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Gastbeitrag des Lehramtsreferats der FSU Jena

Lehramtsausbildung unter Corona-Bedingungen

Wir schreiben das Frühjahr 2020. Während in den Gremien der Friedrich-Schiller-Universität Jena über die Implementierung des Strategiepapiers „Lehrerbildung 2030“ vom kommissarischen Vorsitzenden des Lehrer:innenbildungsausschusses Nils Berkemeyer gestritten wird, kursieren die Nachrichten eines neuen Virus aus Asien. Schnell fühlte man sich an die Medienpräsenz von Schweinegrippe oder EHEC erinnert. Niemand hätte wohl damals prognostiziert, dass über ein Jahr später nahezu alle gesellschaftlichen Lebensbereiche von den Entwicklungen rund um das Coronavirus abhängig sein würden.

Zu zahlreichen strukturellen Problemen, die es in der Lehramtsausbildung der ersten Phase ohnehin schon gibt, – erwähnt seien hier nur unbezahlte Praxisphasen, die phasenweise fehlende Möglichkeit zum Teilzeitstudium oder große Qualitätsunterschiede der Theorie-Praxis-Verknüpfung – ist nun diese zusätzliche Erschwernis hinzugekommen.

Corona-Semester 3.0

Das kürzlich begonnene Sommersemester 2021 ist nun das dritte Semester, welches unter den Rahmenbedingungen der Pandemie stattfindet. Besonders die Studierenden, die ihr Studium im Wintersemester 2020 begonnen haben, leiden darunter, dass ihnen ein „normaler“ Studienalltag bisher verwehrt geblieben ist. Die für viele Studiengänge überlebensnotwendigen Lerngruppen bilden sich schwer ohne den regelmäßigen Kontakt in und zwischen den Seminaren. Auch der Aufbau sozialer Kontakte, die insbesondere für die neuen Studierenden in dieser Orientierungsphase essenziell sind, kann nur stark eingeschränkt stattfinden.

Zu Beginn des letzten Semesters gab es zwar, wenn auch vereinzelt und mit strengen und notwendigen Hygienemaßnahmen, Vorlesungen und Seminare in Präsenz. Doch die zweite Welle kam, sah und begrub die Hoffnungen, dass wenigstens das folgende Semester annähernd unter Normalbedingungen stattfinden könnte. Konkret bedeutet dies nun, dass in diesem Sommersemester 2021 nur jene Veranstaltungen in Präsenz stattfinden, bei denen ein Lernerfolg sonst ausgeschlossen wäre. Dies gilt zum Beispiel für Laborpraktika oder das Praxissemester. Ob der Schulalltag, in dem die so wichtigen Praxiserfahrungen gesammelt werden sollen, auch wirklich stattfindet, hängt dabei stark von der Region und der Schule selbst ab. Unterm Strich werden die meisten Lehrveranstaltungen als Online-Kurse angeboten. Das Lehrangebot reicht hier von aufgezeichneten Vorlesungen bis hin zu Online-Konferenzen in denen gemeinsame Lektüre oder Übungen besprochen werden. Die Qualität dieser Lehrveranstaltungen ist äußerst heterogen und hängt in hohem Maße von der Eigenmotivation der jeweiligen Dozierenden ab. Von Diffusion, ob der vielen verschiedenen Lernplattformen über Vorlesungen – die zwar online gestreamt werden, bei denen es aber keine Fragemöglichkeit gibt – bis hin zu identischen Vorlesungsvideos, die ohne Anpassung im neuen Semester erneut hochgeladen werden, die Liste mit Verbesserungsbedarf ist lang.

Praxissemester unter Pandemie-Bedingungen

Vor besonderen Herausforderungen steht das Kernstück des Jenaer Modells der Lehrer:innenbildung: das Praxissemester. Als Studierendenvertretung der Lehramtsstudierenden beklagen wir schon lange einige strukturelle Probleme, wie die fehlende Teilzeitregelung und daraus folgende Finanzierungsprobleme für Studierende. Auch variiert die Ausbildungsqualität im Praxissemester nicht nur in Abhängigkeit zu den Studienfächern, sondern insbesondere von den Ausbildungsschulen. Das Zentrum für Lehrer:innenbildung arbeitet hier auf zwei Wegen an der Qualitätssicherung. Im Projekt „Ausbildung der Ausbilder:innen“ sollen die Verantwortlichen in den Schulen auf ihre Rolle als Ausbildende vorbereitet werden. Des Weiteren zeichnet das Zentrum in jedem Jahr Schulen mit einer guten Praxissemesterbetreuung aus. Klagen über Begleitveranstaltungen und Schulpersonal erreichen uns dennoch hin und wieder.

