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Keine Entwarnung, stattdessen Jonglieren mit dem Mangel: Das alte Schuljahr geht, das neue Schuljahr kommt, aber die Probleme bleiben.

Trotz vieler guter Maßnahmen seitens des Bildungsministeriums bleibt das größte Problem der Thüringer Schulen die angespannte Personalsituation bei Lehrer*innen, Sonderpädagogischen Fachkräften und Erzieher*innen bestehen. Noch nie gab es so viele Einstellungen in den Thüringer Schuldienst – und dennoch kein zusätzliches, unbefristet angestelltes Personal, da es nur Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene Pädagog*innen sind. Deutlich mehr finanzielle Anstrengungen seitens der Landesregierung sind notwendig, um die ausgesprochene Unterrichtsgarantie in die Realität umzusetzen.

Rückblick auf das Schuljahr 2018/2019

Die Thüringer Schulen leiden weiterhin unter dem trotz steigender Schülerzahlen stattgefundenen  Personalabbau in den Jahren bis 2017. Seit 2018 ist es nun möglich, jede aktuell frei werdende Lehrer*innenstelle neu zu besetzen. Das wurde im ablaufenden Schuljahr 2018/19 mit unterschiedlichem Erfolg in den fünf Schulamtsbereichen durchgeführt.  

Es ist in 2018/2019 nicht gelungen, alle offenen Stellen zu besetzen. Nicht in allen Schulamtsbereichen konnte das durch Seiteneinsteiger*innen kompensiert werden.  Stellen mussten oft auch nach Fächern ausgeschrieben werden, für die es überhaupt noch Bewerber gab, auch wenn diese Fächer an der betreffenden Schule überhaupt nicht gebraucht wurden. Teilweise werden die Bedarfe in den prüfungsrelevanten Jahrgängen durch große Umplanungen der entsprechenden Fachkombinationsmöglichkeiten vorgenommen - und das wird dann durch Stundenkürzungen in anderen Fächern und Jahrgängen kompensiert. Es wird mit dem Mangel jongliert - mal mehr, mal weniger gut, aber immer zu Lasten der Pädagog*innen und  der Schüler*innen.

Ausblick auf das Schuljahr 2019/2020

Während in Mittelthüringen die frei werdenden Stellen weitgehend besetzt werden können, sieht dies in den anderen Schulamtsbereichen (Nordthüringen, Westthüringen, Südthüringen, Ostthüringen) in Teilen anders aus. Je ländlicher und je mehr Randregion, umso schwieriger wird es, überhaupt Bewerber*innen zu finden bzw. die Stellen zu besetzen. Beispielhaft seien hier Neuhaus und die Rhön genannt. Eine alarmierende Ausnahme von dieser Regel ist der Grundschulbereich der Stadt Gera. Hier sind die Zustände inzwischen dermaßen schlecht, dass  an einzelnen Grundschulen im neuen Schuljahr nur noch der Unterricht in den „Hauptfächern“ abgesichert werden kann und Lehrkräfte teilweise in zwei Klassen Klassenlehrertätigkeit übernehmen müssen.

Es fehlt bei den Bewerber*innen, die in Städten wohnen, zunehmend die Bereitschaft, über eine gewisse Entfernung an Schulen im ländlichen Raum zu fahren. Große Probleme gibt es, mit Ausnahme von Mittelthüringen, bei der dauerhaften Besetzung von Stellen an Thüringer Gemeinschaftsschulen und an Regelschulen, insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern.

Besonders schwierig ist die fachgerechte Besetzung im Gymnasialbereich bei den Fächern Mathematik und Physik.

Das Ausweichen auf sachgrundlos befristete Stellen, um einen vermeintlichen Stellenabbaupfad einzuhalten, erweist sich in der Praxis nachhaltig als falsch. Befristete Stellen sind regelrechte Ladenhüter – und auch hier gilt, je weiter von der Städtekette und von Mittelthüringen entfernt und je ländlicher umso schwieriger die Besetzung. Die GEW Thüringen weist nochmals und mit Nachdruck darauf hin, dass Daueraufgaben dauerhaft zu besetzen sind.

Als ein besonderes Problem bei der Realisierung der Stellenbesetzungen kristallisiert sich zunehmend heraus: der Personalmangel in den Schulämtern selbst. Die Folgen sind dauerhafte Überlastungen der Schulamtsmitarbeiter*innen und in der Folge auch dort der Anstieg von Langzeiterkrankungen von Referent*innen und Sachbearbeiter*innen. Diese wiederum sind aber dringend notwendig, um das besonders komplizierte und langwierige Einstellungsverfahren, welches in Thüringen angewendet wird, durchzuführen. Oft haben zu späte Informationen oder gar fehlende Rückmeldungen an die Bewerber*innen zur Folge, dass sich die Bewerber*innen woanders umsehen und aufgrund des  allgemeinen Lehrer*innenmangels in anderen Bundesländern anfangen.

