Seit dem Jahr 2014 gibt es in der Freien und Hansestadt Hamburg gesetzliche Regelungen und einen Code of Conduct, die die Hochschulen umsetzen, um die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft in Hamburg zu verbessern. Das Abrutschen des Hochschulstandorts in die Bedeutungslosigkeit – ein Katastrophenszenario, das von Gegnern verlässlicher Karriereperspektiven für Wissenschaftler*innen angesichts der Forderung nach mehr Planbarkeit bei den Arbeitsverträgen gern gemalt wird – ist nicht eingetreten. Im Gegenteil: langsam fangen die Verabredungen an zu wirken. Über die Situation in Hamburg sprach Marlis Bremisch für die tz mit Dr. Fredrik Dehnerdt, einem der stellvertretenden Vorsitzenden der GEW Hamburg.
Welche Ausgangsbedingungen haben euch dazu gebracht, tätig zu werden?
Es sind verschiedene Bedingungen, die unseren Hamburger Code begünstigt haben. Vorerst ist ein Bewusstseinswandel nicht nur der Fachpolitikerinnen und -politiker zu nennen, die zunehmend anerkennen, dass gute Forschung und Lehre auch entsprechende Arbeitsbedingungen brauchen. Hier ist durch die Kampagne „Traumjob Wissenschaft“ der BundesGEW unglaublich viel geleistet worden. Vor Ort haben wir den Druck unter anderem durch ein Organisierungsprojekt an der Uni Hamburg gesteigert, mit dem wir über verschiedene Aktivitäten einen Code auf Fakultätsebene gefordert und teilweise auch durchgesetzt haben. Nicht zuletzt stand im Regierungsprogramm der SPD, dass prekäre Beschäftigung an den Hochschulen eingedämmt werden soll.
Welche Akteure waren an den Verhandlungen zum Code of Conduct beteiligt?
Die Behörde für Wissenschaft und Forschung hatte eine AG „Gute Arbeit“ eingerichtet, in der die Kanzler, Personalratsvertreter*innen von drei Hamburger Hochschulen sowie Gewerkschaftsvertreter*innen saßen. Über mehrere Sitzungen sind wir die Personalgruppen durchgegangen und haben im Konsens Verbesserungen formuliert, die teilweise im Hochschulgesetz verankert wurden und teilweise in einem Code of Conduct niedergelegt sind, auf den sich die Hochschulen verpflichteten.
Kannst Du uns die wichtigsten Punkte des Code of Conduct und der gesetzlichen Änderungen nennen?
Für wissenschaftliche Mitarbeiter*innen mit dem Ziel der Promotion wurde gesetzlich festgelegt, dass mindestens ein Drittel der Arbeitszeit für das Verfassen der Dissertation zur Verfügung stehen muss. Für wissenschaftliche Mitarbeiter*innen auf drittmittelfinanzierten Projektstellen wurde im Code of Conduct festgehalten, dass die Laufzeit von Verträgen der Laufzeit der Projektmittel entsprechen muss. Für Lehrbeauftragte wurde im Code of Conduct festgeschrieben, dass ein Vergütungsanspruch besteht. Nicht zuletzt wurde der Satz in das Hochschulgesetz aufgenommen, dass, wenn überwiegend Daueraufgaben in Forschung und Lehre wahrgenommen werden, hierfür Stellen zur unbefristeten Beschäftigung vorzuhalten sind.
Was hat schlussendlich zum Erfolg der Verhandlungen geführt?
Das ist schwer zu sagen. Sicherlich haben wir Gewerkschafts- und Personalratsvertreter*innen gute Arbeit geleistet, denn die Verhandlungen liefen durchaus kontrovers ab. Zu danken ist insbesondere dem Staatsrat, der sich auch von abschließenden Veto-Bedenken einiger Kanzler nicht davon abbringen ließ, noch Änderungen vorzunehmen.
Wie beurteilt ihr als GEW Hamburg nach ca. einem Jahr die Situation?
Der Wandel ist offensichtlich, aber der Weg ist noch weit. Mit den Personalräten ist vereinbart, dass für den Zeitraum bis zum Jahresende 2015 für befristete Beschäftigung auf Stellen mit Daueraufgaben eine Begründung durch die Beschäftigungsbereiche einzureichen ist. Es ist zudem vereinbart worden, dass die Begründungen zunächst bis zum Jahresende gesammelt werden und dann eine Evaluation stattfinden soll. Die GEW wird am Ball bleiben und die Entwicklung beobachten.
Was kannst du uns Aktiven in der GEW Thüringen auf Landesebene und in den Hochschulen mit auf den Weg geben, wenn wir Ähnliches gestalten wollen wie ihr?
Es ist wichtig, auf allen Ebenen für eine Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen einzutreten und die Verantwortlichen an den Hochschulen, aber auch in der Politik nicht aus der Verantwortung zu entlassen. So können Kodizes und ähnliche Instrumente sowohl auf Hochschul- als auch auf Landesebene vereinbart werden. Eine auf ministerialer Ebene angesiedelte AG kann, ein entsprechendes Problembewusstsein vorausgesetzt, sicherlich hilfreich sein. Zuletzt entscheidet aber der Aktivitätsgrad der Beschäftigten, ob wir mit unseren Forderungen Gehör finden. Die für den November geplante bundesweite Aktionswoche für den „Traumjob Wissenschaft“ ist sicher eine gute Gelegenheit, den Druck zu erhöhen.