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Hochschulfinanzierung

Wie geht es mit den Thüringer Hochschulen nach 2020 weiter?

In den Jahren 2016 bis 2019 waren bzw. sind die Thüringer Hochschulen finanziell relativ gut ausgestattet: In der Rahmenvereinbarung IV zwischen dem Land und den Hochschulen wurde die Grundfinanzierung aus Landesmitteln zu Lasten der flexiblen Haushaltsbestandteile erhöht. Außerdem steigen die Haushaltsmittel für die Hochschulen jährlich um 4 %, womit u.a. GEW-Forderungen umgesetzt worden sind. Um den Hochschulen über die Landtagswahlen hinaus Planungssicherheit zu geben, hat der Landtag im Juni 2018 außerdem eine Verlängerung der Rahmenvereinbarung IV bis zum 31.12.2020 beschlossen. Ein Grund zufrieden zu sein und sich zurückzulehnen?

Foto: pixabay - CC0 - ElasticComputeFarm

Die Antwort: Nein, auf keinen Fall, denn erstens sieht man auch jetzt mit Blick auf die Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen, dass vieles nicht in Ordnung ist und zweitens ist derzeit noch vollkommen offen, wie es nach 2020 weitergeht.

Während die Rücklagen der Hochschulen in den letzten Jahren auf etwa 100 Millionen Euro gestiegen sind, klagen viele Kolleg*innen über eine zunehmende Arbeitsverdichtung, weil die Personalentwicklung nicht dem Aufgabenzuwachs standhält. Es fehlt schlicht an allen Ecken und Enden an Personal. Insbesondere gibt es heute nicht mehr unbefristet beschäftigtes Hochschulpersonal in Thüringen als noch vor einigen Jahren. Beispielsweise sind 2017 von den 276 Neueinstellungen im Bereich von Verwaltung und Technik (an allen Thüringer Hochschulen!) nur 36 unbefristet eingestellt worden, das sind gerade einmal 13 Prozent. Weitere 52 Kolleg*innen (19 %) sind „zunächst befristet“ eingestellt worden (meist sachgrundlos nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz im Sinne einer „verlängerten Probezeit“), was eine skandalöse Praxis ist und was die  Landesregierung (Arbeitgeberin ist der Freistaat Thüringen) sofort unterbinden könnte – wenn sie nur ernsthaft wollte. Der Großteil der Neueinstellungen im Bereich von Verwaltung und Technik, nämlich 68%, erfolgte aber „nur befristet“, d. h. ohne Perspektive auf Verlängerung oder Entfristung. Beim wissenschaftlichen Personal sieht es übrigens noch viel schlimmer aus. Hier bestimmen der „wissenschaftliche Konkurrenzkampf“ und Drittmittelprojekte die Einstellungspraxis und sorgen für eine prekäre Situation in Sachen Befristung, die ihresgleichen sucht.

  • Wie kommt es nun zu der paradoxen Situation, dass, obwohl offenbar genug Geld da ist, es keine spürbare Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen gibt bzw. sich diese teilweise sogar verschlechtert haben?

Problematisch ist weiterhin der in der „Hochschulstrategie 2020“ aus dem Jahr 2014 vorgegebene Stellenabbaupfad, der dazu führt, dass die Hochschulen nicht mehr Personal dauerhaft einstellen, als dort zugelassen ist. Teilweise werden sogar Beschäftigte bis zum Renteneintritt befristet beschäftigt, nur um diesen Stellenabbaupfad augenscheinlich einzuhalten. Das Ziel eines Stellenabbaus an den Hochschulen muss umgehend aufgegeben werden.

Auch wenn viele Drittmittel ständig zur Verfügung stehen, ist unbefristete Beschäftigung aus diesen nur sehr eingeschränkt möglich, weil der Landeshaushaltsplan das nicht zulässt . Hier muss der Gesetzgeber etwas ändern, damit auch im Drittmittelbereich unbefristet beschäftigt werden kann.

Sämtliche Bundesmittel aus dem Hochschulpakt (HSP) laufen ab dem Jahr 2020 aus. Da die Hochschulen nicht sicher sind, ob und welche Bundesmittel ihnen anschließend zur Verfügung stehen, befristen sie nur bis zum Auslaufen des Hochschulpakts. Die dauerhafte Beteiligung des Bundes an der Grundfinanzierung der Hochschulen muss daher schnellstmöglich geregelt werden. 

Allerdings sind die Verhandlungspositionen von Bund und Ländern in dieser Sache noch sehr weit voneinander entfernt. Da die Bundesbildungsministerin mitten in den Verhandlungen die äußerst erfahrene Staatssekretärin Quennet-Thielen entlassen hat, ist der Prozess außerdem ins Stocken geraten.