Die Corona-Pandemie hat das Praxissemester weiter erschwert. Bei immer wieder vorkommenden Schulschließungen und einem teilweise vollzogenen Umstieg auf Online-Unterricht ist es in vielen Fällen schwer bis unmöglich für die Studierenden, auf ihr vorgeschriebenes Stundendeputat zu kommen. Auch auf unser Bestreben hin, zeigt sich das Zentrum hier kulant bei der Anerkennung der Leistungen aus dem Praxissemester. Ohne größere Probleme können die Studierenden auch ihr Praxissemester verlängern, sollten ihnen noch Stunden für die Anerkennung fehlen. Dennoch stellt sich die Frage, wie viel „Schulwirklichkeit“ unter diesen Bedingungen wirklich erlebbar werden kann.

Wie gewinnbringend sich ein Praxissemester in der Corona-Zeit gestaltet, hängt von vielen Faktoren ab. Insbesondere die Qualität der Ausbildungsschulen und der universitären Begleitveranstaltungen ist, neben individuellen Voraussetzungen, als Gelingensbedingung zu nennen. Bei allen Schwierigkeiten rund um das Praxissemester unter Pandemie-Bedingungen lohnt sich auch ein Blick auf die Chancen, die sich aus dieser Situation ergeben. In der bisherigen Ausgestaltung des Jenaer Modells spielten Fragen der digitalen Bildung kaum eine Rolle. Je nach Ausbildungsschule besteht nun aber die Möglichkeit für Studierende, sich in digitalen Lehrformaten auszuprobieren. Zwar liegt noch ein Problem digitaler Lehre und der dazugehörigen Ausbildung im Fehlen von Gütekriterien, dies sollte aber als Anreiz verstanden werden, bestehende Theorien und Konzepte weiterzuentwickeln.

Examensprüfungen an der Grenze der Zumutbarkeit

Ein besonderes Augenmerk muss auf die Organisation und Durchführung von Prüfungen gelegt werden. Während es zahlreiche Lehrstühle der FSU geschafft haben, Prüfungsformate auf pandemische Bedingungen anzupassen, indem sie beispielsweise Online-Klausuren anbieten, besteht das Landesprüfungsamt (angegliedert an das TMBJS) im Falle der schriftlichen Examensprüfungen darauf, dass diese mit Maske in Präsenz geschrieben werden. Da die Examensprüfungen von den Mitarbeiter:innen des Landesprüfungsamtes betreut werden, wirkt sich die Personalsituation auch auf die Durchführung der Präsenzprüfungen aus. Aus diesen Gründen war es im März nicht möglich Prüfungsgruppen von 50 und mehr Personen aufzuteilen.

Die Folge ist, dass sehr viele Studierende über vier Stunden mit Maske in einem Hörsaal sitzen. Dies widerspricht der Herstellerempfehlung einer 30-minütigen Tragepause alle 75 Minuten Tragezeit. Besonders leiden Brillenträger:innen durch das Beschlagen ihrer Brillen unter dieser Situation. Zwar hatte sich das Landesprüfungsamt vor den Prüfungsterminen beim Rechtsamt der FSU abgesichert, doch wären in Anbetracht der Pandemiesituation deutlich solidarischere und studierendenfreundlichere Lösungen denkbar gewesen: Allen voran das Ersetzen der Prüfungsformate in Präsenz.

