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Statement der GEW Thüringen zur Situation der Thüringer Gemeinschaftsschulen

Die aktuelle Debatte um die Änderung der Thüringer Schulordnung sowie der Verwaltungsvorschrift zur Organisation des Schuljahres 2025/26 treibt uns Sorgenfalten auf die Stirn.

Als GEW Thüringen begleiten wir den Ausbau der Thüringer Gemeinschaftsschulen (TGS) seit 15 Jahren. Wir sehen in dieser Schulart unsere Forderung nach längerem gemeinsamen und vor allem abschlussoffenen Lernen bestätigt. Die TGS ermöglicht statt frühzeitiger leistungsbezogener Trennung das längere gemeinsame Lernen bis mindestens Klasse 8. Jede:r Schüler:in kann entsprechend der individuellen Leistung, Begabung und Interessen durch vorwiegend binnendifferenzierte Förderung den für sich höchstmöglichen Schulabschluss erreichen. Die TGS ermöglicht dadurch mehr Chancengleichheit und wirkt der sozialen Spaltung der Gesellschaft entgegen. In Deutschland ist wie in keinem anderen europäischen Land der Bildungserfolg an die sozio-ökonomische Herkunft geknüpft. Die TGS – und nicht nur die mit reformpädagogischen Konzepten – leisten in dieser Hinsicht wertvolle Arbeit. Das liegt auch daran, dass sich Lehrkräfte und Eltern sehr bewusst für die Arbeit und das Lernen in der Gemeinschaftsschule entscheiden. 

Die Änderung der Thüringer Schulordnung mit der Einführung von Kopfnoten und der Versetzungsentscheidung ab Klasse 6 bedroht die anerkannten, von Schulkonferenzen beschlossenen und erfolgreichen Schulkonzepte insbesondere der Thüringer Gemeinschaftsschulen. Mit den vorliegenden Vorschlägen wird versucht, herausfordernden Problemlagen in Schulen eine Lösung gegenüberzustellen. Wir verstehen das Anliegen, in der momentanen Situation bezogen auf die Zahl der Schüler:innen, den Personalmangel und die schwierigen Bedingungen in den Lerngruppen zu überlegen, wie Unterricht an den Schulen störungsfreier organisiert und der Lernprozess in den Fokus genommen werden kann. Das Ziel aller Schulen und Lehrkräften ist es, dass alle Schüler:innen das Klassenziel und den ihnen höchstmöglichen Abschluss erreichen. Die Zahl der Schüler:innen ohne Abschluss – das betrifft fast jeden zehnten Jugendlichen – ist alarmierend. Dies liegt jedoch weder an der Vergabe von Kopfnoten noch an den bislang geltenden Regelungen zur Versetzungsentscheidung. Die Ursachen für den Anstieg sind vielfältig, liegen aber im Besonderen am Mangel an Lehrkräften und weiterem Fachpersonal an Schulen, der zunehmenden Heterogenität der Schüler:innenschaft sowie gerade bei den aktuellen Abschlussklassen an den Folgen der Corona-Pandemie. Die neue Landesregierung wollte Schulfrieden und erreicht im Moment das genaue Gegenteil. Die laufende Anhörung und die Proteste der vergangenen Wochen machen das deutlich.

Von der Öffentlichkeit weniger wahrgenommen wird die Änderung der Verwaltungsvorschrift zur Organisation des Schuljahres 2025/26. Hier wird der Faktor für die schülerbezogenen pauschale Zuweisung von Lehrerwochenstunden für die Regelschulen um 0,01 Punkte erhöht, für die Gemeinschaftsschulen dagegen um 0,02 Punkte abgesenkt. Die GEW Thüringen will die Schularten nicht gegeneinander ausspielen und alle Regelschulen haben die volle Unterstützung bei der Bewältigung ihrer enormen Herausforderungen verdient. Dies aber zu Lasten der Gemeinschaftsschulen zu regeln, halten wir für falsch. Vielmehr wird deutlich, dass die Schulpauschale für die Schulentwicklung und den Ausbau der Unterrichtsqualität insgesamt zu niedrig ist und durch den Personalmangel zusätzlich verschärft wird. 

Die GEW Thüringen vertritt als Bildungsgewerkschaft Pädagog:innen aller Schularten. Dabei sind die unterschiedlichen Perspektiven zu berücksichtigen. Wir fordern den Bildungsminister auf, in einem ausdifferenzierten Schulsystem mit insgesamt sechs verschiedenen allgemeinbildenden Schularten auch differenzierte Regelungen zuzulassen und in der Ausrichtung in der Bildungspolitik mehr auf neueste wissenschaftliche Befunde denn auf überholte Konzepte, teils aufgrund anekdotischer Evidenz, zu setzen. Die Aussage im Regierungsvertrag der neuen Landesregierung : „Mit einem Schulfrieden und klaren Regeln sollen sich Kinder auf das Lernen konzentrieren können. Wir stehen für Chancengleichheit von Anfang an. Denn Bildung ist der Schlüssel zur Zukunft unserer Kinder.“ ist unser Maßstab für die Bewertung aller schulpolitischen Maßnahmen. 

 


Über die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Thüringen:
Die Bildungsgewerkschaft GEW THÜRINGEN ist die mitgliederstärkste Interessenvertretung in Thüringen im Bildungsbereich. Sie organisiert aktive und ehemalige Beschäftigte an den Thüringer Bildungseinrichtungen. Schwerpunkte der politischen Arbeit sind die Bildungsgerechtigkeit, die Lern- und Arbeitsbedingungen an Kitas, Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie die Angestellten-, Beamten- und Tarifpolitik. Vorsitzende ist Kathrin Vitzthum.

Kontakt
Dr. Michael Kummer
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
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