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Weil es um mehr geht: Nachholbedarf und Einkommenserhöhungen

Was die diesjährige Tarifrunde mit den Erzieher*innen in den Schulen zu tun hat

Im Zuge der Beendigung des Modellprojekts zur Weiterentwicklung der Thüringer Grundschule und des Betriebsübergangs ist die Einheit von Grundschule und Hort wieder hergestellt: ein Kollegium, ein Dienstherr, ein Tarifvertrag. Mit diesem Übergang verschlechterten sich jedoch die Pädagog*innen, die zuvor in den Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Kommunen (TVöD) fielen, in einigen Punkten:

  • keine spezifischen Eingruppierungsregelungen für den Sozial- und Erziehungsdienst,
  • Berechnung der Leitungstätigkeit nach Vollzeitäquivalenten,
  • geringere Tabellenentgelte,
  • keine Öffnungsklausel zur Berücksichtigung pädagogischer Abschlüsse.

Mit der diesjährigen Tarifrunde haben wir die Chance, von der Arbeitgeberseite (Tarifgemeinschaft der Länder – TdL) strukturelle Verbesserungen zu fordern. Unser erstes Ziel dabei ist, eine verbindliche Zusage für Verhandlungsgespräche zu bekommen, die sich dem Bereich des Sozial- und Erziehungsdienstes widmen. Um den Einstieg in eben solche Verhandlungsgespräche durchzusetzen, muss die TdL erkennen können, dass die Beschäftigten einen Regelungsbedarf für diesen Bereich haben. Dafür muss der Sozial- und Erziehungsdienst bei den Aktionen und bei Warnstreiks Präsenz zeigen.

Macht auf die Probleme in der Öffentlichkeit aufmerksam!

Die Erzieher*innen können dann auch andere Forderungen auf die Straße tragen. Diese sind zwar keine offiziellen Forderungen der Tarifrunde und werden tariflich auch nicht zu lösen sein. Sie bieten aber die Möglichkeit, den politisch Verantwortlichen in Thüringen zu zeigen, wie die Erzieher*innen die derzeitige Situation an den Ganztagsschulen einschätzen und bewerten. Für die Etablierung echter Ganztagsschulstrukturen dürfen wir die Kolleg*innen nicht zum Streik aufrufen. Sehr wohl dürfen diese aber landesspezifische Besonderheiten auf Kundgebungen und in Streikreden artikulieren. 

Gute öffentliche Dienstleistungen sind für unsere gesamte Gesellschaft von hohem Wert. Die Beschäftigten der Länder erbringen sie täglich engagiert und kompetent für die Bürgerinnen und Bürger. Dabei steigen die Anforderungen und Belastungen ständig. Dies erfordert eine entsprechende Bezahlung und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen.
Die Einkommensentwicklung bei den Ländern ist jedoch seit 2000 um gut 4 Prozentpunkte hinter der Gesamtwirtschaft zurückgeblieben. Und das, obwohl Geld genug da ist. Für die Länder wird für das Jahr 2016 mit einem Steuerplus von 4,8 %, für 2017 von 2,6 % und für 2018 von 3,8 % gerechnet. Und die Länder müssen attraktive Arbeitgeber sein, um die Dienstleistungen auch zukünftig sicherzustellen.

Und Thüringen sollte bundesweit eine herausragende Rolle spielen. Nur wenige Bundesländer – unter anderem Berlin, Baden Württemberg und Bayern – haben überhaupt Erzieher*innen im Landesdienst.
In Thüringen hingegen arbeiten mittlerweile allein in den Schulen 2500 Erzieher*innen. Hinzukommen die Beschäftigten bei einigen Kita- Trägern, die den TV-L anwenden. Wir können uns demnach weder darauf verlassen, dass die Kolleg*innen des Sozial- und Erziehungsdienstes in anderen Bundesländern öffentlich strukturelle Verbesserungen für Erzieher*innen fordern werden, noch dass Bundesländer
wie Berlin die gleichen Schwerpunktsetzungen vornehmen wie wir. Dort beispielsweise wird die Aufwertungsforderung maßgeblich durch Erzieher*innen in den landeseigenen Kitas, in Baden Württemberg durch Heimerzieher*innen und in Bayern durch Beschäftigte bei freien Trägern, die den TV-L anwenden, getragen.

