Bereich Hochschule und Forschung
Mit Wahlprogrammen ist das so eine Sache: nicht alle Parteien sagen zu allen Punkten, die uns – hier das Referat Hochschule und Forschung der GEW Thüringen – interessieren, etwas. Dennoch kann es sein, dass der Themenkomplex Hochschule umfangreich bedacht wird. Was also tun?
Wir sind daher zweigleisig gefahren:
Zum Einen haben wir uns die Wahlprogramme und aktuellen Aussagen der im Thüringer Landtag vertretenen Parteien (DIE LINKEN, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP, AfD) und für das BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) angeschaut. Letzteres ist zwar neu, erhält aber in Wahlumfragen hohe Zustimmungswerte, so dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig in den Thüringern Landtag einziehen wird und der Blick auf seine Pläne für die Hochschulen interessant ist. Die weiteren der 15 Parteien, die in den Thüringer Landtag wollen, lassen wir bei dieser Betrachtung außen vor.
Zum Anderen luden wir bis Ende Mai die demokratischen Parteien, die im Landtag derzeit vertreten sind, zu Einzelgesprächen mit GEW-Vorsitzender, Referatsleitung und interessierten Referatsmitgliedern ein, um im Gespräch weitere oder vertiefende Erkenntnisse zu gewinnen.
Dem Referat Hochschule und Forschung waren bei der Wahlprogramm-Sichtung sowie bei den Parteiengesprächen vier Themenkomplexe besonders wichtig:
- Hochschulfinanzierung
- Studierendenzahlen
- Berufswege neben der Professur in Forschung und Lehre
- Personalvertretung / Mitbestimmung / Studentische Beschäftigte / Kooperationen von Hochschulen bzw. Hochschuleinheiten
Hochschulfinanzierung
Hochschulen brauchen langfristige Planungssicherheit, mit welchen finanziellen Mitteln sie arbeiten können. Der Kampf um Drittmittel wird bundesweit immer härter, weil die Länder den Hochschulen anteilig an deren Gesamtfinanzierung immer weniger Grundmittel zur Verfügung stellen. Tarifabschlüsse, die Steigerung der Energiekosten oder die Pensionslasten sind große Posten, die die Hochschulen regelmäßig zu finanzieren haben, eine hohe Inflation kann verschärfend dazu kommen.
Die Grundfinanzierung der Hochschulen zu erhalten und zu verbessern ist vielen Parteien wichtig (Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, CDU, AfD). Als Möglichkeit, dies sicherzustellen, wird häufig die Rahmenvereinbarung VI zwischen dem Land und den Hochschulen, in dem die Rechte und Pflichten beider Seiten für die nächsten fünf Jahre niedergelegt werden sollen, genannt. Wie viel dabei die Grundfinanzierung jährlich steigen soll, wird nicht immer beziffert. Bisher gibt es einen Aufwuchs von 4 Prozent, was aus unserer Sicht auch mindestens notwendig ist.
Dass Personalkostensteigerungen durch z. B. Tarifabschlüsse abgefedert werden müssen, betonen hier besonders Die Linke, die CDU und die Grünen. Die Stärkung der Einwerbung von Drittmitteln für die Hochschulen als weitere Finanzierungsquelle der Hochschulen betonen besonders CDU, FDP und SPD.
Studierendenzahlen
Thüringen hat in den letzten Jahren sinkende Studierendenzahlen zu verzeichnen. Große Städte wie Berlin, Hamburg und München wirken auf junge Leute attraktiver als kleine Hochschulstädte. Die Studierendenzahlen sind aber eine dominante Stellgröße in der Rahmenvereinbarung zwischen Land und Hochschulen zu deren Finanzierung. Also zukünftig weniger Geld für die Hochschulen?
CDU, FDP und SPD wollen den Hochschulstandort Thüringen stärker bewerben, die FDP bringt hier auch Kooperationen mit Schulen in Thüringen und in den Nachbarbundesländern ins Gespräch.
Die Gebührenfreiheit des Studiums sichern und Langzeitgebühren abschaffen ist für Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ein Weg, den sie (weiter) einschlagen möchten.
Studiengebühren einführen möchte hingegen die AfD: für Nicht EU-Ausländer.
