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Best Practice

„Also unmöglich ist eigentlich fast nichts!“

Andreas Schein ist Mitglied in der GEW Thüringen und Datenschutzbeauftragter unseres Landesverbandes. An seiner Regelschule in Stotternheim ist er einer der treibenden Kräfte, die die Nutzung einer App für die umfassende digitale Kommunikation zwischen Schülern, Lehrern und Eltern ermöglicht. Wie es dazu kam, was die App alles kann und ob das von anderen Schulen ebenso genutzt werden könnte – darüber sprachen wir mit ihm.

Die meisten unserer Leser:innen kennen Dich nicht. Wie und wann bist du überhaupt Lehrer geworden? Ist deine Schule in Stotternheim deine erste oder schon deine zehnte? Erzähl mal.

Ich habe in Erfurt studiert, komme aber eigentlich aus einem ganz kleinen Dorf aus dem Grenzgebiet. Das nennt sich Großburschla, da war früher der Todesstreifen, direkt an der Grenze. 1987 habe ich dann meinen Vorkurs in Erfurt gemacht, Mathematik und Physik, das wurde damals gesucht. Meine Referendarzeit habe ich nach der Wende im Bundesland Hessen absolviert, nur deshalb, weil Thüringen damals noch nicht im Mai eingestellt hat.

Anschließend habe ich circa zehn Jahre lang nicht als Lehrer gearbeitet, sondern war selbstständig, hatte eine Firma für Veranstaltungsmanagement, Internetdesign und Netzwerkaufbau und bin vor circa 20 Jahren durch Zufall an die Regelschule in Ebeleben gekommen. Dort war ich zehn Jahre, aber 50 Kilometer für eine Strecke war einfach zu viel. Ich wechselte noch einmal, nun nach Stotternheim, was ich nie bereut habe. Das ist eine schöne kleine Schule, eine Regelschule mit 250 Schülern. Tolles Kollegium, tolle Schüler - das macht sehr viel Spaß dort!

Bei der GEW Thüringen bist Du der Datenschutzbeauftragte. Bist Du das an deiner Schule auch?

An unserer Schule ist der stellvertretende Direktor der Datenschutzbeauftragte, der sich da auch sehr gut kümmert. Ich weiß, dass das nicht immer einfach ist mit dem Datenschutz und vielleicht dazu ein kurzes Statement. Ich glaube, jeder Lehrer möchte seine Kernaufgabe wahrnehmen – also das Unterrichten. Und er möchte sich weniger darum kümmern müssen, ob er datenschutzkonform arbeitet. Das ist aus meiner Sicht die Aufgabe entweder des Schulträgers, der den Einkauf vornimmt und der oftmals bestimmt, was eine Schule kaufen darf oder die Aufgabe des Schulamtes oder des Ministeriums, die das eigentlich prüfen müssten. Es ist nicht die Aufgabe des Lehrers zu überprüfen, ob das Programm oder die Software, die benutzt wird, datenschutzkonform ist. Es müsste stattdessen einfach geprüft zur Verfügung gestellt werden.

Ich höre heraus, dass es in der Realität nicht so ist. Müsst ihr euch als Lehrer also selbst darum kümmern oder bekommt ihr eine Liste an die Hand, welche Software benutzt werden darf? Wie genau ist der praktische Ablauf, wenn du mit Klasse XY eine bestimmte Software und Technik benutzen willst?

Es besteht die Möglichkeit, eine Anfrage an den Datenschutzbeauftragten des Schulamtes zu stellen, in unserem Fall vom Schulamt Mittelthüringen. Das funktioniert gut. Dann wird geprüft, ob das möglich ist. Teilweise muss man auch mit dem Schulverwaltungsamt reden, in meinem Fall der Stadt Erfurt, welche dann auch versuchen, es schnellstmöglich zu prüfen. Das ist alles sehr umständlich und nimmt zu viel Zeit in Anspruch. Bei sensibleren Dingen ist das aus meiner Sicht auch notwendig. An unserer Schule haben wir beispielsweise vor einem Jahr umgestellt, dass die Lehrer die Noten auch von zuhause aus in unsere Notenverwaltung eintragen können und es war nicht ganz so einfach dies datenschutzkonform zu machen. Es kann aber auch sehr schnell gehen. Schnell bedeutet 14 Tage, das hatten wir auch schon.

Ist das eine Schullösung, an der du mitgearbeitet hast oder ist das vom Schulamt, vom ThILLM oder irgendwem vorgegeben?

Vorgegeben ist das nicht, jede Schule hat ja ihre eigenen Lösungen. Wir arbeiten mit PrimeLine für die Schülerverwaltung und PrimeLine stellt natürlich auch ein digitales Klassenbuch und die Notenverwaltung zur Verfügung. Darüber ist es möglich, datenschutzkonform von zuhause aus die Noteneintragungen vorzunehmen.

