Zum Inhalt springen

Gastbeitrag

Die Thüringer Demokratie braucht eine starke Demokratiebildung

„Demokratie muss gelernt werden, um gelebt werden zu können!“, betonte nicht nur der Politikdidaktiker Kurt Gerhard Fischer. Das gilt selbstredend auch für die Demokratie in Thüringen, die aktuell gefährdeter ist denn je: Für das Wahljahr 2024 ist zu befürchten, dass eine erwiesen rechtsextreme und damit demokratiefeindliche Partei auf etwa 30 % der Wähler:innenstimmen zählen kann. Diese Entwicklung ist besorgniserregend und zeigt auf, dass es verschiedene anhaltende Anstrengungen braucht, um die Thüringer Demokratie zu schützen.

Quelle: Canva Pro

Sozialkunde als Baustein der Demokratiebildung soll geschwächt werden

Demokratiebildung und politische Bildung an Schulen und im Bereich der außerschulischen Kinder-, Jugend- und Erwachsenenbildung sind wichtige Register in diesem so notwendigen Orchester ebendieser Anstrengungen. Durch sie werden Menschen in ihrer Entwicklung als mündige Bürger:innen unterstützt, die die Gesellschaft in Thüringen heute dringend braucht. Daher sind derzeit diskutierte Mittelkürzungen im Bereich der Demokratiebildung auf Bundesebene, ohnehin nur sehr begrenzt zur Verfügung stehende Mittel auf Landesebene, aber auch erwogene Stundenreduzierungen im Fach Sozialkunde an Thüringer Gymnasien falsche Zeichen in einer kritischen Zeit.

Demokratiebildung gilt an Thüringer Schulen als Querschnittsaufgabe und wird nicht nur im Sozialkundeunterricht verhandelt, aber gut ausgestatteter Sozialkundeunterricht ist ein wesentlicher Baustein für ihre Realisierung. Schon jetzt ist Thüringen eines der Bundesländer mit der niedrigsten Quote an genuinem Politikunterricht in der Schule. Es sei daher hier auf die Kritik und die Forderungen der Deutschen Vereinigung für politische Bildung e.V. (DVPB) Thüringen1 verwiesen.

Schlechte Bedingungen in der außerschulischen Bildung

Neben der Schule sind es vor allem Träger und Einrichtungen der außerschulischen Kinder-, Jugend- und Erwachsenenbildung, die in Thüringen ein Angebot an Demokratiebildung und politischer Bildung bereitstellen. Deren Rahmenbedingungen sind aber bereits jetzt mehr als ungünstig: Viele Träger können ihre Arbeit lediglich durch stets befristete Projektförderungen finanzieren, welche in der Regel verschiedene Schwierigkeiten mit sich bringen. Die Träger müssen zumeist Eigenmittel beisteuern, die viele, gerade kleinere Träger nur schwerlich aufbringen können – da das Einwerben von Spenden oder Kofinanzierungen mit einem enormen Aufwand verbunden sind, der nicht finanziert wird. Teilnahme- und Eintrittsgelder auf der anderen Seite stellen Hürden insbesondere für die Teilnahme benachteiligter Gruppen an Bildungsmaßnahmen dar.

Zumeist kalenderjährige Förderungen sind nicht auf die Entwicklung langfristiger Konzepte angelegt, die aber eine Voraussetzung guter Bildungsarbeit darstellen. Oft spät beschlossene Haushalte verkürzen die Dauer der Projekte zusätzlich, da sie meist erst im Frühjahr zu einer Bewilligung führen und Projektmitarbeiter:innen – nicht nur prekär und unsicher beschäftigt – in dieser Zeit arbeitslos sind. Der Logik befristeter Projektfinanzierung folgend sind viele Projektmitarbeiter:innen lediglich befristet eingestellt. Neben diesem Umstand sorgen ohnehin schmale Projektbudgets für oftmals nur wenig angemessene Vergütungen in Teilzeitstellen.

Kleinteilige, befristete und schlecht vergütete Arbeitsverhältnisse stellen angesichts eines zunehmenden Fachkräftemangels viele Träger vor die Schwierigkeit, gut qualifizierte und erfahrene Mitarbeiter:innen zu finden, die es – um den Bogen zu schlagen – jedoch bei kurzen Projektlaufzeiten braucht, um zügig erfolgreiche Projekte zu realisieren. Die bereits erwähnten schmalen Projektbudgets begründen sich auch in kleinen Fördertöpfen, die zudem für gewöhnlich keine dynamisierten Finanzierungen zulassen, welche aber in Zeiten von Inflation und sehr zu begrüßenden Tariferhöhungen dringend erforderlich sind.

Maximal unangebrachte Kürzungspläne

Vor diesem Hintergrund und angesichts multipler gesellschaftlicher Krisen sind angekündigte Kürzungen maximal unangebracht, derzeit vor allem bei Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie des Bundesministeriums des Inneren (BMI). Dass diese Kürzungen auch auf die Förderungen von Projekten der Träger der Demokratiebildung in Thüringen katastrophale Auswirkungen haben werden, ist eine berechtigte Sorge. Nicht nur müssen die Kürzungen für die nächsten Jahre auf Bundesebene verhindert werden, vielmehr müssen die zur Verfügung stehenden Mittel – sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene – massiv aufgestockt werden!

Kontakt
Julia Lange
Koordinatorin des Netzwerks Demokratiebildung in Thüringen
Telefon:  0152 546 089 58