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(K)eine Herzenssache!?

Die Enquetekommission Rassismus/Diskriminierung empfiehlt. Umgesetzt wird nichts.

Knapp ein Jahr ist es her, dass im Thüringer Landtag die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen der Enquete-kommission vorgestellt wurden – und damit ein Jahr Zeit, um die Umsetzung voranzutreiben, zentrale Aspekte bei Gesetzesnovellen, Verordnungen, Landtagsanträgen, Haushalts- und Stellenanmeldungen zu berücksichtigen. Die Bilanz ist enttäuschend. Meinen die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen der LINKEN, SPD und GRÜ-NEN es ernst? Wenn ja, muss nun endlich über die Ebene des Symbolpolitischen hinausgegangen werden.

Symbolbild - Quelle: Canva Pro

Ernüchternde Bilanz

Bisher ist hier so gut wie nichts vorzuweisen. Die Expert*innen-Kommission als externer Motor fehlt. Die interne Motivation scheint gegen Null zu gehen. Die zentrale Ombudsstelle am TMBJS finden wir selbst mit der Lupe nicht. Anmeldung dafür im Stellenplan des Bildungsministeriums? Fehlanzeige! Generell scheinen dafür keine Stellen und auch kein Geld eingeplant zu sein im Haushalt 2021. Aber das würde die Voraussetzung bilden, um wenigstens eine der Empfehlungen umzusetzen. Die letzte Hoffnung ruht auf den Fraktionen. Nur sie können über entsprechende Änderungsanträge noch die notwendigen Voraussetzungen schaffen.

Forderungen an den Landeshaushalt

Hoffen wir also auf eine bessere Ausstattung des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit. Es muss ausgebaut, tarifgerecht gezahlt und aus den Projekten heraus verstetigt werden. Hoffen wir auf die Schaffung der Ombudsstelle, die im § 28 Abs. 2a des Thüringer Schulgesetzes vorgeschrieben ist. Hoffen wir auf Stellen oder Honorarmittel für Externe, um Leitfäden zu entwickeln und Lehr- Lernmittel zu überprüfen. Und hoffen wir schließlich auf so vieles mehr, nämlich, dass die Umsetzung eine echte Herzensangelegenheit der Regierungsmitglieder wird.

Auch die Landtagsfraktionen sind in der Pflicht

Doch kleine Lichtblicke gibt es auch. In einem Antrag zur Stärkung der Sekundarstufe 1 findet sich etwas. Hier soll das Fach Sozialkunde früher beginnen und zu einem 2h-Fach ausgebaut werden. Rot-Rot-Grün verweist hier auf Grund- und Menschenrechtsbildung sowie Aspekte der Enquete-Kommission. Ein Lichtblick. Es scheint neben der Forderung nach einer rassismuskritischen Studie innerhalb der Polizei eine der wenigen Initiativen der Fraktionen zu sein. Auch sie müssen ihr Engagement sichtbar steigern und die Landesregierung bei der Umsetzung der Handlungsempfehlungen vorantreiben.

Wir als Landesausschuss Diversity und als gesamte GEW Thüringen unterstützen sie gern dabei. Zudem erinnern wir sie an die Verpflichtungen, die sie selbst mit den Handlungsempfehlungen und dem Koalitionsvertrag eingegangen sind.

Zur Erinnerung für uns alle

Empfehlungen im Bereich schulische Bildung

  1. Einsetzung einer Arbeitsgemeinschaft aus Expert*innen zur fachlichen Begleitung bei der Umsetzung der Enquete-Handlungsempfehlungen im Bildungsbereich
  2. Erarbeitung von Leitfäden, Konzepten und Materialien zum Umgang mit Diskriminierung und Rassismus in Schulen, Bekanntmachung der zentralen Ombudsstelle und Verbesserung des Meldeverfahrens besonderer Vorkommnisse
  3. Schaffung von Angeboten für benachteiligte Gruppen im Bildungsbereich
  4. Überprüfung Lehr- und Lernmaterialien
  5. Überarbeitung und Erweiterung von Aus- und Fortbildungangeboten für Lehrer*innen aller Schularten, Erzieher*innen, Sozialpädagog*innen und Kita-Mitarbeiter*innen
  6. Fächerübergreifende Stärkung politischer und rassismuskritischer Bildung in Schulen und Berufsschulen
  7. Förderung von Pädagog*innen und Pädagogikstudent*innen mit reflektierter Rassismuserfahrung

Empfehlungen im Bereich außerschulische Bildung

  1. Förderung internationaler Begegnung für alle Generationen verankern
  2. Entfristung und Verstetigung aktueller Förderprogramme zu den Themen Demokratiestärkung und rassismuskritische Arbeit
  3. Förderung der anerkannten Träger der Erwachsenenbildung und Senior*innenverbände für ein spezifisches Bildungsangebot zur Bekämpfung von Rassismus und Stärkung der Demo-ratie
  4. Angebote und Räume für Empowerment schaffen, von Rassismus und Diskriminierung betroffene Personen in Gremien der außerschulischen Bildungsarbeit stärken und gezielt bei der Ausbildung zu Kursleiter*innen fördern

Der gesamte Bericht kann hier nachgelesen werden. 

Übersichtlicher Flyer vom Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk zu allen Handlungsempfehlungen. 

Kontakt
Marcel Helwig
Team Referatsleitung Gewerkschaftliche Bildungsarbeit und Mitgliederbetreuung
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
Telefon:  0361 590 95 0