Schulleitungen: zwischen Bildungsauftrag und Gesundheitsamt
Verantwortung und Fürsorge des Arbeitgebers – grundlegende Rechte oder Fremdwörter?
Als organisatorischer Kopf der Bildungseinrichtung hat man als Schulleitung auch ohne Pandemie viel zu tun. Jedoch scheint der sowieso schon große Berg der Verantwortung dank Testregimen, Quarantänemanagement und Wechselunterricht ins unermessliche zu wachsen.
Schon Moliere erkannte: „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ Für uns Schulleiter:innen und unsere Aufgabenfülle trifft diese Aussage unmittelbar zu, darauf wird sich auch immer wieder berufen. Auf Seiten unseres Dienstherren vermisse ich aber immer öfter die hochgelobte Fürsorge und Verantwortung, die den Beschäftigten in Schulen, Kitas und anderen Bildungseinrichtungen zustehen. Fürsorge - die aktive Bemühung, Unterstützung in Notsituationen und besonderen Lebenslagen zu geben - und Verantwortung - das fürsorgliche Handeln und dessen Folgen richtig einzuschätzen und damit gesetzte Ziele zu erreichen - scheinen an Priorität zu verlieren.
Über die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen bzw. Schülerinnen und Schüler wird diesbezüglich oft nachgedacht. Aber Bildungseinrichtungen sind soziale Gemeinschaften, in denen es auch noch Bedienstete gibt, deren Wohlergehen immer mehr in Hintergrund tritt.
Aller Kritik voran möchte ich betonen, dass ich meinen Beruf liebe, mir die möglichst vielfältige Bildung der Schülerinnen und Schüler sehr wichtig ist und ich mit Herz und Verstand versuche, diese auch umzusetzen. Andererseits komme ich aber zunehmend an Grenzen, diesen Anspruch nicht mehr bewältigen zu können – in Bezug auf meine körperliche und seelische Gesundheit sowie der zur Verfügung stehenden Kraftreserven.
Nach nunmehr zwei Jahren Corona-„Übungsphasen“ bin ich ernüchtert.
Seit den Herbstferien spitzte sich die Situation in den Schulen wieder merklich zu. Wellenartig ist jede Region immer wieder betroffen. Sind Schulen und andere Bildungseinrichtungen nun Infektionstreiber? Aus meiner Sicht ein deutliches Ja – weil einfach sinnvolle Schutzmaßnahmen fehlen, die den medizinischen Erkenntnissen entsprechen. Oder wie erklärt sich die angewiesene Praxis, Test- und Maskenverweigerer wegen der Schulpflicht separat zu unterrichten? Das können wir aus Personal- und Platzgründen nicht, es sei denn, wir schicken täglich eine andere Klasse in den Distanzunterricht. Also alles rein in die Klassen ohne Abstandsregelung.
Weitere sinnstiftende Hinweise wie versetzte und häufigere Pausen führen zur Verlängerung des Schultages und Mehrbelastung der Kolleg:innen – allerdings nicht als abrechenbare Mehrarbeit. Dankenswerter Weise gibt es ja die sogenannten unteilbaren Aufgaben.
Was hat sich also geändert? Wir sind nun geimpft, tragen täglich und dauerhaft bis zu sechs Stunden am Stück Masken, zumeist FFP 2 zum Selbstschutz. Pausen sind kaum einzulegen, weil die Aufsichtspflicht bei immer weniger Personal uns fordert. Andere wirksame Maßnahmen? Nicht vorhanden! Unterstützung? Fehlanzeige. Und einige Partner, die Schule sonst hat, übertragen uns immer mehr Pflichten, ohne Ressourcen zu geben. Dort schränkt man den „aktiven Verkehr“ ein, ist im Homeoffice und oft nicht erreichbar und arbeitet unsere Zuarbeiten ab – bzw. reagiert nicht einmal auf Hilferufe.
Auch in meiner Schule stiegen pünktlich zur kälteren Jahreszeit wieder die Inzidenzen.
