Tarifpolitik
Das war die Tarifrunde der Länder
Am 9. Dezember 2023 haben sich Gewerkschaften und Arbeitgeber in Potsdam auf ein Tarifergebnis für die rund zweieinhalb Millionen Landesbeschäftigten verständigt. Vorausgegangen waren massive Warnstreiks.
In der Dezember-tz berichteten wir bereits über die Thüringer Streikaktivitäten an den Hochschulen, u. a. über den Hochschulaktionstag am 20. November 2023 in Jena.
Es folgten der Bildungsstreiktag am 28. November sowie unser Thüringer Nikolausstreiktag. 7.000 Streikende waren wir zum Bildungsstreiktag in Leipzig, 20.000 bundesweit. Thüringer Erzieher:innen, Lehrkräfte, Hochschulmitarbeiter:innen und studentische Beschäftigte fuhren mit 14 Bussen nach Leipzig. Etliche Kolleg:innen reisten mit Zügen oder individuell an.
Um vor der dritten und abschließenden Verhandlungsrunde den Arbeitgebern zu zeigen, dass wir weiter kraftvoll streiken, bis sie uns ein gutes Angebot vorlegen, riefen wir am Nikolaustag thüringenweit zusammen mit ver.di zum Streik auf. Mehr als 1.400 Arbeitnehmer:innen des Landes waren dem Streikaufruf gefolgt und demonstrierten in Jena für ihre Forderungen.
Am Folgetag, dem 7. Dezember, begann dann die letzte Verhandlungsrunde in Potsdam. Sie endete am 9. Dezember mit einem
„gutem Kompromiss in schwieriger Zeit“
(Maike Finnern, GEWBundesvorsitzende).
Der Abschluss folgt im Wesentlichen dem, was die Gewerkschaften im April 2023 für die Beschäftigten im Bereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) mit Bund und Kommunen vereinbarten, und zieht damit wieder nach:
- Zum frühestmöglichen Zeitpunkt gibt es eine steuer- und abgabenfreie Einmalzahlung in Höhe von 1.800 Euro.
- Von Januar bis Oktober 2024 erhalten die Beschäftigten zudem 120 Euro als monatliche Inflationsprämie, ebenfalls steuer- und abgabenfrei.
- Ab 1. November 2024 erhöhen sich für alle Beschäftigten die Tabellenwerte um 200 Euro, ab 1. Februar 2025 noch einmal um 5,5 Prozent. Werden mit den beiden Erhöhungsschritten keine 340 Euro erreicht, wird die Gehaltssteigerung zum 1. Februar 2025 auf 340 Euro gesetzt.
- Die Laufzeit beträgt 25 Monate. Die nächsten Verhandlungen finden also ab November 2025 statt.
Auszubildende und Praktikant:innen im Anerkennungsjahr erhalten die Einmalzahlung in Höhe von 1.000 Euro, die monatlichen Sonderzahlungen in Höhe von jeweils 50 Euro. Ab November 2024 werden ihre Gehälter um 100 Euro erhöht, ab Februar 2025 um weitere 50 Euro.
Konkret bedeutet das:
Einstieg in tarifliche Regelung für studentische Beschäftigte
In der Tarifrunde haben sich die studentischen Beschäftigten an den Hochschulen gemeinsam mit der GEW und ver.di stark gemacht für die Forderung nach einem Tarifvertrag, der ihre Beschäftigungsbedingungen regelt (TVStud). Einen Tarifvertrag haben sie zwar noch nicht erreicht, aber einen Einstieg in eine tarifliche Regelung ihrer Arbeitsbedingungen. Während der Verhandlungen zeigte sich leider: An die Koalitionsversprechen zu einem TVStud wollten sich in der Arbeitgebergruppe weder Vertreter:innen der SPD, Grünen noch CDU erinnern – auch um den Preis, studentische Beschäftigte weiterhin in ihren prekären Arbeitsbedingungen zu belassen. Im Verlauf der Verhandlungen versuchte die Arbeitgeberseite sogar, verschiedene Beschäftigtengruppen im Landesdienst gegeneinander auszuspielen. Unsere Antwort hierauf war gewerkschaftliche Solidarität: Wir lassen uns weder blockieren noch spalten. Auch wenn die jetzt getroffene Vereinbarung im TV-L nicht vollständig den Erwartungen der studentischen Beschäftigten entspricht, ist es ein Ergebnis, das den Weg für einen TVStud ebnet und erste konkrete Verbesserungen enthält. So werden etwa Mindestentgelte für studentische Beschäftigte und Mindestvertragslaufzeiten von in der Regel zwölf Monaten festgelegt. Außerdem ist festgehalten, dass in der nächsten Tarifrunde erneut über die Anpassung der Mindestentgelte verhandelt wird. Damit erkennen die Länder-Arbeitgeber an, dass es in den Länder-Tarifrunden künftig auch um die studentischen Beschäftigten geht.
