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Auswirkungen von Corona im Bereich Sozialpädagogik

Die Arbeit im Kindergarten während der Coronakrise

Die durch Corona erzwungenen Einschränkungen haben auch vor dem Reggio-Kinderhaus in Gotha nicht Halt gemacht. Die dort tätige Erzieherin Bärbel Walther schildert hier, in welch schnellen Schritten die Schließung kam und wie eingreifend diese Maßnahmen für die tägliche Arbeit der Pädagog*innen waren und sind.

Symbolbild - Quelle: Canva Pro

Am 13.03 2020 fand in unserer Einrichtung ein In-House-Seminar, mit Professor Tassilo Knauf, einem der Mitbegründer der Vereinigung zur Förderung der Reggio-Pädagogik in Deutschland Dialog Reggio, statt. Wir wollten an diesem Tag über die weiteren Maßnahmen für unsere Zertifizierung sprechen. Doch es kam anders, denn die im Laufe des Tages immer mehr werdenden Informationen zum Stand der Corona-Infektion machten es schwer, beim eigentlichen Thema zu bleiben.

Am Nachmittag hieß es plötzlich, dass ab dem 17. März 2020 alle Schulen und Kitas geschlossen bleiben und nur die Kinder betreut werden, deren Eltern systemrelevanten Berufen nachgehen. Wir waren alle sehr aufgeregt und gespannt, was auf uns zukommt. In einer Pause schauten wir in die Stammkarten unserer Kinder, um zu erfahren, welche Familien es betrifft. Unsere jungen Kolleg*innen mit eigenen Kindern in Schule und Kita fragten sich, was mit ihnen wird. An diesem Freitag gingen wir alle mit gemischten Gefühlen nach Hause.

Kindergarten geschlossen und Beginn der Notbetreuung

Am Dienstag, den 17. März 2020, durften sechs Kinder unsere Einrichtung besuchen. Da es sich vorwiegend um Krippenkinder handelte, wurden sie von den Kolleg*innen der Krippengruppe betreut. Wir mussten alle ein Notfalldatenblatt ausfüllen, auf dem wir ankreuzen sollten, ob man von der Schließung der Schulen/Kindergärten direkt betroffen ist, ob man eine Betreuung der eigenen Kinder durch Dritte sicherstellen kann und ob man zu einer Risikogruppe gemäß Vorgaben des Robert-Koch-Instituts gehört. Viele unserer Kolleg*innen gehören zur Risikogruppe und waren verunsichert. Einerseits hieß es, es soll kein Kontakt zu den Enkeln erfolgen, aber an der Arbeit waren wir mit Kindern aus verschiedenen Familien zusammen. Die Informationen der Medien bzw. Virologen waren zu diesem Thema auch sehr unterschiedlich und verwirrend.

Den Kolleg*innen, die keine anderweitige Betreuung ihrer eigenen Kinder ermöglichen konnten, gewährte der Arbeitgeber für sechs Wochen eine bezahlte Freistellung. Das fanden wir sehr gut. Einige Kolleg*innen hätten gern im Home-Office gearbeitet, aber leider wünschte es der Arbeitgeber nicht. So nutzten wir die Zeit, Dinge zu erledigen, die sonst über Monate liegen blieben. An erster Stelle stand dabei die Arbeit an den Bildungsbüchern der Kinder. Es gab endlich Zeit, die Entwicklung der Kinder in Ruhe zu dokumentieren, Fotos zu sortieren, aufzukleben und Entwicklungsberichte zu schreiben. Dabei wünschten wir uns, so eine kleine Auszeit gäbe es jedes Jahr, natürlich ohne Virus. Weiterhin nutzten wir die Zeit für Arbeiten in den Gruppenräumen, Spiele, Puzzle wurden auf Vollzähligkeit überprüft, sämtliche Spielgegenstände (Puppengeschirr, Bausteine, Autos ...) gereinigt. Puppenkleidung, Decken, Kissen, Gardinen gewaschen, Schränke ausgemistet und aufgeräumt. Einige Kolleg*innen malerten ihre Garderoben. Im Garten wurden Überdachungen für die Sandkisten angebracht, die Sandkisten von Unkraut befreit, Gras gesät, Spielgeräte repariert, neu gestrichen, die Gemüsebeete auf Vordermann gebracht. Im Haus wurden die Keller- und Lagerräume entrümpelt und aufgeräumt.

