Was sagt die GEW Thüringen zur Inklusion?
Inklusion bedeutet eine Herausforderung, die nur im gesamtgesellschaftlichen Konsens verwirklicht werden kann. Die Umsetzung eines wirklich inklusiven Schulsystems ist ein bildungspolitisches Mammutvorhaben. In Thüringen geschah die Einführung des „Gemeinsamen Unterrichts“ in einer viel zu knappen Zeitspanne und unter administrativem Druck.
Trotzdem wird in Thüringen noch immer angestrebt, hohe Inklusionsquoten zu erreichen, ohne dabei die Qualität der Arbeitsbedingungen der Kollegen*innen und die Qualität des Gemeinsamen Unterrichts genügend im Auge zu behalten. Die vorhandenen personellen Ressourcen sind unzureichend. Eine Verbesserung dieser prekären Situation ist zurzeit nicht in Sicht. Dies lässt bei vielen Schulen des Freistaats den Eindruck entstehen, dass Inklusion auch bzw. nur als bildungspolitisches Sparmodell für den Landeshaushalt verstanden wird. Inklusion kann aber nur gelingen, wenn wesentlich mehr Stellen für qualifiziertes sonderpädagogisches Personal vorgehalten und auch besetzt werden. Dies schließt sowohl die kontinuierliche Ausbildung zukünftiger Förderschulpädagog*innen als auch die rechtzeitige und umfangreiche Ausbildung der Lehramtsanwärter*innen für alle Schularten ein.
Die GEW Thüringen vertritt den klaren Standpunkt, dass für eine erfolgreiche Einführung und weitere Umsetzung des Gemeinsamen Unterrichts unabdingbare Gelingensbedingungen für den Gemeinsamen Unterricht durch das TMBJS festzuschreiben sind. Können diese Bedingungen vor Ort an den Schulen nicht erfüllt werden, ist Gemeinsamer Unterricht so nicht möglich.
Gelingensbedingungen für Gemeinsamen Unterricht (GU):
- Gemeinsamer Unterricht kann nur gelingen, wenn mit alle Beteiligten (Eltern, Schule, Behörden des Landes und der Kommune) ein Netzwerk von professionellen Beratungs- und Unterstützungssystemen aufgebaut wird.
- Zur Umsetzung des GU braucht jede Schule entsprechende professionelle fachliche Begleitung und Unterstützung. Die einfache Forderung, dass der GU nur mit entsprechender Fort- und Weiterbildung des pädagogischen Personals erreicht werden kann, ist falsch und führt in die Irre.
- Für Teamberatung, Planung, Absprachen, Vor- und Nachbereitung für Lehrer*innen, SPF, Erzieher*innen und Förderschullehrer*innen muss ausreichend Zeit (neben den Unterrichtsstunden) nachweisbar zur Verfügung gestellt werden.
- Die personelle Ausstattung der Schulen für den GU ist zurzeit in der Regel völlig unzureichend und muss dringend erheblich erhöht werden (z. B. Zweipädagogen*innensystem).
- Neben den normalen Unterrichtsräumen müssen in allen Schulen zusätzliche Raumkapazitäten zwingend bereitgestellt werden.
- Alle Schulen müssen ausreichend finanzielle und sächliche Mittel zur Unterrichtsgestaltung und evtl. notwendigen Therapieformen erhalten.
- Für den GU sind angemessene Klassenstärken nötig, um alle Schüler*innen bedarfsgerecht zu integrieren (max. 17 Schüler*innen pro Klasse + max. zwei Schüler*innen mit sonderpädagogischen Gutachten) und alle Schüler*innen im Unterricht gleichberechtigt individuell fördern zu können.
- Die Bereitstellung von Schulbegleitern*innen muss ausreichend und für alle Gebietskörperschaften gleich und gerecht vorbereitet und organisiert werden.
- Förderzentren und DaZ-Zentren müssen ein wesentlicher Bestandteil des Thüringer Schulsystems sein und dürfen keine untergeordnete bzw. nur ergänzende Rolle spielen.
- Allen Eltern von Kindern sonderpädagogischem Gutachten muss es (juristisch klar formuliert) gestattet sein, für ihr Kind entweder eine allgemeinbildende Schule oder ein Förderzentrum wählen zu können.
99096 Erfurt