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TV Stud

Tarifvertragliche Regelungen für studentische bzw. wissenschaftliche Hilfskräfte/Assistent:innen?

In der Tarifrunde der Länder 2021 gelang es, eine Forderung hinsichtlich tarifvertraglicher Regelungen für Assistent:innen in die Verhandlungen einzubringen und auch die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) – die Arbeitgebervereinigung – griff das Thema auf.

Wenn es um die Bedeutung von Tarifverträgen geht, spricht der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil eine deutliche Sprache. Erst Ende Juni rief er Arbeitgeber und Gewerkschaften erneut dazu auf, die Tarifbindung zu verbessern. Derzeit läge sie nur bei 48 %. Der Staat müsse beim Thema Tarifbindung mit gutem Beispiel vorangehen. In ähnlicher Weise äußert sich auch der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär und aktuelle Thüringer Ministerpräsident, Bodo Ramelow. Er beobachtet eine steigende Zahl von Forderungen, wie die Politik regulierend in die Arbeitswelt eingreifen solle. Das sei aus seiner Sicht der falsche Weg und es seien vielmehr die Sozialpartner gefordert.

Geht der Staat im Bereich der Hochschulen mit gutem Beispiel voran?

Seit Jahren weist die GEW auf prekäre Zustände bei der Bezahlung/in Bezug auf Festanstellung im Bereich der Hilfskräfte/ Assistent:innen und Lehrbeauftragten hin. Nach wie vor haben wir eine große Anzahl von Menschen, die ihre Arbeit an den Hochschulen gut und gerne verrichten und dabei nicht in den Genuss tarifvertraglicher Regelungen kommen, sondern vielmehr im Rahmen gesetzlicher Mindeststandards oder arbeitgeberseitig festgelegter Verordnungen beschäftigt werden.

Wie viele Hilfskräfte (HK) sind bundesweit an den Hochschulen beschäftigt?

Bereits diese scheinbar triviale Frage ist nicht einfach zu beantworten. Die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen sind lückenhaft und unterschätzen die Zahl der HK (1). Im aktuellen Bericht sind für das Jahr 2020 etwa 100.000 studentische HK und 35.000 wiss. HK ausgewiesen. Weitere Erfassungsprobleme entstehen, weil HK häufig nicht aus Personal-, sondern aus Sachmitteln bezahlt werden und dementsprechend in keiner Personalstatistik auftauchen. Deutlich höhere Zahlen ergeben sich auf Grundlage der Sozialerhebung des Studierendenwerks sowie des BMBF Studierendensurveys. So kommen die Autoren einer Studie (2) zum Ergebnis, dass etwa 400.000 studentische HK an deutschen Hochschulen beschäftigt werden. Dazu kommen noch ca. 40.000 wiss. HK. Berücksichtigt man dazu noch die etwa 100.000 Lehrbeauftragten und setzt dies ins Verhältnis zu den 760.000 haupt- und nebenberuflich Beschäftigten, folgt daraus, dass rund 42% der an Hochschulen Tätigen keine Arbeitsbedingungen vorfinden, die zwischen Tarifvertragsparteien ausgehandelt wurden, sondern einseitig durch den Arbeitgeber vorgegeben werden.

Öffentliche Arbeitgeber sind leider kein Vorbild

Hier wird der öffentliche Arbeitgeber der vom Bundesarbeitsminister geforderten Vorbildrolle offenbar nicht gerecht. In den Tarifverhandlungen 2023 wird sich erneut die Gelegenheit bieten, die Tarifbindung im öffentlichen Bereich zu erhöhen. Dies wäre beispielsweise durch Aufnahme der HK in den Geltungsbereich des TV-L möglich. Beschäftigte, Gewerkschaftsmitglieder und engagierte Kolleginnen und Kollegen in den Tarifkommissionen der Gewerkschaften erwarten, dass die Worte des Bundesarbeitsministers auch bei den Finanzminister:innen der Länder gehört werden, die üblicherweise als Mitglieder der TdL die Arbeitgeberseite bei Tarifverhandlungen vertreten.

Doch was wurde in der zurückliegenden Tarifrunde 2021 erreicht?

In der Tarifeinigung findet sich ein knapper Abschnitt zum Thema: „IV. Studentische Hilfskräfte: Nach Abschluss der Redaktion werden die Tarifvertragsparteien in eine Bestandsaufnahme über die Beschäftigungsbedingungen der studentischen Hilfskräfte eintreten.“ Viel Zeit ist seitdem vergangen und uns ist zumindest aus Personalrats- und Gewerkschaftskreisen nicht bekannt, dass arbeitgeberseitig bisher eine (bundesweite) Initiative zur Bestandsaufnahme erfolgte. Auf Landesebene wurden Nachfragen mit Verweis auf eine (sinnvollerweise) bundesweit einheitliche Bestandsaufnahme zur Kenntnis genommen. Lediglich „Die Linke“ nahm sich dem Thema an und brachte über drei kleine Anfragen (3) wichtige Details über die Beschäftigungsverhältnisse der HK zutage.