Wir sind eine große Einrichtung mit vielen Räumen, also gab es viel zu tun. Das heißt aber nicht, dass wir vor Corona untätig waren. Jedes Jahr findet ein Arbeitseinsatz mit den Eltern statt, bei dem viel geschafft wird. Zwei Kolleg*innen übernahmen das Nähen von Masken für alle Kolleg*innen. Das fanden wir super. Vom Arbeitgeber gab es zu dem Zeitpunkt noch keine Masken.

Misstrauen des Gesundheitsamtes unter erschwerten Bedingungen

Die Zahl der zu betreuenden Kinder stieg dabei von Woche zu Woche. Täglich mussten wir unsere Tätigkeiten fürs Amt dokumentieren. Misstrauten sie uns? Die Betreuung der Kinder erfolgte wochenweise von den gleichen Kolleg*innen. Es kamen ständig neue Handlungsanweisungen zum Hygienemanagement, die umgesetzt werden sollten (z. B. Zutritt der Eltern in der Hohl- und Bringezeit, zur Trennung der Gruppen, zum Tragen von Mund und Nasenschutz). Es war und ist nicht so einfach alles umzusetzen, z.B. das strikte Trennen der Gruppen, das Nichtvermischen. Das Ausfallen von Kolleg*innen durch die Freistellung wegen der Betreuung der eigenen Kinder, durch Krankheit und Urlaub erschwerte alles.

Unlogische Einteilung der Systemrelevanz auf Kosten der Beschäftigten

Nach fünf Wochen mussten die Kolleg*innen, die wegen der Betreuung ihre eigenen Kinder zu Hause blieben, kurzfristig wieder an die Arbeit kommen. Die Freistellung wegen Kinderbetreuungspflichten wurde neu bewertet. Die Kolleg*innen mussten einen neuen Antrag stellen und zwar ankreuzen ob sie entweder eine anderweitige Betreuungsmöglichkeit finden, vorhandene Plusstunden nehmen oder Urlaub beantragen, ihre wöchentliche Arbeitszeit reduzieren oder Gebrauch vom Entschädigungsanspruch (mit 67 Prozent) machen und diesen beim Arbeitgeber beantragen. Am einfachsten wäre es gewesen, wenn Erzieher*innen in die Gruppe derjenigen aufgenommen wären, die systemrelevant sind und damit ein Anspruch auf Notbetreuung hätten, auch, wenn die/der Partner*in nicht in einem systemrelevanten Bereich arbeitet.

Im Mai kam dann die weitere Öffnung der Notbetreuung und die Gruppengröße sollte bis auf maximal zehn Kinder steigen. Wir machten uns Gedanken darüber, welche Kinder in die Kita kommen dürfen und welche nicht. Zuerst hieß es, dass die Vorschulkinder die Möglichkeit zum Besuch der KiTa bekommen sollen. Das begrüßten wir. Aber es kam dann ganz anders.

Arbeitgeber spricht eher mit der Presse anstatt mit den Beschäftigten

Am Donnerstag, den 14.5.2020, gab unser Oberbürgermeister eine Pressemitteilung heraus, in der es hieß, dass ab Montag, den 18.05.2012, die Kindergärten in Trägerschaft der Stadt in den eingeschränkten Regelbetrieb gehen. Wir waren alle geschockt, Kolleg*innen und Leitung, weil wir es auch nur durch die Presse erfuhren und nicht vorab eine Mitteilung an die Einrichtung erfolgte.

Erst am nächsten Tag 17 Uhr waren die Leiter*innen zu einer Infoveranstaltung eingeladen und erfuhren, wie es ab Montag weitergehen soll. Wir waren gespannt und machten uns am Wochenende Gedanken darüber wie die Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden können, ob die Eltern ins Haus dürfen oder ihre Kinder an der Tür abgeben müssen, wie die Freifläche abgetrennt werden kann, damit sich die Gruppen nicht vermischen und vieles mehr.

Für sechs Wochen müssen wir jetzt immer unsere Dienstpläne erstellen, damit die Leitung planen kann. Die Einrichtung ist ab 8 Uhr geöffnet. Alle Gruppenabschnitte müssen zu zweit besetzt sein. Ein/eine Kolleg*in übernimmt die Kinderbetreuung in der Gruppe und der/die zweite Kolleg*in holt die Kinder an der Tür ab. Am Nachmittag sind alle Gruppen bis 16 Uhr besetzt, es gibt keine Sammelgruppe.

Wir versuchen alle Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten, sind aber gespannt, wie es in der jetzt beginnenden Urlaubszeit und bei Ausfall von Kolleginnen durch Krankheit weitergeht.


Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag entstand Anfang Juli.

Kontakt
Bärbel Walther
GEW-Personalrätin der Stadt Gotha
Telefon:  03621 853894