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Akutes Problem

Honorarkräftemangel? Dozent:innenelend!

Erwachsenenbildung steht vor seit langem ankündigenden Herausforderungen

Symbolbild - Foto: Canva Pro

Insider wussten es schon seit Jahren: In der jetzigen Form wird sich das Modell der Organisation der öffentlich verantworteten und auch der gemeinnützig organisierten Weiterbildung nicht mehr lange aufrechterhalten lassen. Niedrige Honorarsätze, verankert in von kommunalen Trägern verabschiedeten Honorartabellen, schlechte Förderkonditionen im Bereich der Landesmittel und viele weitere Restriktionen machen es Einrichtungen und Honorarkräften schwer, dauerhaft und existenzsichernd miteinander zu arbeiten. Die Pandemie trug zudem noch zur Verschärfung der Situation bei, weil Unterricht untersagt war oder die Bedingungen der Durchführung zu Teilnehmendenrückgängen geführt haben. Ganze Fachbereiche an Volkshochschulen litten darunter, viele Dozent:innen zogen sich zurück. Und nun auch noch die Teuerungswelle.

Dozent:in, hört sich besser an, als es ist?

Für manche:n war Honorardozent:in nie ein Traumjob, sondern der Arbeitsmarktlage im Bildungssektor der Neunziger- und Zweitausenderjahre geschuldet. Die große Nachfrage nach pädagogischen Fachkräften und das zurückgehende Angebot an Bewerber:innen haben nun die Situation seit einigen Jahren gedreht. Demographie ist das Eine, Expansion der Aufgaben der Weiterbildung das Andere. Trotzdem haben sich die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen wenig geändert und schon gar nicht verbessert.

Staubsauger Schulsystem

Vor allem aber: Einschlägig qualifizierte Fachkräfte werden in den unterschiedlichsten Bereichen – auch branchenfern – gesucht, Quereinsteiger:innenprogramme allerorten realisiert, und selbst im hauptamtlichen Bereich der Weiterbildung, zunehmend auch jenseits der befristeten Projektanstellung, bieten sich Chancen. Chancen v. a. der Unsicherheit der Auftragslage zu entgehen, ein stabiles und kontinuierliches Einkommen zu beziehen, einen eigenen Arbeitsplatz in einer Schule oder einem Betrieb zu haben und das lästige Rechnungstellen, Verhandeln und die Auseinandersetzung mit Kranken- und Rentenversicherung hinter sich zu lassen, vom Finanzamt ganz zu schweigen. Auch Abwerbungsstrategien zwischen den Weiterbildungseinrichtungen greifen immer mehr Raum. Noch wohl eher im Bereich des angestellten Personals … Zudem verbreitet sich bei den Weiterbildungseinrichtungen die Sorge, ob man ausreichend viele mittelfristig verfügbare Honorardozent:innen finden wird. Ob diese bezahlt werden können (Förderbedingungen, Kurskosten) und wie sich die Kostenstruktur angesichts steigender Preise in Teilnehmendenbeiträge umsetzen lässt. Spiegelbildlich dazu die Situation der Dozent:innen: Wie sichere ich meine Lebenshaltungskosten als Honorardozent:in bei Stundensätzen von bisweilen weniger als 20 Euro bei einer prognostizierten Inflationsrate von 10 Prozent in den nächsten Jahren und Fahrtkostenerstattungen von 20 Cent je Kilometer? Eine Zwickmühle wird auch nicht anders beschrieben.

Ansätze einer Lösung

Anstellungsverträge wären eine Lösung, aber nicht für jede Einrichtung und nicht für jede Dozent:in. Es muss aber dringend etwas geschehen, denn die Not ist auf beiden Seiten groß, die gemeinsame Problemlösungskompetenz aber bislang gering, die Verhandlungsmacht sehr ungleich verteilt. Können Gewerkschaften hier helfen? Bislang konzentrierten sich Gewerkschaften wesentlich auf das hauptamtliche Personal. Für Honorardozent:innen dagegen gab es häufig kein Verhandlungsmandat, obwohl z.B. in Köln, Berlin und Bremen bereits Vereinbarungen getroffen werden konnten.

Nun auch in Thüringen?

Soweit ist es noch nicht, aber es gibt etwas Bewegung. Im Vordergrund steht dabei zunächst die Frage nach der Klärung der Rahmenbedingungen der sehr unterschiedlichen und nicht zwingend verbindlichen Mindestvergütungsbedingungen für Honorarkräfte durch die unterschiedlichen Förderbereiche des Freistaats. Die Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen sind rechtssicher und wertschätzend zu organisieren. Einrichtungen und Gewerkschaften müssen in einen Dialog treten, der zumindest zu gemeinsamen politischen Forderungen führen muss.

Eine Fachkräftekrise in der Weiterbildungsbranche verschärft die Fachkräftekrise in Gesellschaft und Wirtschaft. Dabei verlieren alle. Das könnte vielleicht den Freistaat bewegen, seine Agenda zu erweitern. Platz genug ist da. Druck genug noch nicht.

Kontakt
Uwe Roßbach
Geschäftsführer Arbeit und Leben Thüringen
Adresse Juri-Gagarin-Ring 152
99084 Erfurt