Abschlussarbeit: Die Corona-Pandemie verschärft bestehende strukturelle Probleme

Begrüßenswerterweise gewährte das Landesprüfungsamt vor dem Hintergrund der Bibliotheksschließung im letzten Semester eine generelle Schreibzeitverlängerung von 28 Tagen. Studierende berichteten allerdings von verschiedenen Hürden. So wurden die Möglichkeiten zur Abgabe der Abschlussarbeit von vier Terminen pro Jahr auf zwei gekürzt. Des Weiteren seien wegen der pauschalen Verlängerung individuelle Verlängerungsanträge, zum Beispiel aufgrund von Krankheit, zurückgewiesen worden. Eine Schreibzeitverlängerung im Sinne der Staatsprüfungsordnung sei ja bereits gewährt worden, hieß es dann sinngemäß.

Das Schreiben einer Abschlussarbeit stellt ohnehin eine Ausnahmesituation dar, in der Studierende an ihre Belastungsgrenzen und sogar darüber hinaus gehen. Gleichzeitig finden diese sich dann noch in einer Situation wieder, in der das öffentliche Leben nur unter stärksten Einschränkungen stattfindet. Sollten dann noch zusätzliche individuelle Belastungsfaktoren wie Kinderbetreuung oder die Pflege Angehöriger hinzukommen, sind alle Sorgen um die psychische Gesundheit Betroffener gerechtfertigt. Gerade in diesen Fällen verstärkt sich das Problem einer fehlenden Teilzeitregelung für den 2. Prüfungsabschnitt (Wissenschaftliche Hausarbeit).

Fazit

Dass die Corona-Pandemie für Alle eine Ausnahmesituation dar-stellt, ist unstrittig. Wie in allen anderen Lebensbereichen, ist sie auch in der Lehrer:innenbildung ein omnipräsentes Thema. Vielerorts zeigen sich Menschen solidarisch miteinander, was sich durchaus auch an der FSU beobachten lässt. Gerade das Zentrum für Lehrer:innenbildung in Jena ist bestrebt, studierendenfreundliche Lösungen zu finden.

Im Bildungsministerium und im dazu gehörigen Landesprüfungsamt findet man hingegen als Studierendenvertretung weniger Gehör. Der Versuch, solidarische und studierendenfreundliche Lösungen zu finden, lässt sich hier allenfalls im Ansatz erkennen. Die Corona-Pandemie hat weniger neue Probleme im Bereich der Lehramtsausbildung geschaffen, als vielmehr die zahlreichen bestehenden verschärft. Zu nennen wären hier fehlende Teilzeitregelungen, fehlende digitale Bildung oder die Qualität von Ausbildungsschulen. Für Interessensvertretungen wie das Lehramtsreferat und die GEW ist dies sicher Anlass, um weiter an der Verbesserung bestehender Strukturen im Sinne der Studierenden zu arbeiten.

Wer ist das Lehramtsreferat?

Im Jahr 2003 gründete sich an der Friedrich-Schiller-Universität Jena die Arbeitsgruppe Lehramt, aus der etwas später das Referat für Lehrämter hervorging. Dieses Referat ist dem Studierendenrat der Universität zugeordnet.

Ausgangspunkt für die Gründung dieser Interessenvertretung war in erster Linie eine fehlende einheitliche Organisationsstruktur in den Lehramtsstudiengängen sowie die ungenügende Informationslage für Lehramtsstudierende. Dadurch gab es auch keine „Lehramtsidentität“, wie sie in anderen Studiengängen selbstverständlich ist. Aus der Überzeugung heraus, dass nur eine Initiative von  Lehramtsstudierenden die Lehrer*innenbildung nachhaltig verbessern kann, entstand daraufhin die Idee zu diesem Zusammenschluss.

Das Referat ist Ansprechpartner für alle Lehrämter, die wir in ihrer Gesamtheit vertreten. Als Bindeglied zwischen den einzelnen Fakultäten und Instituten, in denen Lehramtsfächerangeboten werden, sowie den jeweiligen Fachschaftsräten, versuchen wir, Missstände zu äußern und konstruktiv zu beseitigen. Dabei arbeiten wir effektiv in den verschiedensten Studienausschüssen und Gremien mit, um die kleinen und großen Probleme das Lehramtsstudium betreffend mit zu lösen, für die sich niemand verantwortlich fühlt.

Hier geht es zum Lehramtsreferat der FSU Jena.

Kontakt
Paul Menger
Bildungsreferent für das junge Lehramt
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
Telefon:  0361 590 95 56
Mobil:  0178 271 88 99