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Standpunkt

Besoldung folgt Tarif oder Tarif folgt Besoldung?

Für den DGB Hessen-Thüringen und die GEW Thüringen ist die Forderung nach einer amtsangemessenen Alimentation in den letzten beiden Jahren zu einer Daueraufgabe geworden. Der Besoldungsgesetzgeber hat darauf reagiert und im November 2022 ein „Gesetz zur Gewährleistung einer verfassungsgemäßen Alimentation im Jahr 2023“ vorgelegt.

Symbolbild - Quelle: Canva Pro

Wie schon in der letzten tz dargestellt wurde, gibt es seit 2020 eine neue Situation für die Thüringer Landesbeamt:innen. Der Freistaat Thüringen muss nach einem Gerichtsurteil eine amtsangemessene Alimentation gewährleisten. Eine erste Reaktion auf diese veränderte Rechtslage war die Streichung von Erfahrungsstufen bei den unteren Besoldungsgruppen. Diese Strategie des „Zusammenschrumpfen der Besoldungstabellen“ wurde vom DGB Hessen-Thüringen sehr kritisch gesehen und als keine dauerhafte Lösung des Problems zurückgewiesen.

Aufgrund dieser veränderten Lage werden jetzt mehrere Parameter geprüft, wie z.B. Lohnentwicklung, Verbraucherpreise und Wahrung des Mindestabstands zur Grundsicherung. Anhand dieser Parameter kam die Landesregierung zu dem Ergebnis, dass die Besoldung der Beamt:innen zum 01.01.2023 um 3,25 % anzuheben ist und zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise im Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2023 monatliche Sonderzahlungen zu gewähren sind. Diese Regelungen und weitere Inhalte wurden im „Gesetz zur Gewährleistung einer verfassungsgemäßen Alimentation im Jahr 2023“ durch das Finanzministerium dem Landtag zugeleitet.

Damit erfüllte das Ministerium eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte im Mai 2020 „ausdrücklich bekräftigt“ die Alimentation auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Und das Bundesverfassungsgericht stellte klar, dass der Besoldungsgesetzgeber soweit erforderlich auch über die Umsetzung der Tarifergebnisse hinaus tätig werden muss, um eine verfassungsgemäße Alimentation zu gewährleisten.

Und hier stellt sich die Grundsatzfrage, ob die seit Jahrzehnten eingeübte Praxis, dass erst ein Tarifabschluss vereinbart und dann die Besoldung zeit- und inhaltsgleich angepasst wird, noch gilt. Für dieses Jahr kann gesagt werden, dass das Besoldungsgesetz voraussichtlich vor dem TV-L beschlossen wird, um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen. Zumal das Gericht auch darauf hinweist, dass „der Besoldungsgesetzgeber […] aufgrund der Evidenz, Erheblichkeit und hohen Eintrittswahrscheinlichkeit der sich momentan ändernden Umstände bereits jetzt darauf zu reagieren hat“ und nicht zu lange warten sollte.

Grundsatz der gewerkschaftlichen Besoldungspolitik: „Besoldung folgt Tarif“

Diese Entwicklungen werden sehr kritisch durch den DGB Hessen-Thüringen und die GEW Thüringen gesehen. Denn mit dem vorliegenden Besoldungsgesetz greift der Besoldungsgesetzgeber dem Tarifabschluss vor, dies ist politisch falsch und abzulehnen. Die Verfassungskonformität muss zwar unabhängig von einem künftigen Tarifergebnis hergestellt werden. Mit dem vorliegenden Besoldungsgesetz kehrt der Gesetzgeber aber das bisher bewährte Prinzip um. Dies sollte sich keinesfalls wiederholen.

Diese Sondersituation ist entstanden, da es 2021 in den Tarifverhandlungen nicht gelungen war, das ursprünglich angestrebte Ziel von 5 % bei einer Laufzeit von zwölf Monaten zu erzielen. Dagegen wurden deutlich geringe Lohnsteigerungen vereinbart und 2022 gab es sogar elf „Leermonate“. Bei den anstehenden Tarifverhandlungen zum TV-L sollten sich die Tarifvertragsparteien deshalb an den Inhalten des Thüringer Besoldungsgesetzes orientieren.

Auch sollten die Tarifvertragsparteien bei ihren Verhandlungen im Blick haben, dass zum 01.01.2024 weitere Besoldungserhöhungen notwendig seien werden. Da z.B. mit dem Wegfall der Sonderzahlungen zur „Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise“ (Inflationsausgleichzahlungen) die Alimentation der Landesbeamt:innen dann wieder zu niedrig bemessen sein könnte.

Deshalb muss bei den anstehenden Tarifverhandlungen die Grundvergütung von allen Beschäftigten „dauerhaft“ deutlich erhöht werden, dies hob der GEW-Tarifchef Daniel Merbitz schon im Juni 2022 hervor.

Und nur so kann der Grundsatz der gewerkschaftlichen Besoldungspolitik, dass die Besoldung dem Tarif folgt, auch wieder durchgesetzt werden.

Kontakt
Mike Stieber
Schatzmeister
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