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Zwischenbericht wurde veröffentlicht

[UPDATE] GEW unterstützt die Petition „Verfassungskonforme Besoldung in Thüringen"

Gegenstand der Petition ist die verfassungswidrige Alimentation der Thüringer Beamtinnen und Beamten. Dahinter verbirgt sich die Praxis früherer Landesregierungen, Tarifabschlüsse verspätet und auch nicht vollumfänglich auf die Beamten zu übertragen.

Quelle: Thüringer Landtag

Die amtsangemessene Alimentation der Beamt*innen ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Ob der Thüringer Gesetzgeber diese Festlegung in Artikel 33 Abs. 5 des Grundgesetzes bei der Übertragung von Tarifergebnissen auf die Besoldung der Beamt*innen stets vor Augen hatte, soll diese Petition nun klären.

Die Ergebnisse der Tarif-und Besoldungsrunde 2019 sollen zeit-und inhaltsgleich auf die Beamt*innen übertragen werden. Das war nicht immer so. Seit 2009 erfolgte die Übertragung von Tarifergebnissen stets zeitverzögert und sogar gekürzt. War die Vorgehensweise in der Vergangenheit unzulässig und sogar verfassungswidrig?


Hier der Zwischenbericht:

„Die Petition ist am 18. März 2019 auf der Petitionsplattform des Thüringer Landtags veröffentlicht worden. In der sechswöchigen Mitzeichnungsphase bis zum 29. April 2019 wurde die Petition von 1.649 Mitzeichnern unterstützt.

Der Petitionsausschuss wird die Petition voraussichtlich in seiner nächsten Sitzung am 23. Mai 2019 beraten.“


Und hier die Petition im Wortlaut:

  • „Welches Ziel hat die Petition?

Gewährleistung einer verfassungskonformen Alimentation der Thüringer Beamten und Richter.

  • Welche Entscheidung wird beanstandet?

Nichthandlung der Thüringer Landesregierung und des Thüringer Landtages als Gesetzgeber zur Gewährleistung einer verfassungskonformen Alimentation der Thüringer Beamten und Richter.

  • Welche Behörde hat diese Entscheidung getroffen?

Thüringer Landesregierung und Thüringer Landtag (z.B. im Rahmen der Vorlage, Beratung und Beschlussfassungen zum Thüringer Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung in den Jahren 2017/2018 sowie den Vorjahren).

  • Wie wird die Petition begründet?

Vorbemerkung: 
Das Bundesverfassungsgericht hat zur Frage einer verfassungskonformen Ausgestaltung der Besoldung verschiedene Grundsatzentscheidungen getroffen (BVerfG, Urt. v. 5. Mai 2015 – 2 BvL 17/09 – u. Beschl. v. 17. November 2015 – 2 BvL 19/09 u.a.). Hier wird die Besoldung des jeweiligen Landes mit verschiedenen Parametern verglichen (Verbraucherpreisentwicklung, Nominallohnentwicklung, Tarifentwicklung im ö. D., Abstand zwischen den Besoldungsgruppen sowie Vergleich mit der Besoldung anderer Länder und des Bundes). Die Vermutung einer verfassungswidrigen Besoldung liegt jedenfalls dann vor, wenn drei der fünf Prüfparameter verletzt sind. Soweit „nur“ zwei der fünf Parameter verletzt sind und die Verletzung erheblich ist, wäre dies ebenfalls für die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation ausreichend (BVerwG, Beschl. v. 22. September 2017 – 2 C 6/17 – u.a. sowie Beschl. v. 30. Oktober 2018 – 2 C 32.17 -).

Hierneben ist das Abstandsgebot zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum zu beachten. Das bedeutet, dass die Nettoalimentation in der untersten Besoldungsgruppe einen Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau aufweisen muss. Dieser Mindestabstand beträgt 15 % (absolute Besoldungsuntergrenze).

Des Weiteren wurde durch das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1998 in einem Grundsatzbeschluss entschieden, dass der Familienzuschlag ab dem 3. Kind im Vergleich zum 2. Kind = 15 % über dem Grundsicherungsbedarf liegen muss (BVerfG, Beschl. v. 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 -).

