Einstieg
Was ist eigentlich eine Arbeitskammer?
Arbeitskammern sind Institutionen, die die Interessen der abhängig Beschäftigten vertreten. Sie funktionierenanalog zu den Industrie- und Handelskammern (IHK) bzw. den Handwerkskammern (HWK) und stellen die Interessen der Arbeitnehmer:innen in den Fokus ihrer Tätigkeit.
Der Zusammenschluss von Arbeitnehmer:innen kann unter unterschiedlichen Namen fungieren: Arbeitskammer, Arbeiterkammer oder Arbeitnehmerkammer. Wann immer aber die Worte „Arbeit“ und „Kammer“ zusammen gesetzt werden, geht es um eines: die Vertretung der vielfältigen Interessen der Arbeitnehmer:innen gegenüber Politik, Arbeitgebern, deren Verbänden sowie der Öffentlichkeit. Solche Einrichtungen gibt es nicht nur in Teilen Deutschlands, sondern auch in Österreich und Luxemburg.
Eine Arbeitskammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie ist also eine vom Staat durch Gesetz geschaffene Einrichtung, die öffentliche Aufgaben wahrnimmt. In den Ländern, wo eine Arbeitskammer vorhanden ist, werden alle Arbeitnehmer:innen des Landes per Gesetz Mitglieder dieser Arbeitskammer. Ausgenommen sind bestimmte Personengruppen, wie z.B. Beamte oder Freiberufler, die nicht Mitglied der Arbeiterkammer werden können.
Die Arbeit der Arbeitskammer wird durch Beiträge der Mitglieder finanziert .Diese sind gesetzlich festgelegt und werden, wie die Sozialversicherungsbeiträge, direkt vom Lohn abgezogen.
Das wichtigste Organ einer Arbeitskammer setzt sich aus demokratisch gewählten Vertretern zusammen: die Vollversammlung oder Vertreterversammlung. Vorschläge für die Zusammensetzung werden von den Gewerkschaften oder den Mitgliedern der Arbeitskammer gemacht.
Woher kommen die Arbeitskammern historisch?
Die Bestrebungen zur Gründung einer Arbeitskammer resultierten aus dem Wunsch der im 19. Jahrhundert entstandenen Arbeiterbewegung nach einer überbetrieblichen Interessenvertretung der lohnabhängig Beschäftigten neben den Gewerkschaften. Dieser Wunsch wurde von sozialdemokratischen Abgeordneten auf die politische Agenda gesetzt. Laut einem Antrag, den der spätere Reichspräsident und damalige SPD-Abgeordnete Friedrich Ebert 1901 in die Bremische Bürgerschaft einbrachte, sollte eine Arbeiterkammer „auf alles, was der Arbeiterklasse dienlich sein kann, fortwährend ihr Augenmerk richten“.
Die erfolgreiche Einführung von Arbeitskammern in Bremen und dem Saarland sowie in Österreich war eine Folge der Novemberrevolution 1918, in der die organisierte Arbeiterbewegung selbstbewusst ihre Forderungen artikulierte. Resultierend daraus wurde nicht nur die Monarchie abgeschafft, sondern auch der Achtstundentag und die Struktur der Betriebsräte eingeführt.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden die bereits bestehenden Arbeitskammern in Bremen und im Saarland zerschlagen. Die Neugründung erfolgte nach der Befreiung vom Nationalsozialismus: Seitdem arbeiten die Arbeitnehmerkammer Bremen und die Arbeitskammer des Saarlandes wieder im Interesse der Beschäftigten.
Welche Funktionen haben Arbeitskammern heute?
Die Aufgaben der Arbeitskammern lassen sich grundsätzlich in drei Bereiche unterteilen:
- politische Interessenvertretung,
- Bildungsleistungen und
- Beratungsleistungen.
Die politische Interessenvertretung durch die Arbeitskammern umfasst die Erstellung von Gutachten, Berichten und Vorschlägen zu allen Fragen der Arbeitswelt. Diese Expertise hilft dem Gesetzgeber, der Verwaltung sowie der Rechtsprechung, die richtigen Entscheidungen bei Arbeitnehmerfragen zu treffen. Darüber hinaus werden die Interessen der Arbeitnehmer:innen in der politischen Meinungsbildung durch die Arbeitskammer vertreten. Dort, wo im öffentlichen Diskurs eine Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite geführt wird, ist die Arbeitgeberseite mit drei Vertretern aufgestellt: Arbeitgeberverband, IHK und HWK. In den Bundesländern, in denen die Arbeitskammer tätig ist, gewinnt die Arbeitnehmerseite einen zusätzlichen Vertreter, da die Arbeitskammer gemeinsam mit den Gewerkschaften die Arbeitnehmerperspektive einbringt. Insofern kommt die Tätigkeit der Arbeitskammern allen Beschäftigten des Landes zugute, auch denjenigen, die nicht direkt Mitglied der Arbeitskammer sind.
Die Bildungsleistungen der Arbeitskammern umfassen die wissenschaftliche Aufarbeitung arbeitsmarktpolitischer Themen, Bildungsangebote sowie die Erstellung von Informationsmaterialien. Sie vertiefen und ergänzen die Expertise der Gewerkschaften.
Im Rahmen der Beratungsdienste werden die Mitglieder zu verschiedenen Themen beraten:
- Arbeitsrecht,
- Konsumentenschutz,
- Wohn- und Mietrecht oder
- Steuerrecht.
So gibt die Arbeitskammer Bremen beispielsweise Tipps zur Steuerklärung, zur Beantragung eines Sabbaticals oder berät, welche Versicherungen für Ausbildung und Studium sinnvoll sind.
Im Gegensatz zu den Gewerkschaften, wird den Mitgliedern der Arbeitskammer kein Rechtsschutz gewährt, d.h. es findet keine Prozessvertretung durch die Arbeitskammer statt. Vielmehr wird im Rahmen der arbeitsrechtlichen Beratung über die Rolle der Gewerkschaften informiert und auf deren Leistungen hingewiesen.
Darüber hinaus beraten die Arbeitskammern Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte sowie die Politik in arbeitnehmerrelevanten Fragen.
Welche Vorteile bringen sie für wen?
Die Gründung einer Arbeitskammer bringt allen Akteuren auf Arbeitnehmerseite große Vorteile. Die Beschäftigten erhalten eine zusätzliche politische Vertretung ihrer Interessen, was zu einer quantitativen und qualitativen Stärkung ihrer Position führt. Da eine Arbeitskammer ein institutionelles Pendant zur IHK bzw. HWK darstellt, wird die Asymmetrie der institutionalisierten Interessenvertretung aufgehoben.
Für die einzelnen Mitglieder ergeben sich Vorteile in Form von erweiterten Beratungs- und Schulungsangeboten. Darüber hinaus tragen die Forderungen der Arbeitskammer nach guter Kinderbetreuung, besserer Pflege, besseren Verkehrsverbindungen und mehr Ausbildungsplätzen zur Verbesserung der Lebenssituation aller im Land lebenden Beschäftigten bei.
Die Gewerkschaften profitieren wiederum vom Fachwissen über den Arbeitsmarkt. Sie bekommen darüber hinaus neue Kanäle, um die Arbeitnehmer: innen des Landes zu erreichen, da alle in einer Arbeitskammer organisiert sind. Durch die Arbeitsteilung zwischen Arbeitskammer und Gewerkschaften können Aufgaben im Bildungsbereich effizienter durchgeführt werden.