Berufswege neben der Professur in Forschung und Lehre
„Dauerstellen für Daueraufgaben“ lautet eine langjährige Forderung der GEW. Unbefristete Stellen gibt es vor allem für Professor:innen. Aber nicht nur sie lehren und forschen an Hochschulen auf hohem Niveau und nicht jede:r kann, will und sollte deshalb Professor:in werden. Aber ist man immer noch wissenschaftlicher Nachwuchs, wenn man langjährig qualifiziert ist? Darf man nur deshalb mit befristeten Stellen abgespeist werden, weil man (noch) keine Professur hat?
Den beiden Zielen, mehr Dauerstellen für Daueraufgaben zu schaffen und die Karrierewege des wissenschaftlichen Personals zu verbessern und planbarer zu gestalten, fühlen sich fast alle Parteien verpflichtet (CDU, FDP, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, BSW). Wie das geschehen kann und sollte, dabei gehen die Ansichten auseinander. Stichworte für die Umsetzung sind z. B.
- neue Personal-Kategorien,
- Reformierung der Lehrverpflichtungsverordnung,
- Befristungshöchstquote oder der
- Einsatz auf der Bundesebene für die Abschaffung der 12-Jahres-Befristung im Wissenschaftszeitvertragsgesetz.
Personalvertretung / Mitbestimmung / Studentische Beschäftigte / Kooperationen von Hochschulen bzw. Hochschuleinheiten
Die Personalräte setzen sich für die Beschäftigten und ihre Arbeitsbedingungen ein – und werden gern mal übergangen. Zum Beispiel bei den immer häufigeren Kooperationen von Einheiten unterschiedlicher Hochschulen. Da muss dringend nachgebessert werden. Spart jede Kooperation tatsächlich Ressourcen oder müssen erst mal welche investiert werden, damit Kooperationen laufen? Und wie werden die Vereinbarungen der letzten Tarifrunde zu studentischen Beschäftigten umgesetzt?
Dieser Punkt hat viele Facetten. Wir wollten wissen, wie die Parteien zum Thüringer Personalvertretungsgesetz und seiner Befolgung durch die Arbeitgeber stehen (Personalvertretung, Mitbestimmung) und wie sie diese Rechte auch bei Kooperationen absichern und stärken wollen.
Die Unterstützung und Stärkung der Personalräte betonen besonders SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen.
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen heben hervor, dass sie tarifliche Einbindung der studentischen Beschäftigten verbessern wollen. Die Linke betont hierbei, dass sie die Zuständigkeit der Personalräte auch auf Lehrbeauftragte und Honorarkräfte ausweiten möchte. Bündnis 90/Die Grünen wollen sich darüber hinaus für eine Stärkung der Diversitätsbeauftragten an den Hochschulen einsetzen.
Die grundgesetzliche Freiheit von Lehre und Forschung benennen viele Parteien als für sie wichtig (CDU, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, AfD).
Dem Thema „Kooperationen“ widmen sich einige Parteien (BSW, CDU, FDP, SPD, Die Linke). Diese sollen durch Digitalisierung einfacher werden, Kooperationen werden u. a. bei Studiengängen, für standortübergreifende Lehre und Forschung, im Digitalbereich und als Verwaltungskooperationen geplant.
CDU und FDP wollen die Zivilklausel abschaffen.
Fazit
Ein genaues Hinschauen lohnt sich, wenn man wissen möchte, welche Partei(en) sich wie für die Hochschulen als Ganze, aber besonders auch für das Personal in ihnen einsetzen möchten. In manchen Parteiprogrammen bleiben eine Reihe von Aussagen zwar vage und offen für die (eigene) Interpretation, aber in welche Richtung die Vorstellungen der jeweiligen Partei zu den Hochschulen geht, lässt sich durchaus erkennen.
Lesen und nachfragen lohnt sich also, auch, wenn es Arbeit macht.
99096 Erfurt

- AfD Thüringen: Wahlprogramm zur Landtagswahl 2024
- BSW Thüringen: Wahlprogramm zur Landtagswahl 2024
- Bündnis 90/Die Grünen Thüringen: Wahlprogramm zur Landtagswahl 2024
- CDU Thüringen: Wahlprogramm zur Landtagswahl 2024
- Die Linke Thüringen: Wahlprogramm zur Landtagswahl 2024
- FDP Thüringen: Wahlprogramm zur Landtagswahl 2024
- SPD Thüringen: Wahlprogramm zur Landtagswahl 2024