Bildungsauftrag des Kindergartens aus sicht der Schule II
Schulfähigkeit
Kinder im Vorschulalter wollen lernen. Sie haben Freude daran, neue Sachen auszuprobieren, sind neugierig und begeisterungsfähig und freuen sich darauf, Schulkinder zu werden. Sie für die Schule fit zu machen, ist aus meiner Sicht eine Aufgabe, an der viele Personen und Einrichtungen Anteil haben sollten. Als Mutter von drei Kindern, Grundschullehrerin seit über 35 Jahren und 10 Jahren als Beratungslehrerin konnte ich verschiedene Blickwinkel kennenlernen.
Da ist das Elternhaus, welches durch vielfältige Aktivitäten Sprache, Selbstständigkeit, Beobachtungsvermögen, Neugier auf die Welt und altersgerechtes Wissen vermitteln kann. Manchmal werden hier schon Möglichkeiten der Förderung liegen gelassen, weil es so viel einfacher ist, dem Kind die Schuhe schnell im morgentlichen Stress zuzubinden. Wie oft konnte ich beim Kinderarzt beobachten, wie Mama und Papa mit ihrem Handy beschäftigt waren, statt die Zeit des Wartens lieber mit dem Vorlesen einer Geschichte zu verbringen.
Auch die Kindergartenarbeit hat sich deutlich verändert.
Kinder sollen heute mitbestimmen und ihren Interessen beim gemeinsamen Spielen nachgehen können. Der Kindergarten soll keine Vorschule sein. Aber sind Vorschulkinder damit nicht manchmal überfordert? Mein Sohn mochte zum Beispiel keinen Stift in die Hand nehmen. Was man jedoch nicht ausprobiert, kann man auch nicht beurteilen. Kinder sollten im Kindergarten mit verschiedensten Bereichen bekannt gemacht und dazu ermuntert werden, sich darin auszuprobieren. Im gemeinsamen Spiel leistet der Kindergarten einen wichtigen Beitrag im Vermitteln und Üben von ersten sozialen Kompetenzen. Es ist wichtig, dem anderen Kind zuzuhören, sich ein Spielzeug zu teilen und auch mal warten zu können, weil sich der Erzieher oder die Erzieherin gerade um ein anderes Kind kümmert.
Wenn Kindergarten und Grundschule gut vernetzt sind und sich austauschen, fördert das auf jeden Fall die Schulfähigkeit. Der Datenschutz schränkt diesen Austausch jedoch oft schnell ein.
Weiterhin ist mir aufgefallen, dass die Schulfähigkeitsuntersuchungen durch Personalmangel am Gesundheitsamt in den letzten Jahren immer später stattfanden und damit der Schule häufig wenig Zeit bleibt, um angemessen auf die ermittelten Befunde zu reagieren.
Außerdem kann ich aus eigener Erfahrung als Mutter sagen, dass unser Kinderarzt eine Überweisung zum Logopäden erst kurz vor der Einschulung ausgestellt hat, obwohl mein Kind trotz aller Bemühungen den Laut „k“ nicht bilden konnte.
Und dann ist endlich der erste Schultag.
Die Eltern haben vielleicht erst kurz vor der Einschulung erfahren, wer die erste Klasse übernehmen wird. Und auch der Lehrer oder die Lehrerin hat vielleicht erst in der Vorbereitungswoche mitgeteilt bekommen, dass er / sie im neuen Schuljahr für die Schulanfänger verantwortlich ist. Da kommt die Vorbereitung natürlich zu kurz.
Im Moment habe ich eine zweite Klasse und ich freue mich sehr, dass die Kinder inzwischen schon so viel gelernt haben. Wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten, sich austauschen, die Kinder fördern und fordern sowie Interessen und Talente erkennen und voranbringen, wird ein Schulstart besser gelingen. Die Bildung und Förderung unserer Kinder geht uns alle an und wir sind alle dafür verantwortlich.
Einladung der AG Kindergarten und Tagespflege |
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