Unmittelbar nach den Herbstferien wurde ich schon über erste, noch vereinzelte Infektionsfälle in Familien informiert. Wir haben unser Testregime kontinuierlich weitergeführt und Maskenpflicht, wo möglich Abstand usw. eingehalten. Und trotzdem... schon eine Woche später konnten wir den Alltag kaum noch stemmen. Die Infektionsfälle innerhalb der Schule waren bald nicht mehr überschaubar. Die Regelung: positiver Schnelltest – ab zum PCR-TestWarten aufs Ergebnis – dann erst Kontaktpersonen in Quarantäne zeigte uns schon nach wenigen Tagen, dass wir so die Ansteckungen befördern. Also haben wir in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt schon bei positivem Schnelltest, ob zu Hause oder in der Schule, die Kontakte in vorläufige Quarantäne bis zur PCR-Klärung geschickt.
Gesundheitsamt, Ärzte und Labore waren da schon überlastet.
Und ich auch. Mehrmals täglich musste ich Meldungen erneuern, Eltern informieren, weil neue Infektionen bekannt wurden: „Open End“- Tage– einfach, weil mir die Sicherheit der anderen Schüler und deren Familien wichtig war – so ganz nebenbei zu meiner mehr als einer halbenStelle Unterrichtsverpflichtung. Allerdings wurde auch der Durchblick immer schwieriger: rein in Quarantäne wegen schulischen Geschehens, oder häuslich - wer hatte ggf. noch Kontakt usw. Mein Familienleben litt ebenfalls sehr unter meiner Belastung. Freizeit, gemeinsames Essen, private Gespräche = alles Fehlanzeige. Abends bin ich heimgefahren und ins Bett gefallen. Am Wochenende musste die eigene Unterrichtsvorbereitung laufen – und natürlich die Vorbereitung des Montag, weil ja Neuinformationen zur Umsetzung ab Montag gern erst Freitagabend erschienen.
Parallel dazu musste vom Kollegium in der Schule abgefangen werden, dass auch Kolleg:innen oder deren Kinder erkrankten, oder dass sie in Quarantäne mussten, dass alle Schüler:innen von Klassen oder nur Teile davon, manchmal mehr Schüler als im Raumsaßen, in Distanz unterrichtet werden mussten usw. Nicht zu vergessen, dass die Schüler:innen innerhalb der Schule der Aufsichtspflicht unterliegen und somit Vertretungseinsatz erforderlich war, denn das ist aus der Distanz nicht möglich – der Lehrer in Distanz kann das schließlich nicht übernehmen.
Letztendlich: Die Infektionsfälle unter den Schülern stiegen schnell unaufhaltsam weiter.
Nach einer weiteren Woche hatten wir 35 bestätigte infizierte Fälle unter den Schüler:innen und über 100 Schüler:innen mit Betretensverbot. Auf die abgesendeten BV-Meldungen und Lageeinschätzungen mit Vorschlägen und der Bitte um Lösungsvarianten erhielt ich keinerlei Antwort, so dass nur zwei Tage später mit über 40 Infektionsfällen an ein Aufrechterhalten des Schulbetriebes nicht mehr zu denken war. Auch das Gesundheitsamt war verzweifelt und empfahl den Übergang in den Distanzunterricht – was wir für einen Quarantänezeitraum auch umgesetzt haben – obwohl die politische Aussage lautete: „Die Schulen bleiben offen.“ Und noch bis zum 10. Tag des Distanzlernens erreichten mich Infektionsmeldungen, die auf die Ansteckung während des Schulbetriebes zurückzuführen waren. Mit 52 infizierten Schülern innerhalb von 4 Wochen konnten wir das Infektionsgeschehen endlich eingrenzen.
Es ist mir bewusst, dass Covid 19 immer noch neue und unbekannte Situationen schafft, die möglichst mit Weitblick und Verantwortung bewältigt werden müssen. Unser schulischer Bereich basiert aber auf den pädagogischen Fähigkeiten von Menschen, die täglich große Verantwortung übernehmen und auch das Recht haben, dass sie selbst gesund erhalten werden und ihren Job möglichst noch lange wahrnehmen können. Das sehe ich mittlerweile als gefährdet.