Findest du das gut, dass jede Schule da eine eigene Lösung hat oder wäre es eigentlich besser, wenn es landes- oder schulamtsweise vereinheitlicht wäre?

Das ist eine interessante Frage. Aus meiner Sicht wäre es wichtig, wenn man zunächst einmal damit anfängt, dass die komplette Schülerverwaltung in einem System läuft. Von mir aus PrimeLine oder auch irgendein anderes. Das heißt, wenn ein Schüler die Schule wechselt, dass die Daten dann einfach übergeben werden an die andere Schule. Ich weiß, dass es in Erfurt möglich ist, wenn die Schulen PrimeLine nutzen. Die Stadt Erfurt nutzt das auch, aber thüringenweit ist das wieder anders. Ähnlich verhält sich das mit bestimmter Software oder der Kommunikation zwischen den Schulen. Eine Vereinheitlichung wäre immer besser.

Welche Lösungen habt ihr an der Regelschule Stotternheim gefunden hinsichtlich der Nutzung digitaler Lösungen und der gleichzeitigen Einhaltung des Datenschutzes, die auch für andere Schulen attraktiv sein könnten?

Wir hatten vor Corona das Glück, dass wir uns bei einer Messe hier in Erfurt mit einer Firma unterhalten haben. Die ist ein deutsches Start-Up mit dem Namen „SDUI“. Sie haben einen Messenger-Dienst aufgebaut, denn WhatsApp ist keine geeignete Variante, um mit Schülern oder Eltern zu kommunizieren. Wir begannen, unsere Kommunikation auf digital umzustellen. SDUI bietet Videokonferenzen und Chats an, jetzt sogar ein digitales Klassenbuch. Gegenüber der Schulcloud gibt es einen Riesenvorteil: Ich kann es auf meinem Handy als App benutzen. Das ist sehr komfortabel – unsere Schüler, Eltern und Lehrer würden ohne diese App gar nicht mehr arbeiten wollen. Ich kann dies nur jeder Schule empfehlen. Und es ist datenschutzkonform, es ist geprüft, alle Daten befinden sich in Deutschland. Wunderbar!

Der Negativpunkt: Es kostet Geld. Aber es ist nicht teuer, pro Schüler pro Jahr circa drei bis sechs Euro. Es hält sich also in Grenzen.

Welche Dinge sind denn nicht möglich, wo gibt es Einschränkungen? Oder ist das eine digitale Lösung, die schulspezifisch an die Bedürfnisse vor Ort angepasst werden kann?

Wir waren von Anfang an eine der Schulen, die Rückmeldungen gegeben hat, was noch geändert und verbessert werden müsste. Und die Firma hat dann versucht, das umzusetzen. Sie haben mit 10 Personen angefangen, jetzt sind es inzwischen 200 Mitarbeiter, die da arbeiten, weil so viele Schulen umgestiegen sind.

Also unmöglich ist eigentlich fast nichts. Über Umfragen, Verteilung von News, Abfrage von Lesebestätigungen und natürlich auch Übersetzungen in fast alle Sprachen, geht es inzwischen so weit, dass man Krankmeldungen über die App machen kann, die im Klassenbuch erscheinen. Die Eltern können das selbst. Und wir haben dafür selbstverständlich Authentifizierungsverfahren.

Was ich persönlich sehr gut finde, ist, dass man die Chats auch nur in eine Richtung freischalten kann für die Kommunikation. Wir nutzen das beispielsweise für die Unterrichtsdokumentation für Schüler, die nicht anwesend sein konnten. Es wird das Tafelbild abfotografiert und den Schülern mit der App nach Hause geschickt. Dabei verbleibt alles in diesem geschlossenen Raum. Das ist eine sehr gute Sache.

Ihr habt die Thüringer Schulcloud zwar installiert, ihr kennt auch den Umgang damit, aber ihr habt sie quasi links liegen gelassen. Warum?

Das ist richtig. Die Schulcloud und unsere vom Land zur Verfügung gestellten E-Mailadressen nutzen wir nur für die Kommunikation mit dem Schulamt, Ministerium oder wenn es um Weiterbildungen bzw. die Kommunikation mit Lehrern anderer Schulen geht. Solange ich beides nicht mit meinem Handy über eine App abrufen kann, sondern über einen Browser gehen und vorher fünf oder sechs Klicks machen muss, ist es für die Lehrer nicht akzeptabel. Und es ist ja möglich, dass es anders geht.

Vielen Dank!

Das Interview wurde von Michael Kummer geführt.

Kontakt
Dr. Michael Kummer
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
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