Schon in der Tarifrunde 2015 gelang es den Beschäftigten in den Horten nicht immer, ihre Besonderheiten und die ihrer Leitungstätigkeit sichtbar zu machen und für sich spezielle Verbesserungen einzufordern. Die Gewerkschaften haben strukturelle Verbesserungen in der Eingruppierung und die Angleichung der Bezahlung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder an die der Kommunen als zentrale Forderungen in die diesjährige Tarifrunde aufgenommen. Dies ist eine Besonderheit, da es sich eigentlich um eine reine Entgeltrunde handelt und in diesen nicht über Eingruppierungsregelungen oder gar Entgeltordnungen verhandelt wird. Wir sehen aber unter anderem in Thüringen einen zwingenden Handlungsbedarf. Dieser macht es notwendig, dass wir wenigstens einen Einstieg in Gespräche, die sich erfahrungsgemäß hinziehen, verzeichnen können.

Das Berufsfeld Pädagogik in der aktuellen Tarifrunde erneut im Fokus

Es handelt sich also um eine Tarifrunde, in der erneut, wie auch schon 2015 mit der Aufwertungskampagne für den Sozial- und Erziehungsdienst, das Berufsfeld Pädagogik in den Fokus rücken wird. Die ehemals bei den Kommunen angesiedelten Erzieher*innen wissen, dass die Arbeitgeber diesbezüglich keine Geschenke machen werden. Sie kennen aber auch das Gruppenerlebnis Streikbeteiligung, welches mit Solidarität und Spaß verbunden ist. Die Landesbediensteten wiederum können ihre Erfahrungen nutzen und weitergeben, die sie in mit Lehrer*innen geteilten Tarifrunden erworben haben: zum Beispiel die Diskussion im Gesamtkollegium über die Beteiligung am und Tipps für die richtige Bekleidung beim Streik.

Daneben dürfte insbesondere die Forderung nach einer Erhöhung der Tabellenentgelte im Gesamtvolumen von 6 Prozent für Erzieher*innen relevant sein. Denn in diesem Gesamtpaket soll es neben der prozentualen Lohnerhöhung auch um eine soziale Komponente in Form eines Sockel- oder Mindestbetrages gehen, welcher insbesondere bei den unteren Entgeltgruppen spürbare Auswirkungen hat. Auch die Einführung einer sechsten Stufe in den Entgeltgruppen 9 bis 15 ist Bestandteil des Gesamtpakets und wirkt strukturellen Benachteiligungen entgegen. All diese Einzelaspekte des Gesamtvolumens beeinflussen die Höhe der Rente. Ältere Kolleg*innen sollten die Möglichkeiten, die ihnen die Entgeltrunden bieten, aktiv nutzen, um sich für die verbleibenden Jahre mehr Prozente zu sichern. Den Jüngeren sei gesagt, jede Lohnerhöhung verzeichnet für die Rentenanwartschaft – quasi das Rentenkonto jedes Beitragszahlers für seinen späteren Rentenbezug – Effekte. „Verschlafene“ Tarifrunden mit niedrigen prozentualen Abschlüssen wirken sich somit unmittelbar auf die Entwicklung der eigenen Rente aus.

Stellt Euch vor: Die GEW ruft zum Streik auf ... und ALLE beteiligen sich!

Angestellte Lehrer*innen, Erzieher*innen und Beamte (letztere natürlich solidarisch, da es in Deutschland ein Streikverbot für Beamte gibt) folgen dem Aufruf. Warum? Weil sie es endlich wieder gemeinsam tun können.

Der Politik ist es nicht egal, wenn Schulen geschlossen sind.

Eltern ist es nicht egal, wenn ihre Kinder weder unterrichtet noch betreut werden.

Der Gesellschaft ist es nicht egal, wenn auf den Stellenwert von Bildung hingewiesen wird.

Es ist an Euch, diese Tarifrunde zu Eurer zu machen, Eure Forderungen vorzubringen und sich für Verbesserungen einzusetzen. Eure Gewerkschaft kann nur zum Streik aufrufen, hingehen müsst Ihr alleine! 

Die gewerkschaftlichen Forderungen in der Tarifrunde TV-L 2017 im Überblick:
  • Erhöhung der Tabellenentgelte im Gesamtvolumen von 6 %
  • Einbeziehung einer sozialen Komponente in Form eines Sockeloder Mindestbetrages
  • Einführung der Stufe 6 in den Entgeltgruppen 9 bis 15
  • strukturelle Verbesserungen bei der Eingruppierung
  • Entgelterhöhung für Praktikant*innen
  • Angleichung der Bezahlung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder sowie der Erzieher*innen der an den TV-L gebundenen Studentenwerke an die der Kommunen
  • Ausschluss sachgrundloser Befristungen
  • zeit- und wirkungsgleiche Übertragung des Verhandlungsergebnisses auf die Beamt*innen sowie Versorgungsempfänger*innen der Länder und der Kommunen
Kontakt
Nadine Hübener
Referentin für Bildung
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
Telefon:  0361 590 95 54
Mobil:  01573 336 02 98
Nadine Hübener