Gastbeitrag
Kindertagespflegeperson in Thüringen – ein Traumjob unter prekären Rahmenbedingungen
Wir als Landesverband Kindertagespflege Thüringen (LVKTP) befragten im Oktober 2021 alle Jugendämter im Bundesland telefonisch zu den aktuellen Rahmenbedingungen in der Thüringer Kindertagespflege. Dabei erfassten wir, wie sich die Anzahl der Kindertagespflegestellen im Land die nächsten Jahre entwickeln wird und welche Ursachen dafür maßgebend sind.
Die Ergebnisse bestätigten unsere Befürchtungen.
Kindertagespflege ist in Thüringen stark rückläufig. Bis auf einen Landkreis schaffen es derzeit Thüringens Kommunen nicht, das Angebot an Plätzen für dieses Betreuungsangebot auszubauen. Ein Landkreis an der Grenze zum Freistaat Bayern kann dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern gar nicht entsprechen. Er sieht sich nicht in der Lage, Rahmenbedingungen für Kindertagespflege zu schaffen, die annähernd so attraktiv sind, wie im benachbarten Bundesland. Die Anzahl tätiger Kindertagespflegepersonen in Thüringen sank seit 2016 bis zum Stichtag am 1. März 2021 um 25 %. Konkret sieht es so aus, dass 10 von 22 Jugendämtern die schlechten finanziellen Rahmenbedingungen als Hauptursache für einen Rückgang der Anzahl ihrer Kindertagespflegepersonen sehen. Durchgängig lobten die dortigen Fachberatungen die Qualität der Arbeit der tätigen Tagesmütter und -väter. Sie gaben an, gerne deren laufende Geldleistungen erhöhen zu wollen. Gleichzeitig
verwiesen sie auf die entsprechenden Untergrenzen, welche im Thüringer Kindergartengesetz festgelegt wurden. Eine deutlich bessere Vergütung als dort vorgeschrieben, wäre den Kommunen laut Aussage der Jugendämter schlichtweg nicht möglich, da sie sich oft selbst in prekären Haushaltslagen befänden. Beträge, welche über die im Gesetz festgelegten Untergrenzen hinausgingen, zählten automatisch zu den freiwilligen Leistungen, welche dann dem kommunalen Rotstift zum Opfer fielen.
Vom Bildungsministerium war auf Nachfrage zu erfahren, dass es einer solchen Argumentation nicht folgen könne und deshalb keine Notwendigkeit sähe, die im Gesetz festgelegten Untergrenzen anzupassen.
Überangebot im U3-Bereich
Ein weiterer Grund, die berufliche Tätigkeit als Kindertagespflegeperson zu beenden, sind zunehmend unbelegte Plätze, die letztes Jahr durch ein Überangebot an Betreuungsplätzen im U3-Bereich entstanden und noch weiterhin entstehen. Ursächlich dafür zeichnet sich der massive Kitaausbau. Waren bis vor kurzem Betreuungsplätze für Kinder im U3-Bereich noch rar und Kindertageseinrichtungen ausgelastet, so ist es für die Eltern inzwischen problemlos möglich einen Platz in einer Kindereinrichtung auch kurzfristig zu erhalten. Während Kitas eine Verringerung ihrer Platzkapazität beantragen können, entfällt diese Option für eine Kindertagespflegeperson, da sie sich das finanziell nicht leisten kann. Abhilfe könnten deutlich geringere Betreuungsschlüssel (bei gleichzeitiger Absenkung der Platzkapazität) schaffen. Diese würden in erster Linie den Kindern und Erzieher:innen in den Kitas zugutekommen, aber auch in der Kindertagespflege die Belegung sichern. Nachwuchsmangel auch bei den Kindertagespflegepersonen Natürlich hat die demografische Entwicklung der Gesellschaft auch in diesem Bereich Auswirkungen. Eine erhebliche Anzahl der heute tätigen Kindertagespflegepersonen qualifizierten sich kurz nach der Wende, da sie sonst von Arbeitslosigkeit betroffen gewesen wären. Diese Gruppe hat bereits das Rentenalter erreicht oder beabsichtigt, in der nächsten Zeit ihren Ruhestand zu genießen. Es fehlt auch in diesem Bereich an Nachwuchs. Die gleichzeitige Übernahme von Betreuungsaufgaben und die Leitung eines Kleinunternehmens schreckt bei den gegebenen finanziellen Bedingungen zusätzlich ab.
99096 Erfurt