Hochschulstrategie 2020
Ausgangspunkt ist: Seit 1992 sind die Studierendenzahlen an den Thüringer Hochschulen mit aktuell etwa 51.000 Studierenden auf etwa 340 % der damaligen Studierendenanzahl gestiegen. Gleichzeitig sanken die Personalstellen (Haushalt) um 17 % auf 4.791 Stellen im Jahr 2014. Durch diese gegenläufige Entwicklung werden zum Beispiel auch die Betreuungsrelationen negativ beeinflusst, wenn auch in unterschiedlichen Fächern unterschiedlich stark. Eine gute und intensive Betreuung ist eine Voraussetzung, wenn die Hochschulen eine möglichst große Anzahl von Studierenden haben wollen, die ihr Studium in der Regelstudienzeit absolvieren.
In der Hochschulstrategie 2020 (noch von der alten Landesregierung erarbeitet und verabschiedet), die laut Aussage des Koalitionsvertrages von der neuen Landesregierung fortgeführt werden soll, wurde festgeschrieben, dass an den Thüringer Hochschulen weitere 352 Stellen abgebaut werden sollen. Wenn die rot-rot-grüne Landesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung davon spricht, dass die Nachhaltigkeit in Lehre und Forschung eine größere Rolle spielen soll, sie aber gleichzeitig willens ist, etwa 7,4 % der gegenwärtig 4.791 Stellen im Hochschulbereich zu streichen, ist dies nicht ehrlich und hat mit einer aufgabengerechten Personalausstattung, wie sie die GEW seit langem fordert, wenig oder nichts zu tun.
Die neue Landesregierung bekennt sich in der im November 2014 verabschiedeten Koalitionsvereinbarung dazu, dass alle Hochschulen an ihren jeweiligen Standorten erhalten werden sollen. Sie schränkt diese Aussage allerdings dahin gehend ein, dass sie den Wissenschaftsrat um Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Thüringer Hochschulen unter Berücksichtigung von Kooperationsmöglichkeiten mit den benachbarten Bundesländern bitten wolle. Wir merken dazu kritisch an, dass sich schon die in der Rahmenvereinbarung III zwischen der Landesregierung und den Thüringer staatlichen Hochschulen geforderten Kooperationen für das Land Thüringen, die auch in der Hochschulstrategie 2020 ihren Niederschlag gefunden haben, nur schwer realisieren ließen bzw. lassen. Als negatives Beispiel sei hier die von der CDU/SPD-Landesregierung eingeforderte Kooperation im Bereich der Thüringer Hochschulbibliotheken zu nennen.
Duale Hochschule
Die Landesregierung plant, noch in diesem Jahr die Staatliche Studienakademie und die Berufsakademien in Eisenach und Gera zu einer Dualen Hochschule umzuwandeln. Die dazu notwendige Änderung des Thüringer Hochschulgesetzes war bis zum Sommer noch nicht auf den Weg gebracht, so dass nur zu hoffen ist, dass die Landesregierung die geplante Änderung auch mit Betroffenen und ihren Vertretungen – den Gewerkschaften – in einem ausreichenden Zeitrahmen diskutiert. Unsere Position ist klar: Wir sind der Meinung, dass es besser wäre, duale Studiengänge an den staatlichen Fachhochschulen auszubauen und die Verwaltungsfachhochschule in Gotha ebenfalls einzubinden, statt eine weitere staatliche Hochschule, die Duale Hochschule, zu schaffen. Die Staatliche Studienakademie mit dem Standorten in Eisenach und Gera, die zur Dualen Hochschule aufgewertet werden soll, hat auf der Grundlage des Thüringer Berufsakademiegesetzes (ThürBAG) z. B. eine schlechtere Personalausstattung als staatliche Fachhochschulen. Wenn die Duale Hochschule kommt, muss sie Bachelorabschlüsse anbieten, die denjenigen der Fachhochschulen und Universitäten gleichwertig sind. Sie muss personell und sachmitteltechnisch aufgabengerecht wie diese Hochschulen ausgestattet werden – und nicht in der „Schmalspur“-Variante der derzeitigen Staatlichen Studienakademie.
