Zum Inhalt springen

Berufsbildende Schulen

Seiteneinsteiger eine Wahl oder eine Qual?

Ich war viele Jahre Verantwortlicher für Ausbildung am Berufsschulzentrum „Hugo Mairich“ in Gotha. Hier meine Erfahrungen mit Seiteneinsteiger:innen.

Symbolbild - Quelle: Canva Pro

Von der optimalen zur fehlenden Betreuung

Viele Jahre hatten wir Lehramtsanwärter:innen, welche ihren Vorbereitungsdienst an unserer Schule absolvierten – maximal ein bis zwei Anwärter pro Jahr. Hierbei war eine optimale Betreuung mit den jeweiligen fachbegleitenden Lehrern gegeben. So wie es sein soll. Dann kamen die ersten Seiteneinsteiger. Erstmal einer, der Verantwortliche für Ausbildung übernimmt ihn mit. Seiteneinsteiger mit Fachschulabschluss. Er wurde als Lehrer für Metalltechnik eingestellt, 24 Stunden die Woche theoretischer Unterricht. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Metalltechnik war die Einarbeit machbar. Abminderungsstunden für Seiteneinsteiger gab es aber keine. Das ging so weit auch gut, bis in das Jahr, in dem wir zehn Seiteneinsteiger zur gleichen Zeit an der Schule hatten. Man versuchte, Kolleginnen und Kollegen zu finden, welche als fachbegleitende Lehrer unterstützen. Das war in vielen Abteilungen schon schwierig. Die Schulleitung unterstütze mit Abminderungsstunden aus der Schulpauschale. Eine zentrale Fortbildung oder Nachqualifizierung durch das Thillm gab es nicht oder kam nur sehr schleppend in Gang.

Viele haben gekündigt

Mit Unterstützung der Schulleitung wurde für die Seiteneinsteiger eine schulinterne Fortbildung erarbeitet und umgesetzt. Alle 14 Tage, einmal in der Woche nach der Unterrichtszeit, fanden Seminare für Didaktik, Methodik, Arbeit mit dem Curriculum, Arbeit in den Lernfeldern, Schulrecht und Psychologie statt. Die Seminare wurden von Kolleginnen und Kollegen der Schule geleitet. Dies war der Grundbaustein für die heute Ausbildung der Fachpraxislehrer an unserer Schule. In dieser Zeit war die Arbeit mit dem Seiteneinsteiger schwierig und anspruchsvoll. Viele Seiteneinsteiger waren einfach überfordert und überlastet. Einige wenige haben sich ihre Arbeit an einer Berufsschule und den Umgang mit den Schüler:innen anders vorgestellt. Dies führte dazu, dass sie gekündigt haben.

Heute ist es sinnvoller geregelt

Die Situation wurde erst besser durch die Fortbildungs- und Nachqualifizierungsangebote des Thillm und die Veränderung der Verwaltungsvorschrift. So wie es zum heutigen Zeitpunkt ist, dass Seiteneinsteiger schrittweise mit weniger Unterrichtsstunden in den Schulalltag eingeführt werden, ist es sinnvoll und kann zum Erfolg führen. Seiteneinsteiger sind im berufsbildenden Bereich unabdingbar, allein deshalb, weil es in vielen Fachbereichen gar keine Lehrerausbildung in Deutschland gibt. Man braucht ihre Erfahrungen aus der Praxis.

Kontakt
Falk Freytag
Lehrer am Staatlichen Berufsschulzentrum "Hugo Mairich" in Gotha