  • Uneinigkeit auf vielen Ebenen

Noch ist man sich weder bei der Gesamthöhe noch bei den Parametern noch bei der Dynamisierung einig. Dissens besteht auch in der Frage, ob es eine Komplementärfinanzierung durch die Länder gibt und wie diese ausgestaltet werden soll. Der Bund besteht auf eine solche Komplementärfinanzierung, weil die Länder in der Vergangenheit Bundesmittel dazu genutzt haben, eigene Ausgaben zu senken, anstatt sie zusätzlich dem Wissenschaftshaushalt zuzuführen. Einige Länder habend das mit den frei werdenden BAföG-Mitteln gemacht, andere wie Thüringen beim Hochschulbau: Der Freistaat hat sich vollständig aus dem Hochschulbau zurückgezogen und reicht lediglich Bundes- und EU-Mittel durch. Wäre die Zuweisung der Bundesmittel an eine Komplementärfinanzierung gebunden, müsste der Freistaat auch aus eigenen Mitteln in die Wissenschaftsinfrastruktur investieren – was dringend nötig ist. Die Thüringer Hochschulen sparen derzeit auch am Personal, um für Baumaßnahmen dringend benötigte Mittel zurückzulegen.

Übrigens lohnt sich ein Blick in die „Leitlinien zur Hochschulentwicklung in Thüringen bis 2025“ , die das Kabinett am 14.08.2018 beschlossen hat. Darin werden Ziele formuliert wie beispielsweise die Internationalisierung der Hochschulen, die Positionierung der Ingenieurwissenschaften in Thüringen als „Marke“ oder die Gestaltung des Digitalen Wandels. 

Bei der Finanzierung fehlen allerdings konkrete Aussagen; nicht einmal zu einer Fortsetzung des derzeit vierprozentigen Mittelzuwachses pro Jahr bekennt sich das Kabinett. Es wird lediglich ganz allgemein formuliert, dass ein jährlicher Mittelaufwuchs „unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen des Haushalts und der Rücklagen der Hochschulen finanziert werden“ soll. Das reicht nicht, um den Hochschulen Planungssicherheit zu geben.

Im Kapitel zu guter Arbeit und Personalentwicklung gibt es außerdem irritierende Aussagen: es ist zwar zu lesen, dass auch im Wissenschaftsbereich Daueraufgaben von unbefristet Beschäftigten erledigt werden sollen und dafür Personalstrukturkonzepte entwickelt werden sollen, in denen das Verhältnis von Funktions- zu Qualifikationsstellen definiert wird. Gleich im nächsten Satz wird aber von den Hochschulen verlangt, Maßnahmen zu ergreifen, „um im Bereich des nichtwissenschaftlichen Personals durch Aufgabenkritik und verstärkte Kooperationen sowie eine strategische Nutzung von Digitalisierungsprozessen Effizienzgewinne zu erzielen“. Das klingt doch sehr nach beabsichtigtem Personalabbau in diesem Bereich. 

  • So wird deutlich

Wir dürfen auf keinen Fall zufrieden sein und uns zurücklehnen. Wir müssen uns intensiv mit der Hochschulfinanzierung auseinandersetzen und weiter für eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Hochschulen kämpfen, damit die Rahmenbedingungen für gute Arbeit erst geschaffen werden. Dies wird das Referat Hochschule und Forschung nicht allein leisten können. Über Mitstreiterinnen und Mitstreiter an den Hochschulen freuen wir uns daher sehr. 

Wer Interesse an einer entsprechenden Mitarbeit hat, kann sich entweder bei seinem bzw. ihrem GEW-Betriebsverband oder in der GEW-Landesgeschäftsstelle bei Marlis Bremisch marlis.bremisch@gew-thueringen.de erkundigen.


1 Beschluss “Forderungen der GEW Thüringen für die Wissenschaftspolitik in Thüringen“ der 8. LVV der GEW im September 2014 in Ilmenau
2 „Außerhalb des Stellenplanes dürfen bis zu 20 % des Drittmittelpersonals - umgerechnet auf Vollzeitstellen - mit unbefristeten Verträgen mit der Maßgabe beschäftigt werden, dass bei Auslaufen
der Mittel die Weiterbeschäftigung auf freien Planstellen/Stellen erfolgt.“ – Vorbemerkung Nr. 12 zu Kapitel 07 69 des Thüringer Landeshaushaltsplans 2018/19
3 www.thueringen.de/mam/th6/aktuelles/hochschulleitlinien.pdf

 

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Stellvertretender Landesvorsitzender
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Marlis Bremisch
Referentin für Bildung und Gewerkschaftliche Bildungsarbeit
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