Gastbeitrag aus dem GEW-Hauptvorstand
Wie ist die bundesweite Situation beim Seiten- und Quereinstieg?
Lehrkräfte im Quer- und Seiteneinstieg sorgen dafür, dass der Unterrichtsbetrieb läuft. Die Unterstützung und Qualifizierung muss aber dringend verbessert werden.
Als GEW fordern wir verbesserte Arbeitsbedingungen für alle Lehrkräfte in den Schulen, um die Attraktivität dieses Berufes wieder zu steigern. Wissenschaftler:innen, aber auch die GEW haben seit Jahren vor dem drohenden Lehrkräftemangel gewarnt. Die Politik hat jedoch absolut unzureichend reagiert. Heute hat sich der Mangel an Lehrkräften und anderen pädagogischen Fachkräften zu einer gesellschaftlichen Krise ausgewachsen. Bereits im Dezember 2022 hat die GEW ein 15-Punkte-Programm gegen den Lehrkräftemangel vorgelegt, mit der dieser Herausforderung kurz-, mittel- und langfristig begegnet werden kann.
Dabei wurde auch auf die Lehrkräfte im Quer- und Seiteneinstieg hingewiesen, die aktuell mit dafür sorgen, dass der Unterrichtsbetrieb in den Schulen am Laufen bleibt. Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat im August 2024 ein erneut darauf hingewiesen, dass die Anzahl der Lehrkräfte ohne anerkannte Lehramtsprüfung weiter ansteigt. Nicht nur an den berufsbildenden Schulen steigt der Anteil der Lehrkräfte im Quer- und Seiteneinstieg, sondern auch an den allgemeinbildenden Schulen ist er seit dem Schuljahr 2012/2013 von 5,6 % auf 9,8 % im Schuljahr 2022/2023 angestiegen.
Je nach Bundesland verschiedene Namen und Unterstützung
So viele Bundesländer wir haben, mit so vielen unterschiedlichen Definitionen und Voraussetzungen und unterschiedlichen Qualifizierungs- und Unterstützungsangeboten für Quer- oder Seiteneinsteigende sind wir konfrontiert. Das macht die Lage unübersichtlich und kompliziert. Zusammenfassend stellt das Destatis fest, dass als Seiteneinsteiger:innen Personen bezeichnet werden, die über kein abgeschlossenes Lehramtsstudium verfügen und die ohne das Absolvieren des eigentlichen Vorbereitungsdienstes (Referendariat) in den Schuldienst übernommen werden. Bei Quereinsteiger:innen besteht in der Regel die Pflicht, einen Vorbereitungsdienst vorab oder berufsbegleitend zu absolvieren. Für uns als Gewerkschaft ist es notwendig, dass Quer- und besonders Seiteneinsteigende gut unterstützt und qualifiziert werden. Wir wollen keine Abstriche bei der Qualität machen. Dies ist allerdings je nach Bundesland sehr unterschiedlich. Während in Sachsen-Anhalt die Seiteneinsteigenden nur einen vierwöchigen Kompaktkurs vorab bekommen und später Zertifikatskurse oder auch einen berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst (bVD) ableisten können, müssen in Baden-Württemberg Seiteneinsteigende einen zweijährigen bVD bewältigen.
Was überall geleistet werden muss
Die Länder stehen in der Pflicht, gemeinsame Standards für Qualifizierung und Unterstützung zu vereinbaren und sich auch an deren Umsetzung zu halten. Bei der Qualifizierung von Quer- und Seiteneinsteigenden sollte sich an der grundständigen Ausbildung von Lehrkräften, die nicht ohne Grund sechs bis sieben Jahre dauert und Fachlichkeit, Fachdidaktik und Pädagogik umfasst, orientiert werden. Eine gemeinsame Verständigung zwischen Ländern, Hochschulen, Studienseminaren und Gewerkschaft ist erforderlich und kann helfen, um berufsbegleitend Quer- und Seiteneinsteiger:innen gut zu qualifizieren. Diese müssen
- besondere Unterstützungs- und Fortbildungsangebote sowie
- einen Rechtsanspruch auf eine berufsbegleitende und vom Arbeitgeber finanzierte Qualifizierung für ein Lehramt unter Beteiligung der Universitäten erhalten.
Eine echte Perspektive ist dringend notwendig
Eine qualitativ anspruchsvolle, berufsbegleitende Weiterbildung fordert den Quer- und Seiteneinsteigenden einiges ab. Dafür müssen sie im Gegenzug eine echte Perspektive erhalten: Am Ende sollte bei erfolgreichem Abschluss der erforderlichen Weiterbildungen eine Anerkennung der Laufbahnbefähigung stehen, also eine Gleichstellung mit den grundständig ausgebildeten Lehrkräften.
Quer- und Seiteneinsteigende können mit ihrer Berufs- und Lebenserfahrung eine Bereicherung für das System Schule sein!
60489 Frankfurt am Main