Beschäftigungsverhältnisse
Der Koalitionsvertrag enthält Aussagen, dass die „Thüringer Hochschulstrategie 2020“ im Hinblick auf eine deutliche Verbesserung der Beschäftigtenverhältnisse fortgeführt und weiterentwickelt werden soll. Welche Beschäftigtenverhältnisse wie verbessert werden sollen, lässt der Koalitionsvertrag offen. Die neue Landesregierung will ein Maßnahmenpaket „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ entwickeln und dabei auf die Empfehlungen des „Herrschinger Kodex“ der GEW sowie auf die „Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum wissenschaftlichen Nachwuchs“ zurückgreifen. Die GEW Thüringen steht diesen Forderungen aufgeschlossen gegenüber, erwartet aber zügig klare Aussagen zur inhaltlichen und zeitlichen Umsetzung. Verbessert werden soll auch die Situation der Lehrkräfte für besondere Aufgaben. Solche Aussagen lassen die Betroffenen, vor allen Dingen diejenigen an den Fachhochschulen, die bisher in die Entgeltgruppe 11 eingruppiert sind, hoffen, dass sie nun endlich auch in die Entgeltgruppe 13 gemäß TV-L eingruppiert werden. Wir hoffen, dass dieses Thema im nächsten Jahr auf den Weg gebracht wird. Zu den diesbezüglichen Aktivitäten der GEW Thüringen siehe dazu auch den Beitrag Die Vergütung von „Lehrkräften für besondere Aufgaben“ (LfbA) an Hochschulen.
Finanzen
Die Finanzierungszusagen aus der „Hochschulstrategie 2020“ werden in einer langfristigen Rahmenvereinbarung gesichert, so heißt es in der Koalitionsvereinbarung. Die jetzige Landesregierung will das Mittelverteilungsmodell KLUG (= Kosten- und leistungsuntersetzte Gesamtfinanzierung) durch eine Mittelverteilung auf Grundlage von Zielvereinbarungen ersetzen.
Bereits in ihrer „Tabarzer Erklärung“ forderte die GEW Thüringen vom Februar 2014, den Hochschulen bei künftigen Rahmenvereinbarungen zwischen dem Freistaat Thüringen und den Hochschulen diesen jährlich eine mindestens vierprozentige Erhöhung der Landesmittel, basierend auf dem Haushaltsjahr 2014, zu garantieren. Eine Vergabe nach Indikatoren LUBOM (= Leistungs- und belastungsorientierte Mittelvergabe), KLUG lehnen wir ab. Ebenso muss der Anteil der Grundfinanzierung an der Gesamtfinanzierung wieder deutlich nach oben gehen. 2011 betrug die Drittmittelquote der Thüringer Hochschulen 23,6 %, Tendenz weiter steigend. Diese Quote muss sinken, auch wenn die absolute Höhe der eingeworbenen Drittmittel steigen kann.
Je größer die Flexibilität der Hochschulhaushalte ist, desto mehr Probleme ergeben sich daraus. Zum Beispiel ist die Rücklagenbildung für die Verwirklichung besonderer Vorhaben per se nichts schlechtes, kann es aber sehr schnell werden, wenn diese zu Lasten des Personals geht. Schwierig ist zudem, dass die Transparenz der Entscheidungen und Vorgänge nicht immer gewährleistet ist, was bei flexibilisiertem Mitteleinsatz aber dringend notwendig ist. Dadurch wird es auch immer schwerer bis unmöglich für diejenigen, die die Haushaltsentscheidungen treffen – nämlich die Mitglieder des Thüringer Landtages – nachzuvollziehen, ob die Hochschulen genügend Mittel für Personal und Sachkosten erhalten, um ihren Aufgaben in guter Qualität nachkommen zu können. Grundsätzlich spricht sich die GEW Thüringen gegen unternehmerische Steuerungsinstrumente an Hochschulen aus.
Um einen dringend notwendigen Neubeginn in der Thüringer Haushaltspolitik starten zu können, brauchen wir eine klare, von den zu lösenden Aufgaben her bestimmte Bildungs- und Finanzpolitik. Wir müssen stärker die Nachhaltigkeit in den Prozessen des Bildungssystems behandeln. Langfristige Prozesse können nur durch eine langfristige und kontinuierliche Politik beherrscht werden.
Ein finanzieller Kassensturz muss landes- und bundesweit erfolgen, danach eine Neuverteilung vorhandener Mittel und die Neuerschließung von Mitteln für die aktuellen und die zukünftigen Aufgaben und Zielstellungen (Umverteilung von Bundesmitteln als Finanzausgleich für Thüringens globale Ausbildungsleistungen, Vermögenssteuer, Beenden ungerechtfertigter Steuervergünstigungen, Einfrieren von Rüstungskosten etc.).
Die Forderungen der GEW Thüringen zur weiteren Entwicklung des Hochschul- und Wissenschaftsstandorts Thüringen
Zusammengefasst lauten die Forderungen der GEW Thüringen wie folgt:
- Wir setzen uns für den Erhalt aller staatlichen Thüringer Hochschulen an ihren Standorten ein. Kooperationen kann es dort geben, wo sie sinnvoll und von den Beteiligten und Betroffenen erwünscht sind.
