Mit Inkrafttreten der Änderung des Thüringer Besoldungsgesetzes (ThürBesG) zum 1.10.2011 hatte der Thüringer Landtag die Ämter (die Funktionsbewertung) als Fachleiter in der Ausbildung von Lehramtsanwärtern für die Lehrämter aller Schularten gestrichen. Die Aufgaben der Fachleiter am Studienseminar bestehen jedoch unvermindert fort, bleiben aber im Rahmen der Lehrerausbildung zur Zweiten Staatsprüfung seitdem ohne Aussicht auf angemessene Besoldung bzw. Vergütung.
Als Ersatz wurde im ThürBesG ab 1.10.2011 eine Zulage bestimmt, die nicht an regelmäßigen tariflichen Anpassungen teilnimmt und nur vorübergehend für die tatsächliche Betreuung von Lehramtsanwärtern gewährt wird. Wird beispielsweise in einem Ausbildungsjahr in einem konkreten Fach kein Lehramtsanwärter ausgebildet, erhält der dafür zuständige Fachleiter dann auch keine Zulage. Bisher konnte das Amt des Fachleiters im Wege der Beförderung dauerhaft übertragen werden und hatte so auch Auswirkungen auf die Leistungen im Ruhestand. Das ist seit 2011 völlig anders. Die Zulage in Höhe von 219,69 Euro Brutto kann nicht annähernd den finanziellen Unterschied zu den bisherigen Ämtern ausgleichen. Auch in der Lehrerausbildung wird also auf dem Rücken der Beschäftigten gespart.
Das hat jedoch verheerende Folgen für Thüringen. Der Bedarf an jungen Lehrern ist immens, und somit auch der Bedarf an Fachleitern, die diese Lehramtsanwärter ausbilden können. Dabei müssen Fachleiter eine aufwendige Qualifizierung durchlaufen, bevor sie in der Lehrerausbildung eingesetzt werden können. Der erhebliche fachliche wie organisatorische Aufwand schlägt sich seit 2011 jedoch nicht mehr in der Besoldung bzw. Vergütung nieder.
Die GEW Thüringen setzt sich dafür ein, dass Fachleiter eine angemessene Perspektive und Bezahlung erhalten. Unerlässlich ist hierbei, dass der übertragenen Funktion eines Fachleiters auch das entsprechende Amt folgt. Eine Trennung von Statusamt und Funktion ist unzulässig. Deshalb will die GEW Thüringen mit ausgewählten Musterverfahren klären lassen, dass die Thüringer Regelung mit dem Verfassungsgrundsatz nach amtsangemessener Alimentation im Sinne von Art 33 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) sowie Art 3 und Art 19 GG unvereinbar und damit verfassungswidrig ist. Ziel ist es, eine höchstrichterliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht bzw. Bundesverfassungsgericht zu erwirken.
- Rechtlicher Hintergrund und Vorgehensweise der GEW Thüringen
Das zuständige Verwaltungsgericht hat unser Anliegen mit Urteil vom 18.6.2013 in einem der Musterverfahren abgewiesen und lediglich eine kursorische Überprüfung im erschwerten Berufungszulassungsverfahren eingeräumt. Den hieraufhin erhobenen Antrag auf Zulassung der Berufung hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 29.6.2016 abgelehnt.
Sollte die Vorstellung der GEW Thüringen nach höchstrichterlicher Entscheidung in dieser bedeutenden Rechtsproblematik bereits nach der 1.Instanz scheitern? Das können wir so nicht hinnehmen. Hier sind zu viele Fragen unbeantwortet geblieben, so dass aus Sicht der GEW Thüringen weiterhin absoluter Handlungsbedarf besteht.
Deshalb haben wir uns an einen Spezialisten auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts, öffentlichen Dienstrechts und besonders Lehrerdienstrechts, den Erfurter Rechtsanwalt Wiese, gewandt und weitere notwendige Schritte gemeinsam ausgelotet. So soll zum einen eine Anhörungsrüge das Thüringer Oberverwaltungsgericht zur Zulassung der Berufung bewegen helfen.
Zum anderen liegt das Hauptaugenmerk in einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). In aufwendiger Weise hat Rechtsanwalt Wiese gemeinsam mit seiner Kanzleikollegin Rechtsanwältin Dr. Laschinski und Zuarbeit durch die GEW-Landesrechtsstelle die gesamte äußerst komplexe Rechtsproblematik als Verfassungsbeschwerde dem BVerfG vorgelegt. So ist ein wertvolles Gutachten über die Thüringer Rechtsverfehlungen und Gundsatzfragen zur Verfassungsmäßigkeit des ThürBesG entstanden. Alles muss auf den Prüfstand.
Rechtsanwalt Wiese und Rechtsanwältin Dr. Laschinski werden in diesem Verfahren die Interessen der Mitglieder der GEW Thüringen vor dem BVerfG in Karlsruhe vertreten. Über die Annahme der Beschwerde wird das BVerfG befinden müssen.
Rechtsanwalt Wiese hebt hervor: „Das Verfahren kann, soweit es vom Bundesverfassungsgericht angenommen wird, weitreichende Bedeutung für die zukünftige Gestaltung des Thüringer Besoldungsgesetzes und für den zulässigen Spielraum des Thüringer Gesetzgebers unter Beachtung von Verfassungsmäßigkeit und Demokratie im Freistaat erlangen. So kann ein Ergebnis nicht nur Auswirkungen auf die Fachleiter in Thüringen und der notwendigen Bewertung deren Funktion in einem Statusamt entfalten.“
„Allein die Bedeutung des Rechtsstaatsprinzips“, so Rechtsanwältin Dr. Laschinski, „hätte dabei die eingehende Prüfung in der dafür vorgesehenen fachgerichtlichen Instanz erfordert, was durch die befassten Thüringer Gerichte bisher leider versäumt wurde.“
Das BVerfG wird sich aus der Beschwerde mit den Fragen der Verletzung des Grundrechts auf Gleichbehandlung, Entgeltgleichheit, transparente Entgeltgestaltung, Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit nach der EU-Grundrechte-Charta, als auch der hergebrachten Grundrechte des Berufsbeamtentums, wie des Lebenszeitprinzips, des Rechts auf amtsangemessene Verwendung, des Alimentationsprinzips, des Leistungsprinzips, des Laufbahnprinzips, der Fürsorgepflicht, des Grundsatzes der Gesetzesbindung durch Besoldungsrecht beschäftigen.
Es wird auch zu klären sein, ob die Thüringer Richter das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art 19 Abs. 4 GG verletzt haben, indem sie den Instanzenweg versagt haben.