In § 93 Absatz 1 Satz 1 des im Jahr 2018 geänderten Thüringer Hochschulgesetzes (ThürHG) ist beschrieben, wann Lehrbeauftragte an den Hochschulen des Landes – statt befristet oder unbefristet Beschäftigter – eingesetzt werden dürfen:
„Zur Ergänzung, in begründeten Ausnahmefällen auch zur Sicherung des Lehrangebots können Lehraufträge erteilt werden.“
Wie ein solcher Lehrauftrag zu vergüten ist, das soll durch Rechtsverordnung das Ministerium regeln, das für die Hochschulen zuständig ist, also das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und digitale Gesellschaft (TMWWDG). Nun hat dieses Ministerium einen entsprechenden Verordnungsentwurf vorgelegt, die „Thüringer Verordnung über die Grundsätze für die Vergabe und Vergütung von Lehraufträgen“, kurz: Thüringer Lehrauftragsverordnung.
- Die Gewerkschaften waren nicht zur Stellungnahme aufgefordert.
Wir haben uns dieses Recht genommen und dem Ministerium eine Stellungnahme übersandt. Das Thema beschäftigt die Mitglieder des Referates Hochschule und Forschung, denn ein wichtiges Thema für uns sind die Beschäftigungsbedingungen an Hochschulen. Zu den Beschäftigten im weiteren Sinne gehören die Lehrbeauftragten, auch wenn sie weder Angestellte noch Beamte, weder befristet noch unbefristet eingestellt sind. Nicht selten werden sie eingesetzt, nicht nur für besondere Themen, sondern auch bei prüfungsrelevanter Lehre oder zur Aufrechterhaltung der Lehre in den Fachgebieten. Denn aus Sicht eines Arbeitgebers haben sie einen „Vorteil“: sie sind billiger als ihre angestellten oder gar verbeamteten Kolleginnen und Kollegen, was bei klammen Hochschulkassen attraktiv ist. Für Lehrbeauftragte zahlen die Arbeitgeber nicht in die Kranken-, Renten-, Pflege- oder Arbeitslosenversicherung ein. Sie geben den Lehrbeauftragten ein Honorar und diese müssen davon ihre Sozialversicherung zu 100 % selbst zahlen – wenn sie nicht bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt sind und ihren Lehrauftrag lediglich als Nebenverdienst ansehen (können). Somit ist es für uns als Gewerkschaft wichtig, immer wieder darauf zu dringen, dass Lehraufträge nur dort vergeben werden, wo es unbedingt nötig ist – und sie angemessen für den Vor-, Durchführungs- und Nachbereitungsaufwand zu bezahlen. Diese Fragen soll der vorliegende Entwurf des TMWWDG klären.
Positiv sehen wir, dass diese Verordnung im Entwurf jetzt vorliegt, aber wir haben auch eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen. Besonders mit dem Vergütungsvorschlag sind wir nicht einverstanden; er ist uns deutlich zu niedrig. Das Ministerium schlägt als Mindestvergütung 25 Euro und als Maximum 75 Euro vor, wobei damit auch gleich der Vor- und Nachbereitungsaufwand abgegolten sein soll, unabhängig davon, wie groß er sich abhängig vom Fach darstellt. Ausnahmen in der Höhe soll es nur geben, wenn besondere Personen („in besonderer Weise qualifizierte Personen des öffentlichen Lebens“ § 2 Abs. 2) gewonnen werden sollen. Machen wir mal ein Rechenbeispiel auf: Derzeit werden seit 2010 (!) in der Regel 16 Euro pro Stunde ohne Vor- und Nachbereitung bezahlt. Wenn man die hochschulüblichen Kostensteigerungen von 4 % p. a. annimmt, wäre man heute bei einer Vergütung von ca. 25 Euro – ohne Vor- und Nachbereitungszeit. Diese ist aber laut Hochschulgesetz und Verordnungsentwurf mit zu vergüten. Daher müsste die Mindestvergütung auf jeden Fall über 25 Euro liegen.
Wir sind der Meinung: Es kommt nicht darauf an, wer oder was jemand ist, sondern wie qualifiziert er oder sie für die Lehrveranstaltung ist, die er oder sie selbstverantwortlich halten soll. Und dafür sind alle, die das tun, ausreichend zu bezahlen.
- Daher rechnen wir folgendermaßen:
Lehrbeauftragte müssen vergleichbar mit an Hochschulen tätigen Arbeitnehmer*innen und Beamt*innen bezahlt werden. Wir orientieren uns daher an den Lehrkräften für besondere Aufgaben, die ebenfalls ausschließlich Lehraufgaben haben (sollen) und in der Regel im TV-L in der Entgeltgruppe 13 eingruppiert sind. Da Arbeitgeberkosten pro Beschäftigtem/Beschäftigter sehr unterschiedlich sind, nehmen wir als GEW Thüringen als Berechnungsgrundlage die Personalmittelsätze der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG): 66.300 Euro für das Jahr 2019. Lehrkräfte für besondere Aufgaben halten als Obergrenze 24 Lehrveranstaltungsstunden in der Woche an 30 Wochen im Jahr. Somit kommen sie pro Jahr auf 720 Stunden. Das ergibt die Rechnung:
66.300 Euro/720 LVS = 92,08 Euro/LVS
Daher schlagen wir vor, dass Lehrbeauftragte mindestens 46 Euro und maximal 92 Euro pro Stunde erhalten. Diese Sätze müssen aus unserer Sicht jeweils im Rhythmus der Tarifanpassungen nach Tarifrunden des TV-L in gleicher prozentualer Höhe angeglichen werden.
Ob dem Land Thüringen Lehrbeauftragte das wert sind? Das sollten sie, denn auch hier handelt es sich um Tariftreue – diesmal des öffentlichen Arbeitgebers – wenn auch einer ganz speziellen Art.