Gemeinsame Erklärung von GEW Thüringen, Thüringer Philogogenverband und tlv thüringer lehrerverband zu Roland Mertens Publikation „Organisierter Unterrichtsausfall in Thüringen“
Nach seiner vieldiskutierten – und nicht nur vom Thüringer Bildungsministerium kritisierten – Publikation „Lehrermangel in Thüringen?“ vom Februar dieses Jahres hat Prof. Roland Merten nun mit seiner neuen Studie „Organisierter Unterrichtsausfall in Thüringen“ nachgelegt.
Während er im Winter noch die Abminderungsstunden im Allgemeinen als Ursache für den – in seinen Augen nicht existierenden – Lehrkräftemangel in Thüringen verantwortlich machte, hat er sich nun auf die sogenannte Altersabminderung eingeschossen. Gleichzeitig wirft er der GEW Thüringen, dem Thüringer PhilologenVerband und dem tlv thüringer lehrerverband vor, mit den Forderungen nach einer Entlastung des Personals – wofür die Altersabminderungsstunden ein wirksames Instrument sind – allein standespolitische Interessen zu vertreten und dafür die Generationengerechtigkeit zu verletzen.
Es obliegt uns nicht zu mutmaßen, woher eine derart starke und offen zur Schau getragene Abneigung gegen einen ganzen Berufsstand rührt – zumal einen Berufsstand, dessen Interessen Herr Merten von 2009 bis 2014 als Staatssekretär zu schützen hatte. Ebenso wenig sind Spekulationen darüber angebracht, warum ihm augenscheinlich so viel daran liegt, einen Keil zwischen Lehrkräfte und Eltern zu treiben. Stattdessen möchten wir den Blick auf einige Fakten lenken:
- Die sogenannte Altersabminderung existierte bereits 1995 und nicht – wie von Merten suggeriert – erst seit dem Regierungswechsel 2014.
- Prof. Merten scheint davon auszugehen, dass keine Lehrkraft seine gesetzlich vorgeschriebene Wochenarbeitszeit zu mehr als 100 Prozent erfüllt. Hier sehen wir einen zentralen Denkfehler, der schon im Vorfeld nicht nur durch bloße Beobachtung der Realität, sondern auch durch die Betrachtung einer (zudem nicht im Alleingang verfassten) Untersuchung der Arbeitszeiten und Arbeitsbelastungen von Lehrkräften in Deutschland an der Universität Göttingen vom März 2022 hätte vermieden werden können. Dort heißt es unter anderem: „Relevante Teilgruppen hochbelasteter Lehrkräfte verstoßen gegen gesetzliche Arbeitsschutznormen, indem sie regelmäßig mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten.“
- Die nicht repräsentative Schulumfrage des tlv hat im Sommer 2023 ergeben, dass im Schnitt pro Schule 1,3 Kollegen langzeiterkrankt sind. Hochgerechnet auf 800 staatliche Schulen sind das rund 1000 Langzeiterkrankte. Diese Zahl stimmt mit dem Wert von 1000 Betroffenen überein, den die GEW Thüringen bereits im Sommer 2020 ermittelte.
- Zudem ergab eine Befragung unter den Junglehrern im tlv im April 2021, dass mehr als die Hälfte – nämlich 51 Prozent – nicht davon ausgehen, ihren Beruf bis zum Erreichen des regulären Rentenalters ausüben zu können.
Wie auch immer Prof. Merten zu seiner Annahme gelangt ist, die ältere Lehrergeneration würde sich zulasten künftiger Generationen vor der Arbeit drücken, denn nicht anders sind seine Schlussfolgerungen zu lesen: Diese Annahmen sind fachlich falsch, schädlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und zudem hochgradig anmaßend.
Wir als die Interessenvertretungen der derart zu Unrecht verunglimpften Berufsgruppe stellen uns geschlossen vor die in den Thüringer Schulen Beschäftigten und möchten Ihnen sagen: Lassen Sie sich nicht verunsichern. Sie machen einen fantastischen Job. Sie gehen tagtäglich an Ihre Belastungsgrenzen und darüber hinaus, um trotz der mittlerweile prekären Personalsituation das Recht der Kinder und Jugendlichen auf Bildung zu erfüllen. Und wir werden weiterhin alles dafür tun, dass nicht nur die Altersabminderung erhalten bleibt, sondern weitere Entlastungen für die Lehrerinnen und Lehrer in Thüringen hinzukommen.
Kathrin Vitzthum Heike Schimke Frank Fritze
Landesvorsitzende Landesvorsitzende komm. Landesvorsitzender
GEW Thüringen Thüringer PhilologenVerband tlv thüringer lehrerverband
99096 Erfurt