ICH FASSE HIER EINMAL ZUSAMMEN: |
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1. Schulleiter:innen und Lehrkräfte erfüllen Ihren Beschäftigungsumfang zu 100%. 2. Die Schüler:innen haben ein Recht auf Bildung. 3. Angst 4. Inhalte der Verwaltungsvorschriften 5. Und noch weitere Widersprüche |
Licht und Schatten
Ich war dann trotz des chaotischen Hin- und Her über die Weihnachtsferien erfreut, dass man uns Schulen weitgehend so viel Vertrauen entgegen gebracht hat, dass wir bei Covid-Infektionen Handlungsspielräume erhalten. Wir arbeiten derzeit noch in voller Präsenz, solange es eben geht.
Dennoch kommen wieder unsinnige Regelungen hinzu, die unsere Arbeit belasten. Ich denke da an die Klassen 5 und 6, die immer komplett in Präsenz bleiben sollen, unabhängig der Gefahren fehlender Schutzmaßnahmen. Oder an die Regelung zur Notbetreuung, wobei von zwei Elternteilen nur eines im systemrelevanten Beruf sein muss, um ihr Kind betreuen zu lassen. Wie ist das für uns umsetzbar? Ich streiche die Einsatzstunden der Notbetreuung – selbst für nur 2-4 Schüler:innen – bei anderen Klassen weg.
Meine Kolleg:innen sind alle im Dienst, selbst wenn sie Risikofälle sind.
Sie möchten einfach nicht den anderen Kolleg:innen noch mehr Lasten aufbürden und den direkten Kontakt zu den Schüler:innen halten. Für ihre Gesunderhaltung lese ich aber nur wenige Tipps: Maske, Händewaschen, Lüften – und rein in die Masse. Nicht jeder Kollege kann dauerhaft die FFP-2-Maske tragen, denn er muss im Unterricht sprechen, beraten usw., da kommt es schon zu Atemeinschränkungen, manchmal zu Luftproblemen bei 6-Stunden Einsatz hintereinander. Und bei jüngeren Schüler:innen sitzen die Masken oft gar nicht richtig, weil sie einfach nicht passen. Die Höhe des Infektionsrisikos lässt sich bei verschiedenen medizinischen Forschungseinrichtungen nachlesen.
Und nun muss ich noch kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen, dass im Bund beschlossen wurde, nach 7 Tagen freitesten zu können. Auch das hatten wir schon: Quarantäne – Freitestung – einen Tag in der Schule – am nächsten Tag Ausbruch der Infektion. Die ganze Klasse durfte in Quarantäne und Ansteckungen erfolgten auch. Die Begründung, dass ja in der Schule regelmäßig getestet wird, ist hier kontraproduktiv. Schließlich heißt ein positiver Test bei 2 Testungen pro Woche: es waren mehrere Tage Zeit, andere zu infizieren, auch die Lehrkräfte. Also benötigen wir tägliche Tests für alle.
Nach zwei Jahren Corona bin ich nun auf der Suche nach meinem Optimismus.
Wir haben Long-Covid-Fälle bei Lehrkräften und Schüler:innen – und warten auf die nächsten Neuinfektionen. Das erschreckt mich.
Meine Forderung ist eigentlich ganz einfach: Die Lehrkräfte und andere Berufsgruppen, die dem ständigen Direktkontakt mit Menschen ausgesetzt sind, benötigen alle Schutzmaßnahmen, die nur denkbar sind – und nicht immer weitere Ausnahmen auf Kosten ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit.
Sie erfüllen ihre Pflichten und warten verzweifelt darauf, auch Anerkennung und mehr Fürsorge zu erfahren – damit sie möglichst noch lange für ihre Schutzbefohlenen und auch ihre Familien in guter Gesundheit da sein können.