Besonders gravierend: Besetzungen von Erzieher*innenstellen

Selbstverschuldet ist die Stellensituation der Erzieher*innen an den Grundschulhorten. Geradezu katastrophal gestaltet sich dort die personelle Besetzung, das hat sich gegenüber den Jahren zuvor weiterhin nicht verbessert. Haupthinderungsgrund für die dringend benötigten Neueinstellungen ist der deutlich zu geringe Beschäftigungsumfang von 60 oder 65 Prozent. Es sind weiterhin prekäre Arbeitsbedingungen, so dass viele der angestellten Erzieher*innen mit familiären Verpflichtungen durch die ARGE aufstocken lassen müssen. Das ist für die GEW Thüringen ein nicht hinnehmbarer Zustand, die rot-rot-grüne Landesregierung wird hier ihrer sozialen Verantwortung als Arbeitgeber eindeutig nicht gerecht.

Je nach Schulamtsbereich gibt es zu wenige Stellenausschreibungen für Erzieher*innen an den Grundschulen. Regelmäßig werden Erzieher*innen ohne die geforderte pädagogische Qualifikation eingestellt. Mittlerweile betrifft das circa 50 Prozent der neu eingestellten Erzieher*innen. Die dann abgeschlossenen Arbeitsverträge werden auf die Dauer von zwei Jahren befristet und sind mit einer Nebenabrede mit der Verpflichtung zum Beginn einer  Nachqualifizierung innerhalb dieser zwei Jahre versehen. Die Anzahl ist  inzwischen so hoch, dass die Kapazitäten an den Fachschulen nicht ausreichen oder für die Beschäftigten schlichtweg nicht privat zu bezahlen sind. Die eigentlich so dringend benötigten Erzieher*innen müssen dann nach zwei Jahren den Schuldienst wieder verlassen. Das ist eine weitere absurde Folge einer fortgesetzten Sparpolitik an der falschen Stelle.

Dringend notwendige Maßnahmen für eine bessere Personalsituation

Seit dem Amtsantritt von Bildungsminister Helmut Holter sind viele Anstrengungen, viele gute Ansätze (1:1-Nachbesetzung, Stellenbörsen, Änderung der Einstellungsrichtlinien), deutlich mehr Dynamik und Verbesserungswillen zu beobachten.

Es  wird aber immer deutlicher, dass die ergriffenen Maßnahmen noch nicht genügend zur Verbesserung der aktuellen Personalsituation an Thüringer Schulen beitragen. Die GEW Thüringen fordert daher:

  1. Die zügige Änderung des Bewerbungs- und Einstellungsverfahrens, um Bewerber*innen in Thüringen zu halten.
  2. Die zügige Schaffung bedarfsgerechter unbefristeter zusätzlicher Stellen zur konsequenten Umsetzung der Verwaltungsvorschrift zur Organisation des Schuljahres.
  3. Die sofortige deutliche Erhöhung des Beschäftigungsumfangs für Horterzieher*innen und die Schaffung weiterer Plätze für die Nachqualifizierung incl. der Übernahme der Kosten für die Nachqualifizierung an staatlichen Schulen bzw. an privaten Schulen.
  4. Die umgehende Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel im Landeshaushalt für die Umsetzung des Personalentwicklungskonzeptes, vor allem für die Personalvertretungsreserve und für die Schaffung von Entlastungsmöglichkeiten (z. B. Einstellung von technischen Mitarbeiter*innen, Verwaltungspersonal, Schulsozialarbeiter*innen an den Thüringer Schulen).
  5. Die schnelle Erhöhung der Attraktivität des Grundschullehrer*innenberufs durch die gleiche Bezahlung aller Lehrkräfte nach der Besoldungsgruppe A 13 bzw. die Entgeltgruppe E 13.

Über die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Thüringen:
Die Bildungsgewerkschaft GEW THÜRINGEN ist die größte Interessenvertretung in Thüringen im Bildungsbereich. Sie organisiert aktive und ehemalige Beschäftigte an den Thüringer Bildungseinrichtungen. Schwerpunkte der politischen Arbeit sind die Bildungsgerechtigkeit, die Lern- und Arbeitsbedingungen an Kitas, Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie die Angestellten-, Beamten- und Tarifpolitik. Vorsitzende ist Kathrin Vitzthum.

Kontakt
Dr. Michael Kummer
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
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