- Du warst seit 1991 als Juristin in der Geschäftsstelle der GEW Thüringen dabei und hast die Rechtsstelle mit aufgebaut. Welche Erlebnisse verbindest du mit dieser Anfangszeit und haben sich die ursprünglichen Ideen und Vorhaben im Laufe der Zeit denn so umsetzen lassen?
Der Anfang war ein Massengeschäft: Tausende Lehrer*innen und Erzieher*innen haben eine Kündigung wegen mangelnder persönlicher oder fachlicher Nichteignung, aber auch aus betriebsbedingten Gründen erhalten. Die Rechtsstelle arbeitete in kleinen Räumen und wir stiegen tatsächlich über Berge von Verfahrensakten und verhandelten thüringenweit in den Arbeitsgerichten für unsere Mitglieder.
Diejenigen, die durchgehalten und eine gerichtliche Entscheidung ihrer Kündigung wegen Nichteignung beim Landesarbeitsgericht abgewartet haben, wurde die Rechtswidrigkeit ihrer Kündigung bescheinigt. Leider waren das nur wenige, denn die meisten haben ihren Arbeitsplatz aufgegeben gegen Zahlung einer Abfindung. Doch selbst dies war ein Erfolg, denn der damalige Minister Herr Althaus hatte verkündet, dass er die Kündigungen wegen Nichteignung bis zum höchsten Arbeitsgericht durchziehen wird. Doch musste er sich eines Besseren belehren lassen und lenkte deshalb schließlich mit Abfindungszahlungen ein.
Es war immer schwierig, den Mitgliedern zu vermitteln, dass man bereit sein muss, um sein Recht zu kämpfen. Viele juristische Streitfragen blieben leider ungeklärt, weil ich nicht die klagewilligen Mitglieder gewinnen konnte.
- Was hat sich wie ein roter Faden durch die gesamten Jahre deiner Tätigkeit in der GEW gezogen?
Die GEWerkschaft hat viele Tätigkeitsfelder und fast immer bedürfen sie der juristischen Begleitung.
- Welche juristische Beratung oder welcher juristische Streit ist Dir besonders in Erinnerung?
Die Mehrarbeit von teilzeitbeschäftigten Lehrern und deren anteilige Vergütung während des Floating-Modells haben mich viel beschäftigt. Trotz der Vereinbarungen der GEW mit dem Kultusministerium hierüber gab es viele Rechtsstreitigkeiten. Da gab es unser Gerichtsverfahren, das zunächst gewonnen und im Berufungsverfahren beim Thüringer Landesarbeitsgericht verloren wurde. Wir legten die Revision beim Bundesarbeitsgericht ein, das schließlich den Freistaat Thüringen verpflichtete, dem Kläger (GEW-Mitglied) für die geleisteten Mehrarbeitsstunden anteiliges Urlaubsgeld, anteilige Zuwendung und vermögenswirksame Leistungen zu zahlen. Diese Entscheidung
war ein wichtiger Erfolg, denn sie konnte auf viele vergleichbare Fälle übertragen werden.
- Was Außergewöhnliches fällt Dir noch zu Deiner Arbeit, Deinen Kolleg*innen oder zur Landesgeschäftsstelle ein?
Ich habe in einem Team gearbeitet, wo das Miteinander und die Fröhlichkeit im Vordergrund standen. Bei den vielen Problemen, die mir Mitglieder von ihrer Arbeit berichten,
wohl keine Selbstverständlichkeit. Außerdem arbeitet auch meine beste Freundin in der LGS, mit der ich nicht nur privat, sondern auch beruflich verbunden bin. Wer hat das schon?!
- Wenn Du die GEW Thüringen aus der ersten Hälfte der 1990er Jahre mit der heutigen GEW Thüringen vergleichst – was fällt Dir dazu auf?
Der Altersdurchschnitt der Mitglieder hat sich so wie in den Lehrerkollegien deutlich erhöht. Viel Arbeit lastet auf den Schultern weniger aktiver Ehrenamtler. Da muss sich was ändern.
- Bei welcher Situation bzw. bei welchen Situationen in der Landesgeschäftsstelle hast Du am meisten gelacht?
Als ich in der Geschäftsstelle anlässlich meines 60. Geburtstages mit einem Krückstock und einer Greifhilfe empfangen wurde. Denn just an diesem Tag hatte ich mal „schlimm Rücken“.
- Ein Abschlusskommentar von Dir?
Wer glaubt, dass die GEW ein Verein ist, dem man Wünsche, Erwartungen und Forderungen mitteilt, dem muss klar sein, dass es keinen Zauberer gibt, der sie erfüllt. Nur die aktive Mitarbeit in der GEW mit der Bereitschaft, Verhandlungen zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen erforderlichenfalls auch mit wirksamen Kampfmaßnahmen zu unterstützen, machen gewerkschaftliche Ziele erreichbar.
So wünsche ich mir für die GEW, dass sie durch neue und junge Mitglieder, die sich auch ehrenamtlich aktiv betätigen wollen, verstärkt wird. Viele Aufgaben gleichzeitig zu verfolgen, machen abrechenbare Ergebnisse schwierig, wenn man ihnen keine Prioritäten gibt. Die Tarifarbeit sollte dabei immer ein besonderes Gewicht haben.
- Vielen Dank.