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, fortlaufend zu prüfen, ob die o.a. verfassungsrechtlichen Vorgaben (Art. 33 Abs. 5 GG) bzgl. einer amtsangemessenen Alimentation (noch) erfüllt werden (BVerfG, Urt. v. 14. Februar 2012 – 2 BvL 4/10 – sowie Beschl. v. 16. Oktober 2018 – 2 BvL 2/17-).

Im Einzelnen: 
Da die statistischen Vergleichswerte für das Jahr 2018 noch nicht vollständig vorliegen, wurde das Jahr 2017 geprüft. Hiernach ergibt sich eine Verletzung von mindestens zwei Prüfparametern. Beispielsweise ergibt sich für die Besoldungsgruppen A 10 bis A13 im Vergleich zu den Verdiensten mit der Privatwirtschaft (Nominallohn) eine Abweichung von 17,84 % und zu den Verdiensten im ö. D. (Tarifentwicklung) eine Abweichung von 8,53 %. Nach den o.a. Entscheidungen des BVerwG und des BVerfG ist insoweit eine verfassungswidrige Unteralimentation anzunehmen. Hingewiesen wird darauf, dass im Zeitraum 2008 bis 2015 regelmäßig drei der fünf Prüfparameter in verfassungsrechtlich relevanter Form verletzt waren.

Entsprechend der Verfahrensweise des BVerwG in seinen o.a. Entscheidungen wurde die absolute Besoldungsuntergrenze ebenfalls geprüft und festgestellt, dass diese in verfassungsrechtlich relevanter Form verletzt wurde. Der Abstand zum Grundsicherungsbedarf wurde bspw. im Jahr 2017 nicht eingehalten und mit 3 bis 4 % unterschritten. Die noch in der LT-Drs. 6/3797 hierzu gemachten Ausführungen, wonach der erforderliche Abstand zum Grundsicherungsniveau eingehalten sei, sind im Lichte der o.a. Bundesverwaltungsgerichtsentscheidungen als unzutreffend anzusehen. Auch aktuell (2019) wird die absolute Besoldungsgrenze wieder unterschritten. Auch in der Vergangenheit - Zeitraum: 2008 bis 2017 - wurde bis auf das Jahr 2015 die absolute Besoldungsuntergrenze fortlaufend und in verfassungsrechtlich relevanter Form verletzt. Zu einem vergleichbaren Sachverhalt im Land Niedersachsen führte der Vorsitzende Richter des 2. Senates des BVerwG , Ulf Domgörgen, erst kürzlich aus: „Wir haben in erschreckender Weise festgestellt, dass das Grundsicherungsniveau in all den Jahren nicht erreicht wurde. “ Er verglich das Grundsicherungsniveau mit dem Grundwasserspiegel. „Wird dieser angehoben, hat das auch Auswirkungen auf alle folgenden Stufen.“

Der Familienzuschlag ab dem 3. Kind wird, unter Zugrundelegung des Beschlusses des BVerfG v. 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 –, ebenfalls in verfassungsrechtlich relevanter Weise verletzt. Im Ergebnis unterschreitet im Jahr 2018 der Familienzuschlag ab dem 3. Kind für alle Besoldungsgruppen der A-Besoldung den Grundsicherungsbedarf für das 3. Kind. Die Differenz beträgt je nach Besoldungsgruppe bis zu ~ 70 EUR/Monat (netto). Nichts anderes würde sich ergeben, wenn das geänderte Sozialrecht und die hierzu ergangenen Bewertungen zum sozialhilferechtlichen Mindestabstandsgebot durch das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt würden (BVerwGE v. 22. September 2017 – 2 C 6/17 – u.a. sowie v. 30. Oktober 2018 – 2 C 32.17 -).

Verfassungsrechtliche Gründe zur möglichen Rechtfertigung einer verfassungswidrigen Unteralimentation (Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG) sind in Anbetracht eines Haushaltsüberschusses 2017 in Höhe von ~ 917 MIO. EUR zu verneinen.

