.
Eine anschließende Machbarkeitsstudie untersuchte die Umsetzung der Anforderungen aus der „Phase Null“ anhand einer Variantenuntersuchung Modernisierung bzw. Neubau nach qualitativen und wirtschaftlichen Aspekten.
Im Ergebnis votierte der Weimarer Stadtrat für eine Neubaulösung.
Die Stiftung beauftragte ein erfahrenes, interdisziplinäres Schulbauteam mit der Entwurfsleistung. In zahlreichen themenspezifischen Workshops wurde unter Fortführung der Partizipation aus der „Phase Null“ die konkrete baulich-räumliche Umsetzung unter dem Gesichtspunkt der Modellhaftigkeit entwickelt.
Neue pädagogische Anforderungen fordern von allen Fachdisziplinen ein Nachdenken über Innovationen. Deshalb trafen sich von Beginn an alle Planungsbeteiligten – Schulträger, Schule, Planung und Fachplanung – in regelmäßigen Abständen, um Herausforderungen interdisziplinär und gemeinsam zu lösen. Alle weiteren Diskussionen werden für alle einsehbar auf einer gemeinsamen Online-Plattform geführt. Auf dieser werden auch Planungsdokumente, Protokolle und Zwischenstände hinterlegt. Dieser integrative Planungsprozess hat die Umsetzung vieler Innovationen ermöglicht.
Damit innovativer Schulbau nicht einzelnen Kommunen vorbehalten bleibt, hat die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft aus dem Bauvorhaben in Weimar die digitale Plattform „Schulbau Open Source“ entwickelt. Hier werden zukünftig weitere durch die Stiftung begleitete Modellvorhaben vollumfänglich dokumentiert, um die darin enthaltene Ideen und Lösungen zu verbreiten. Dies soll anderen ermöglichen, diese nachzuvollziehen und auf andere Gegebenheiten und Rahmenbedingungen zu übertragen.
Entwurfsidee
Herzstück des Entwurfes sind geschossgroße Lernlofts von ca. 400 m², in denen jeweils drei jahrgangsgemischte Gruppen zusammen lernen, arbeiten und leben. Reine Erschließungsflächen – also Flure – werden vollständig in die pädagogischen Programmflächen integriert. Die vertikale Erschließung wird in den Außenraum verlagert.
Der Ausbau ist vom Rohbau klar getrennt, damit dieser an die pädagogische Entwicklung angepasst werden kann. Raumhöhe und -tiefe der Lernlofts basieren auf den Proportionen für eine natürliche Lüftung, daher kann auf den Einsatz aufwendiger Lüftungstechnik weitgehend verzichtet werden.
Ein wesentlicher Beitrag zur Nachhaltigkeit des Entwurfs ist die kleinteilige Gebäudestruktur aus drei baugleichen Baukörpern mit offenen Grundrissen. Diese ermöglicht, dass die einzelnen Gebäudeteile leicht umgenutzt werden können. Die Versiegelung der Freiflächen kann weitgehend vermieden werden. So wird der umgebende Freiraum statt zum Schulhof zum vielseitig nutzbaren Park, der auch für die Nachbarschaft zugänglich ist.
Projektbeteiligte | |
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Architektur: | Hausmann Architekten GmbH (Phase Null, Objektplanung Leistungsphasen 1 bis 2); gernot schulz architektur GmbH (critical friend Leistungsphasen 1 bis 2, Objektplanung Leistungsphasen 3 bis 9, mit Ernst² Architekten AG Objektplanung (Leistungsphasen 6 bis 9) |
Freianlagenplanung: | arge studio urbane landschaften (Leistungsphasen 1 bis 5); Station C23 (Leistungsphasen 4 bis 8) |
HLS-Planung: | Ingenieurbüro Hausladen GmbH (Leistungsphasen 1 bis 3); IEB Haustechnik (Leistungsphasen 4 bis 6) |
Pädagogische Beratung: | Walter Heilmann; Akustik: Hoock & Partner Sachverständige PartG mbB (Leistungsphasen 1 bis 6) |
Bauphysik: | Ingenieurbüro Hausladen GmbH (Leistungsphasen 1 bis 6) |
Beratung Küchenplanung und Verpflegungskonzept: | Ökomarkt e.V.; Brandschutz: IBC Ingenieurbau-Consult GmbH |
Elektroplanung: | Fruth, Grässner & Partner GmbH (Leistungsphasen 1 bis 3); STF Energy GmbH (Leistungsphasen 4 bis 6); |
Risikomanagement: | Ingenieurbüro BMPesch; |
Tragwerksplanung: | Ingenieurbüro Matthias Münz (Leistungsphasen 1 bis 3); Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG (Leistungsphasen 4 bis 6). |
53113 Bonn