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Wer unterstützt bei... Diskriminierung? Teil 5

Jugendliche mit rechtsextremen Einstellungen vom Einstieg in die Szene distanzieren – der Verein Distanz e.V. in Weimar

Der Landesausschuss Diversity der GEW Thüringen informiert über Projekte, Melde- und Beratungsstellen zu Antidiskriminierung in Thüringen. Malte Pannemann vom Verein Distanz – Distanzierungsarbeit, jugendkulturelle Bildung und Beratung e.V. wurde von Ramona Mayer, Landesausschuss Diversity befragt

Quelle: Canva Pro

Distanz e.V. arbeitet mit Jugendlichen, die mit rechtsextremen Äußerungen auffällig geworden sind, um sie von einem Einstieg in die Szene zu distanzieren. Dafür bietet ihr unter anderem intensivpädagogische Trainings an. Wie läuft ein solches Training ab?

In der Regel wenden sich pädagogische Fachkräfte an uns. Ihnen stehen wir mit Beratungen, Fortbildungen und Coachings zur Seite. In ausgewählten Regionen bieten wir auch Einzel- und Gruppentrainings für Jugendliche an. Hierfür beraten wir zu einer jeweils individuellen Ansprachestrategie, um ein erstes Treffen von der Fachkraft und dem Jugendlichen mit unseren Trainer:innen anzubahnen. Anschließend treffen sich die Trainer:innen und der:die Jugendliche weiter ohne die Fachkraft. Inhaltlich setzen wir auf Elemente der Biographiearbeit, erzählungsgenerierende Methoden, politisch-historische und jugendkulturelle Bildung, sowie Medien- und Sportpädagogik. Außerdem werden Elemente der systemisch-lösungsorientierten Antigewaltarbeit und genderreflektierende, -irritierende und -sensible Methoden integriert. Das Training ist je nach Fall auf 8 bis 16 wöchentliche Treffen angelegt. Wir versuchen immer, das nähere Bezugssystem des Jugendlichen, bestenfalls die Eltern, mit einzubeziehen. Im Anschluss gibt es mit einigem zeitlichen Abstand zwei Nachbereitungstreffen.

Distanz e.V. führt auch Schulprojekttage durch, an denen ihr mit den Jugendlichen übers gemeinsame Skaten, Musikmachen, Sprayen oder YouTube-Videos-Drehen ins Gespräch kommt. Was ist hier das Ziel?

Unsere Schulprojekttage führen wir durch, wenn es an einer Schule bereits zu extrem rechten Vorfällen gekommen ist oder die Region durch die extreme Rechte stark belastet ist. Durch die Verknüpfung der Geschichte und menschenrechtsorientierten Werte von Jugendkulturen mit politischer Bildungsarbeit wirken wir einerseits präventiv im Rahmen der kurzzeitpädagogischen Intervention. Andererseits wollen wir Themen und Dynamiken identifizieren, die sich für die zukünftige zielgerichtete Weiterarbeit mit den Jugendlichen anbieten.

Wie können die Schulprojekttage für die weitere pädagogische Arbeit an einer Schule nützlich sein?

Im Anschluss an den Projekttag gibt es ein erstes Feedbackgespräch unserer Koordinatorin mit der Schulleitung. So erhält die Schule eine unmittelbare Rückmeldung über die Stimmung unter den Jugendlichen und über eventuelle Auffälligkeiten. Der schriftliche Sachbericht für die Schule enthält die anonymisierte Auswertung der Workshops durch die Workshopleiter:innen und eine Zusammenfassung der Erkenntnisse. Darin geht es sowohl um die Interessen der Schüler:innen und welche Angebote dahingehend an der Schule verstetigt werden könnten als auch um die Verbreitung und Erscheinungsform von diskriminierenden und menschenverachtenden Einstellungen unter den Schüler:innen. In einem weiteren Gespräch mit der Schulleitung wird der Sachbericht ausgewertet und der weitere Handlungsbedarf gemeinsam erörtert. Mit unserem Projekt cultures, arts & politics (CAP) haben wir zudem die Möglichkeit, mit engagierten Jugendlichen noch weiter zu arbeiten. Jugendliche mit extrem rechten Vorurteilen können wir hingegen mit einem intensivpädagogischen Distanzierungstraining erreichen.

Ich habe an meiner Schule Situationen erlebt oder von ihnen gehört, wo Jugendliche mit diskriminierendem Verhalten auffällig geworden sind. Wie kann ich mit Distanz e.V. einen Schulprojekttag an meiner Schule durchführen?

Am besten sind wir telefonisch und per Mail erreichbar. Wir vereinbaren eine Erstberatung, bei der wir das richtige Angebot und eine mögliche Finanzierung besprechen. Das ist zum Beispiel über das Förderprogramm Lokale Partnerschaft für Demokratie möglich. Wenn ein Datum feststeht, kommt eine:r unserer Mitarbeiter:innen in der Schule vorbei, stellt den Schüler:innen den Projekttag vor und verteilt die Workshop-Auswahlzettel. Am Projekttag selbst werden die Klassen- und Jahrgangsverbände aufgelöst zugunsten der thematischen Workshops.

 

Kontakt Distanz e.V.:

Tel.: 03643 / 878 81 8
Mail: mail(at)distanz(dot)info
Web: www.distanz.info


Was ist bei der Zusammenarbeit von Schule und Distanz e.V. zu beachten, damit ein Schulprojekttag gelingt? Wo liegen Schwierigkeiten?

Da wir klassen- und jahrgangsübergreifend arbeiten, muss der Projekttag von der Zustimmung des Kollegiums getragen werden. Oft reicht das Schulbudget nicht aus, um die Kosten zu decken. Deshalb ist eine mittelfristige Planung wichtig, um etwa die Antragsfristen bei den Förderprogrammen einhalten zu können. Eine Vorlaufzeit von mindestens drei Monaten sollte eingeplant werden. Deshalb sind auch kurzfristige „Feuerwehreinsätze“ selten möglich, bei denen innerhalb von wenigen Wochen auf einen Vorfall in einer einzelnen Klasse schnell reagiert werden soll. In solchen Fällen würden wir eher auf unser Beratungsangebot hinweisen.

Welche Bildungsangebote habt ihr für Pädagog:innen, die sich in der Deradikalisierungsarbeit fortbilden möchten?

Wir haben ein modulares Fortbildungssystem für interessierte Teams und Kollegien. Die drei Basismodule befassen sich mit den Themen Wahrnehmung, Intervention oder Strategieplanung. Außerdem stehen verschiedene Vertiefungsmodule zur Auswahl, etwa zu kritischer Medienbildung oder dem Umgang mit Verschwörungsideologien. Für genauere Infos können sich Interessierte gerne an uns wenden!

 

Zur Person Malte Pannemann

Malte Pannemann studierte Erziehungswissenschaft sowie Bildung, Kultur und Anthropologie. Er arbeitet bei Distanz e.V. in Weimar im Rahmen eines Bundesmodellprojektes zur Rechtsextremismusprävention und führt u.a. intensivpädagogische Einzeltrainings mit rechtsextrem einstiegsgefährdeten und rechtsextem orientierten Jugendlichen durch.

Mit anderen GEW-Kolleg:innen engagiert er sich im Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit.