Zum Inhalt springen

Bereich Sozialpädagogik

In diesem Artikel beleuchten wir die Wahlprogramme unter der Perspektive der sozialpädagogischen Berufe anhand der Beschlüsse der GEW zur Erzieher:innen-Ausbildung, zur Bildungsqualität und zur Finanzierung. Es geht um die Arbeitsbedingungen von Erzieher:innen und Sozialarbeiter:innen in Krippen, Kindergärten und in der Jugendhilfe.

Seit Monaten beschäftigen uns die Auswirkungen der demografischen Entwicklung in Thüringen: Bis 2030 werden immer weniger Kinder die Krippen, Kindergärten und Tagespflege  besuchen. Diese Entwicklung führt – wenn nicht der Personalschlüssel weiter verbessert wird – zu Stellenabbau und gegebenenfalls zu Einrichtungsschließungen.

Die gute Nachricht ist:
Alle Parteien wollen den Personalschlüssel weiter verbessern.

Die SPD hat mit dem Versprechen eines verbindlichen Stufenplans die weitreichendste Zielmarke mit einem Betreuungsverhältnis von 1 zu 3 bei den Unterdreijährigen und 1 zu 7,5 bei den Überdreijährigen formuliert.

Auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN machen konkrete Angaben zu Personalschlüsselverbesserungen und berücksichtigen – wie auch die SPD – zudem Zeitanteile für Leitungen sowie erhöhte Minderungszeiten bei den Erzieher:innen für Vor- und Nachbereitung.

DIE LINKE strebt weitere Verbesserungen an, ohne dafür einen Zeitplan und konkrete Schlüssel anzugeben.

Die Aussagen der CDU sind mittlerweile obsolet, da ihre Personalschlüsselverbesserungsvorschläge mit den aktuellen Änderungen des Kindergartengesetzes bereits zum 01.01.2025 umgesetzt werden. Ob bei der CDU mit dem Blick auf sinkende Kinderzahlen weitere Schlüsselanpassungen folgen werden, bleibt abzuwarten. In ihrem Wahlprogramm schreiben sie zumindest, dass die

„Qualität der Kinderbetreuung oberste Priorität“

besitzt.

Viel Interpretationsspielraum hingegen lassen die FDP, das BSW und die AfD bezüglich der Schlüsselverbesserungen mit Formulierungen wie

„Investitionen vorrangig in die Verbesserung des Personalschlüssels tätigen“ (FDP),

„kleinere Gruppen und einen besseren Personalschlüssel“ um „den Eltern die Freiheit für eine berufliche Laufbahn [zu] geben“ (BSW)

und

„angemessene[r] Betreuungsschlüssel“ damit „Kindergärtner und Erzieher (…)  einen wichtigen Beitrag zur guten Entwicklung unserer Kinder“ leisten (AfD).

Zum Interpretationsspielraum gehört auch, wie BSW und AfD die Trias aus Bildung, Erziehung und Betreuung bezogen auf Kindergärten gewichten. Das BSW sieht in Kindergärten Betreuungssettings; zumindestens so lange bis der Kindergarten gezielt auf die Schule vorbereiten soll. Das BSW fordert für Kindergärten einen

„verpflichtenden Lehrplan für den Erwerb dieser Basiskompetenzen und mit einer für alle Kinder verbindlichen Vorschulerziehung“.

Mit Formulierungen der AfD wie

„In den ersten drei Lebensjahren ist das Wachsen einer engen Eltern-Kind-Beziehung besonders wichtig. Diese gibt dem Kind Geborgenheit und Verlässlichkeit und schafft das notwendige Urvertrauen (…) Eine Betreuung ihrer Kinder durch die Eltern darf de facto nicht benachteiligt werden“

werden wiederum Bildungssettings bei den Unterdreijährigen und damit Arbeitsplätze in diesem Bereich in Frage gestellt.

Gute Bildung braucht gute Pädagog:innen.

Als GEW halten wir an der Breitbandausbildung für den Erzieher:innen-Beruf fest (Qualifizierung für die Bereiche Kindergarten, Hort und Jugendhilfe) und fordern die Einhaltung des Fachkräftegebots sowie qualifizierte Seiteneinstiege und Weiterbildungsmöglichkeiten.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen diesbezüglich die Ausbildungsstruktur und -inhalte evaluieren und überarbeiten sowie die praxisintegrierte Ausbildung mit einer tariflichen Mindestvergütung weiterentwickeln.

Die FDP will die praxisintegrierte Ausbildung

„flächendeckend umsetzen“.

DIE LINKE will die Qualität der Ausbildung durch den Ausbau der Ausbildung für das Berufsschullehramt steigern, die CDU die Ausbildungsdauer verkürzen und berufsbegleitende Bachelorstudiengänge stärken.

Für die AfD sind Ausbildungs- und Qualifizierungsprogramme einzig mit dem Blick auf die Unterrichtsabsicherung in den Grundschulen relevant: Horterzieher:innen

„sollen die Möglichkeit bekommen, bereits im Rahmen der Erzieherausbildung oder durch ein berufsbegleitendes Aufbaustudium die Lehrbefähigung für maximal zwei Unterrichtsfächer (außer in den Schwerpunktfächern Deutsch und Mathematik) im Grundschulbereich zu erlangen“.

Die Eigenständigkeit des Bildungs- und Erziehungsauftrages von Erzieher:innen im Ganztag wird damit geschwächt. Insgesamt verunglimpft die AfD die umfangreiche Bildungsarbeit in den Kindergärten, Horten und Jugendhilfeeinrichtungen anhand ihrer Einschätzung des Thüringer Bildungsplans bis 18 Jahre als

„politisch motivierte[s] Programm“ und Fortbildungen zu diesem als „ideologische[n] Gesinnungsanleitungen“.

Zwei Parteien benutzen mit Bezug auf die Fachlichkeit in den Kindergärten den Begriff der Multiprofessionalität. Die FDP sieht  die

„Etablierung multiprofessioneller Teams als notwendig (an), um den veränderten Anforderungen in der frühkindlichen Bildung Rechnung zu tragen“.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen

„multiprofessionelle Teams vor allem in Kindergärten mit Multi-Problemlagen zum Standard machen, um sprachliche, sozialpädagogische und therapeutische Betreuung bedarfsgerecht zu stärken“.

Auch die CDU geht auf Multi-Problemlagen ein und will die

„Landesprogramme ´Sprach-Kitas` und ´Vielfalt vor Ort` fortführen und so den Einrichtungen die zusätzlich notwendigen Ressourcen zukommen lassen“,

um den aus ihrer Perspektive maßgeblichen Faktoren Kinder mit Migrationshintergrund oder erhöhtem Förderbedarf gerecht zu werden.

Finanzierung

Um Qualitätsverbesserungen und Arbeitsplatzerhalt mit Blick auf die sinkenden Kinderzahlen zukunftssicherer finanzieren zu können, regt die GEW an, die derzeitige kindbezogene Finanzierung umzustellen.

Diesbezüglich wollen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 

„tragfähige Strategien zur Anpassung der Struktur der frühkindlichen Bildung an den demografischen Umbruch entwickeln und umsetzen“

und die SPD will mit einem

„landesweiten Fachkräftemonitoring für die frühkindliche Bildung (…) regelmäßig die Personal- und Ausbildungssituation, die konkreten regionalisierten Personalbedarfe und die Notwendigkeiten der Personalentwicklung erheben sowie die daraus abzuleitenden Handlungsschritte des Landes, der Kommunen und der Einrichtungsträger definieren“.

Man erkennt, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD die Umbrüche durch die demografische Entwicklung ernst nehmen, aber noch keine konkreten Antworten bezüglich der Finanzierung von Kindergärten parat haben.

Auch die FDP will

„die Strukturen der Kindergartenfinanzierung nachhaltiger aufstellen und den administrativen Aufwand für die Träger deutlich reduzieren“

und schlägt diesbezüglich vor

„die Anzahl, nicht die Höhe der Pauschalen (zu) reduzieren und die Berechnungsverfahren transparenter (zu) gestalten und (zu) vereinfachen“.

Dafür wollen sie

„alle Pauschalen und Erstattungen an die Kommunen für die Finanzierung der Kindergärten bündeln und in eine transparente Grundfinanzierung überführen“.

Die AfD will zwar

„Kindergärten nicht nur erhalten, sondern ihre Entwicklung zu Orten der Freizeitgestaltung für Kinder und Jugendliche (Musik, Sport, Freunde treffen) unterstützen“,

betrachtet dies aber einzig unter dem Aspekt, der Landflucht entgegenzuwirken und verkennt damit die Herausforderungen der demografischen Entwicklung in Thüringen.

Vorhaben

Mit Blick auf das als „Regierungsprogramm 2024-2029“ bezeichnete Wahlprogramm der LINKEN fällt auf, wie wenig konkret ihre Aussagen zu zukünftigen Vorhaben im Bereich der frühkindlichen Bildung sind. Deshalb sei an dieser Stelle abschließend ein Blick auf deren vergangenes Regierungshandeln in einem von der LINKEN geführten Bildungsministerium gestattet:

Zusammen mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD in einer Minderheitsregierung haben sie in den letzten Jahren

  • kontinuierlich den Personalschlüssel verbessert,
  • das Gesetzesvorhaben zur Verbesserung des Personalschlüssels auf 1 zu 12 zur Stellensicherung eingebracht sowie
  • Programme wie Sprach-Kitas, Vielfalt vor Ort begegnen, die praxisintegrierte Ausbildung und den Ausbau der Schulsozialarbeit

initiiert und gesichert.

Kontakt
Nadine Hübener
Referentin für Bildung
AdresseHeinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
Telefon: 0361 590 95 54
Mobil: 01573 336 02 98