Eine fortlaufende und für Dritte nachvollziehbare Prüfung der o.a. und anzunehmenden Verfassungsverstöße ist nicht erfolgt, was seinerseits ebenfalls als Verfassungsverstoß zu werten ist (BVerfG, Beschl. v. 16. Oktober 2018 – 2 BvL 2/17-). Hinzu kommt, dass im Rahmen der Darstellungen zu den o.a. Prüfparametern unter der LT-Drs. 6/3797 lediglich Zahlwerte in den Raum gestellt wurden; eine Herleitung jedoch unterblieben ist. Unbeschadet dessen wurden die Zahlenwerte geprüft. Dabei wurde festgestellt, dass die o.a. Entscheidungen des BVerfG nicht oder nur ungenügend berücksichtigt wurden. So wurde zum Beispiel bei dem Prüfparameter „Tarifentwicklung ö. D.“ ein anderer Indexwert zugrunde gelegt, als der welcher vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 17. November 2015 – 2 BvL 19/09 u.a. zur Besoldung im Freistaat Sachsen verwendet wurde. Dies ist unter Berücksichtigung einer gleichmäßigen Tarifentwicklung nach dem TV-L unverständlich und als ergebnisorientierte und damit willkürliche Betrachtung/ Herangehensweise anzusehen.

  • Richtet sich die Petition auf die Änderung eines Gesetzes? Wie und warum soll das Gesetz geändert werden?

Prüfung und rückwirkende Änderung der Thüringer Gesetze zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für Thüringer Beamte und Richter (ab dem Jahr 2008).

Durch Beschlussfassung des Thüringer Landtages.

Um einen in der Vergangenheit bestandenen und nach wie vor bestehenden Verfassungsverstoß zu beseitigen.

  • Welche Rechtsbehelfe wurden in dieser Sache bereits eingereicht?

Gegen die Besoldungsfestsetzungen im Jahr 2018 wurde Widerspruch eingelegt. Bestehende Ansprüche aus der Vergangenheit (hier: Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2017) werden meinerseits verwaltungsgerichtlich verfolgt.

In diesem Zusammenhang wird auf Folgendes hingewiesen:

Das dem o.a. Klageverfahren vorausgehende Vorverfahren hat neun Jahre(!) gedauert. Das Klageverfahren selbst läuft ebenfalls schon fast zwei Jahre = bislang ~1/4 des Berufslebens, um zu klären, ob die Besoldung verfassungskonform ausgestaltet ist oder nicht → Ende nicht absehbar(!).

Insbesondere ist hierbei zu beachten, dass keine Entscheidung der Thüringer Verwaltungsgerichtsbarkeit dergestalt getroffen werden kann, als das im Erfolgsfall dem Kläger/Petenten ein höherer Besoldungsanspruch zugesprochen würde. Selbst das schlussendlich zuständige Bundesverfassungsgericht könnte - wie z.B. für die Länder Sachsen-Anhalt und Sachsen bereits erfolgt - lediglich feststellen, dass die Besoldung verfassungswidrig ist; nicht aber festlegen die Besoldung muss „XY Euro“ betragen, um verfassungsgemäß zu sein. Eine solche Festlegung obliegt allein dem Gesetzgeber unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 28. April 2011 – 2 C 49/07-).

Daher ist es nach meiner Auffassung erforderlich, dass die Thüringer Landesregierung und der Thüringer Landtag zumindest ihrer verfassungsrechtlich bestehenden Verpflichtung bezüglich der Prüfung einer verfassungskonformen Alimentation ihrer Beamten und Richter unter Beachtung der hierzu ergangenen Entscheidungen des BVerfG sowie des BVerwG nachkommen, um eine weitere Verkürzung verfassungsrechtlich bestehender Mindestansprüche bei der Besoldung ihrer Beamten und Richter zu vermeiden.

Für ein funktionierendes Staatswesen ist es jedenfalls wenig förderlich, wenn Beamte und Richter letztlich gezwungen werden, gerichtlich gegen den Dienstherren vorzugehen, um bestehende Ansprüche zu sichern, da in Thüringen - anders als in Sachsen - ja gerade keine rückwirkende Korrektur bei nachträglich festgestellten Verfassungsverstößen des Dienstherren erfolgt (s. bspw. Aussage der Thüringer Landesregierung unter der LT-Drs. 6/6249). Dies ist weder vertrauensbildend noch motivierend.“