Verbesserungen für Erzieher:innen
Die Gewerkschaften hatten gefordert, die im Jahr 2022 für den kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst (TVöD) vereinbarten Verbesserungen zu übernehmen. Dieses Ziel wurde teilweise erreicht. Auch für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder werden ab 1. Oktober 2024 die Stufenlaufzeiten der S-Tabelle an die der allgemeinen Tabelle angepasst und damit verkürzt. Das heißt für die Erzieher:innen: Schneller mehr Geld. Die zusätzlichen freien Tage, sogenannte Regenerationstage, lehnten die Länder-Arbeitgeber leider rigoros ab. Dem Argument, dass sie mit dem öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen gleichziehen müssen, wenn sie Fachkräfte halten wollen, waren sie nicht zugänglich. Die GEW wird sich weiterhin für Verbesserungen für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder einsetzen.
Eure häufigsten Fragen zum Tarifabschluss
Stichtage, Auszahlungszeitpunkt, Begrifflichkeiten: Hier gehen wir noch einmal auf Eure spezifischen Fragen ein.
Wann kommen die Inflationsausgleichszahlungen?
Die Einmalzahlung in Höhe von 1.800 Euro soll laut Formulierung im Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise (TV Inflationsausgleich) zum „frühestmöglichen“ Zeitpunkt ausgezahlt werden. Inzwischen haben mehrere Finanzministerien verlautbart, dass die Auszahlung sich „aus technischen Gründen“ bis März oder sogar April 2024 verzögern kann. Das betrifft auch die monatlichen Sonderzahlungen von Januar bis März 2024. Wir haben die Thüringer Finanzministerin im Dezember schriftlich aufgefordert, die Umsetzung des Tarifergebnisses für die Tarifbeschäftigten unverzüglich anzugehen. Die gute Nachricht: Alle Sonderzahlungen werden selbstverständlich in vollem Umfang nachbezahlt! Als Inflationsausgleichszahlungen sind sie von Steuern und Sozialabgaben befreit.
Wie hoch sind die Inflationsausgleichszahlungen, wenn man in Teilzeit arbeitet?
Auch Teilzeitbeschäftigte erhalten Inflationsprämien. Sie erhalten sowohl die einmalige Inflationsprämie wie auch die monatlichen Inflationsprämien anteilig zu ihrem jeweiligen Beschäftigungsumfang. Stichtag für die einmalige Inflationsprämie ist der Beschäftigungsumfang am 9. Dezember 2023. Für die monatliche Inflationsprämie ist der Beschäftigungsumfang am 1. Tag des jeweiligen Monats entscheidend.
Bekommen auch Beschäftigte in Elternzeit die einmalige Inflationsausgleichszahlung?
Laut Tarifvertrag müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Am 9. Dezember 2023 muss ein Arbeitsverhältnis bestanden haben. Außerdem muss mindestens an einem Tag zwischen dem 1. August 2023 und dem 8. Dezember 2023 Anspruch auf Entgelt bestanden haben. Zum Anspruch auf Entgelt gehören auch Zahlungen im Beschäftigungsverbot und im Mutterschutz. Beschäftigte, die während des gesamten Zeitraums zwischen dem 1. August 2023 und dem 8. Dezember 2023 in Elternzeit waren, sollten sich bezüglich einer Geltendmachung beraten lassen.
Ein Tarifvertrag für studentische Beschäftigte wurde nicht erreicht, dafür eine „schuldrechtliche Vereinbarung“. Was bedeutet das konkret?
Mit der schuldrechtlichen Vereinbarung gibt es erstmals einen Vertrag zwischen den Gewerkschaften und den Länderarbeitgebern, der die Arbeitsbedingungen studentischer Beschäftigter regelt. Individuelle Ansprüche daraus sind zwar nicht einklagbar. Verletzen Arbeitgeber allerdings die Vereinbarung, stellt dies einen Vertragsbruch dar, der durch die Gewerkschaften eingeklagt werden kann.
Wie geht es jetzt weiter?
Gewerkschaften und Arbeitgeber einigten sich auf eine Erklärungsfrist bis zum 19. Januar 2024. Nach Ablauf der Erklärungsfrist beginnen die Redaktionsverhandlungen. Darin stimmen Gewerkschaften und Arbeitgeber den genauen Wortlaut der Änderungstarifverträge ab.
Die Laufzeit der Entgelttabellen endet am 31. Oktober 2025. Bis zu diesem Datum können die Entgelttabellen nicht gekündigt werden und es herrscht Friedenspflicht. Es darf nicht für weitere Lohnerhöhungen gestreikt werden.
Die nächste Länder-Tarifrunde beginnt daher im Herbst 2025. Dann verhandeln Gewerkschaften und Arbeitgeber wieder über eine Gehaltserhöhung für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder.
99096 Erfurt