- Zur Verbesserung der Kontinuität von Lehre und Forschung (Daueraufgaben) sowie der Planbarkeit von Beschäftigungsverhältnissen und damit von Karrierewegen fordert die GEW Thüringen in einem ersten Schritt bei wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Verhältnis von 1:2 von unbefristeten zu befristeten Beschäftigten anzustreben.
- Wir setzen uns für den Erhalt der Fachhochschulen als eigenständigem Hochschultypus ein, mit besonderem Akzent auf Praxisorientierung und guter Lehre. Die Fachhochschulen müssen unabhängig von ihrer Bezeichnung ein eigenständiges, klar erkennbares Profil haben. Dabei ist es jedoch wichtig, dass sowohl ihre personelle und finanzielle Unterausstattung als auch tarifliche Diskriminierungen beseitigt werden.
- Die GEW Thüringen unterstützt die Einrichtung von dualen Studiengängen. Diese sollen von Fachhochschulen angeboten werden.
- Die Staatliche Studienakademie und die Verwaltungsfachhochschule in Gotha sollen in die staatlichen Thüringer Fachhochschulen sinnvoll eingegliedert werden. Dafür müssen die Standorte (Eisenach, Gotha und Gera) nicht aufgegeben werden.
Demokratische Strukturen
Abschließend noch ein Blick auf die Frage demokratischer Strukturen an Hochschulen. Im Koalitionsvertrag steht hierzu: „Demokratische Prinzipien, Mitbestimmung aller Statusgruppen und die Suche nach gemeinschaftlich getragenen Entscheidungen sollen Teil der Hochschulkultur Thüringens sein.“
Die GEW Thüringen fordert den Gesetzgeber auf, die Demokratisierung der Thüringer Hochschulen voranzutreiben. Dazu gehören aus unserer Sicht insbesondere
- die Wiedereinführung der Landeshochschulkonferenz, in der sich Hochschulleitungen, Personalräte und Studierendenvertretungen austauschen und gemeinsam das für das Hochschulwesen zuständige Ministerium und die Landesregierung bei Vorhaben im Hochschul- und Wissenschaftsbereich beraten,
- die Wiedereinführung des Konzils. Das Konzil soll zudem mit erheblichen Kompetenzen ausgestattet werden. Im Konzil sind normalerweise alle Mitgliedergruppen einer Hochschule in größerer Zahl vertreten als im Senat. Es sollte das Konzil sein, dass Grundsatzentscheidungen für die Hochschule trifft, nicht der Senat und schon gar nicht ein hauptsächlich mit Externen besetzter Hochschulrat. Beispielsweise könnte das Konzil den/die Leiter*in der Hochschule wählen.
- die Erweiterung der Kompetenzen des Senats. Nach § 33 ThürHG darf der Senat in sehr vielen Angelegenheiten nur Stellung nehmen, bspw. Struktur- und Entwicklungsplanung, Ziel- und Leistungsvereinbarungen, Grundsätze der Mittelverteilung; unseres Erachtens sollte er wieder mehr beschließende Kompetenz bekommen.
- die Wahl der Hochschulleiterin/des Hochschulleiters durch das Konzil oder den Senat,
- die Beschlussfassung zu Struktur- und Entwicklungsplänen sowie die Ausstattung und die Mittelvergabe durch das Konzil oder den Senat,
- der Hochschulrat als beratendes statt als beschließendes Gremium,
- die Ermöglichung einer breiten Beteiligung aller Hochschulmitglieder an den Entscheidungsprozessen,
- die Novellierung des § 88 des Thüringer Personalvertretungsgesetzes, damit alle an den Hochschulen Beschäftigten unter das Mitbestimmungsrecht des Personalrats fallen,
- die paritätische Besetzung der Hochschulgremien. Dies widerspricht dem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1973 nicht, wenn nur in Angelegenheiten von Lehre und Forschung bzw. künstlerischen Entwicklungsvorhaben gewährleistet ist, dass die Professorinnen und Professoren der Hochschule nicht von den anderen Beschäftigtengruppen überstimmt werden.
Fazit
Die Aussagen im Koalitionsvertrag bieten Möglichkeiten, die Hochschulen im Freistaat voranzubringen und die Situation der Beschäftigten zu verbessern. Ob dies tatsächlich geschieht, werden wir in den nächsten Jahren erfahren. Die GEW Thüringen wird die Landesregierung an ihren Aussagen messen und eigene Initiativen voranbringen.