Eigene Bestandsaufnahme aufgrund Stillstands

Im bundesweiten Netzwerk studentischer Beschäftigter beschloss man schließlich, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und eine Bestandsaufnahme zu den Arbeitsbedingungen anzugehen. In Kooperation mit ver.di, der GEW und dem Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Universität Bremen wurde eine Erhebung durchgeführt, an der sich mehr als 15.000 Personen beteiligten. Die Ergebnisse der Auswertung werden im Herbst erwartet und kommen damit rechtzeitig, um Forderungen für die Tarifrunde 2023 substanziell zu unterlegen. An dieser Stelle sei allen gedankt, die sich für das Thema einsetzen. Insbesondere die verschiedenen studentischen Initiativen, die vor Ort mobilisieren, informieren und vernetzen, leisten dabei einen elementar wichtigen Beitrag.

Ein kurzer Blick über den Tellerrand: nach Berlin

Es zeigt sich, dass Hochschulen auch funktionieren, wenn die Arbeitsverhältnisse der HK tarifvertraglichen Regelungen unterliegen. Mit dem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (TV Stud III) finden Studierende dort bessere Beschäftigungsbedingungen vor als in den übrigen Bundesländern. Das plakativste Beispiel ist sicherlich immer der Umfang des Erholungsurlaubes. HK haben in Berlin den gleichen Urlaubsanspruch wie die übrigen Beschäftigten, nämlich 30 Tage pro Jahr (bei einer 5-Tage-Woche; sonst entsprechend skaliert). In den übrigen Bundesländern greift hierbei lediglich das Bundesurlaubsgesetz mit dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von 20 Tagen. Bei den Entgelten wird jedoch deutlich, dass auch mit Tarifvertrag die Stundensätze nicht in beliebige Höhen wachsen. Nach einem zähen Ringen in der Tarifrunde zum Berliner TV Stud III 2018 wurde eine stufenweise Erhöhung zunächst auf 12,50 €, dann 12,68 € und schließlich ab 1. Januar 2022 auf  12,96  € erkämpft. Das ist vergleichbar knapp am Mindestlohn wie in den übrigen Bundesländern, die sich an einer TdL-Richtlinie (4) orientieren. Häufig benötigen HK jedoch Spezialkenntnisse, z. B. um Programme zu erstellen und Software zu bedienen. Dies erfordert zumindest eine gründliche Einarbeitung oder evtl. sogar Kenntnisse auf dem Niveau einer Berufsausbildung. In den Entgeltgruppen des TV-L gedacht, entspräche das einer EG 4 oder 5 mit Stundenentgelten ab 14 bis 15 €. Für wissenschaftliche HK, die eine Tätigkeit ausüben, die einen Bachelor-Abschluss erfordert, wäre i. d. R. die Eingruppierung in EG 9b geboten, mit einem Stundenentgelt ab etwa 17,50 €. Darüber finden sich im Berliner TV Stud beispielsweise auch allgemeine Regelungen zu Arbeitsbedingungen, zur Arbeitszeit, zur Anrechnung von Vor- und Nachbereitungszeiten, zur Auszahlung des Entgelts, zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, zu Sonderurlaub und schließlich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Kundgebungsengagement der Kolleg:innen ist zwingend notwendig

Die Bestandsaufnahme wird zeigen, wo die Betroffenen den größten Handlungsbedarf sehen. Dann wird es 2023 insbesondere davon abhängen, wie stark Kolleginnen und Kollegen einschließlich der HK bei den Kundgebungen im Rahmen der Tarifverhandlungen ihren Forderungen Nachdruck verleihen.

In diesem Sinne: Macht mit!

 


(1) Destatis: Personal an Hochschulen, Fachserie 11 Reihe 4.4 – 2020: „In einer Reihe von Bundesländern zählen die studentischen Hilfskräfte nach Landesrecht nicht zum Hochschulpersonal und werden somit in der amtlichen Statistik auch nicht erfasst.“

(2) Alexander Lenger, Christian Schneickert, Stefan Priebe, 2012: „Studentische MitarbeiterInnen: Zur Situation und Lage von studentischen Hilfskräften und studentischen Beschäftigten an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Eine Studie gefördert von der Max-Traeger-Stiftung“.

(3) Siehe Parlamentsdokumentation Thüringer Landtag: Dokumente/Vorgänge 7/3037KA, 7/2509KA und 7/2508KA.

(4) Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Arbeitsbedingungen der wissenschaftlichen und studentischen Hilfskräfte

Kontakt
Marko Hennhöfer
Betriebsverbandsvorsitzender TU Ilmenau
Adresse Max-Planck-Ring 14
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