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Update vom 09.03.2021

Runder Tisch „Bildung in der Pandemie“

Manche Idee hat man quasi über Nacht. Mein Eindruck war, dass zwar irgendwie alle reden - die einen mehr, die anderen weniger - vor allem aber nicht miteinander, um die jeweilige andere Perspektive zu verstehen. Da wäre es doch eine gute Idee, einen Runden Tisch zu installieren, das klingt vertraut und verlockend zugleich.

Symbolbild - Quelle: Canva Pro

Ich hatte dann am 14. Dezember 2020 Bildungsminister Helmut Holter den Vorschlag gemacht, noch im Dezember alle an Schule Beteiligten an einem Runden Tisch zu versammeln. Ziel sollte sein, über den 10. Januar 2021 hinaus bis zum Ende des Schuljahres gemeinsam zu überlegen, wie das Schuljahr gut zu Ende gebracht werden kann und was dazu notwendig ist. Das Kabinett hat dann am 5. Januar 2021 entschieden, die Idee des Runden Tisches aufzugreifen, allerdings nachdem die Euch bekannten Maßnahmen wie Verschiebung der Winterferien, Präsenzunterricht für Abschlussklassen längst entschieden waren.

Im Folgenden findet Ihr Kurzberichte über die bereits stattgefundenen Sitzungen.

Runder Tisch am 16.06.2021

Auf seiner Sitzung am 16. Juni 2021 hat der Runde Tisch das weitere Vorgehen beraten. Nachdem in vergangenen Monaten vor allem Maßnahmen zum Umgang mit der Corona-Pandemie im Fokus standen, soll nun der Blick auf das kommende Schuljahr gelenkt werden. Dabei sollen die praktischen Erfahrungen aus dem Schulalltag stärker einfließen. Aus diesem Grund stellt sich der Runde Tisch nun mit vier neuen Arbeitsgruppen breiter und praxisorientierter auf. Es geht um Unterrichtsentwicklung, Schulentwicklung, Krisenvorsorge und die Stärkung der Sprachentwicklung. Auch die Ergebnisse des Dialogs Schule 2030 werden in den Beratungen stärker berücksichtig. Der GEW Thüringen ist es gelungen, einige engagierte Lehrkräfte und Erzieher:innen für die Mitarbeit in den Arbeitsgruppen zu gewinnen. Wir wünschen ihnen viel Erfolg.

Der Runde Tisch am 29. Juni 2021 stand ganz im Fokus der Sprachentwicklung. Prof. Dr. Ada Sasse führte in die grundlegende Bedeutung der Sprachentwicklung ein. Der Grundstein wird zwar in den Familien gelegt, Kita und Schule müssen Sprachentwicklung jedoch aktiv unterstützen. Verstehendes Lesen, Deep Reading, muss immer wieder neu erlernt bzw. unterstützt werden. Kitas und Schulen sollten dabei nicht nur auf die Kinder und Jugendlichen schauen, sondern auch Eltern beraten, wie sie die Sprachentwicklung besser begleiten können. Lesekoffer, Bibliotheken, Begegnungen vor Ort können dabei ein wichtiger Baustein sein.

Runder Tisch am 09.03.2021

Es gibt sie also noch, die kleinen Überraschungen. Der Runde Tisch, der sich am 9. März 2021 zusammenfand, um über die Frage zu diskutieren, wie Schule mit aufgetretenen Lernrückständen im häuslichen Lernen umgehen kann, war ganz nach meinem Geschmack. Nicht, weil wir die eine und einzige Lösung gefunden hätten, sondern weil wir uns gewagt haben, Fragen in den Raum zu stellen.

Prof. Marcel Helbig, der vor einigen Wochen mit dem Vorschlag in die Öffentlichkeit trat, das laufende Schuljahr bis zu den Weihnachtsferien zu verlängern, gab beim Runden Tisch einen Impulsvortrag. Was ist der Ausgangspunkt bei der Betrachtung von Lernrückständen, so lautete seine Kernfrage. Orientieren wir uns an der vermeintlichen Norm, aller Schulstoff und alle Kompetenzen konnten gut vermittelt werden, dann liegen Lösungen wie freiwilliges Wiederholen des Schuljahres oder gewerbliche Nachhilfe auf der Hand. Zumindest letzteres lehnt Helbig ab, ich im Übrigen auch.

Anerkennen wir, dass dieses Schuljahr und das vorausgegangene kein übliches Schuljahr war und für alle Einschränkungen bedeutet haben, wird eine Forderung nach Wiederholung für alle eine Möglichkeit sein. Diese ist aber weder realistisch noch klug. Ein kompletter Jahrgang von Erstklässler:innen würde dann vor vollen Schulen stehen, weil es weder genügend Personal noch genügend Räume gebe, die rund 18.000 Kinder einzuschulen. Überhaupt hält Helbig nicht allzuviel davon, strukturelle Problem durch individuelle Behebung von Lernrückständen zu lösen. Lehrpläne ausmisten steht ohnehin auf der Tagesordnung, also Verlängerung des Schuljahres?

Nach dem Impuls entstand ein spannende Debatte, bei der sich das TMBJS in die neugierige Zuhörerrolle begab und damit viele Akteur:innen Raum erhielten, ihre Sicht, ihre Fragen, ihre Ideen zu diskutieren. Eine wichtige Botschaft einte alle: In dieser Zeit haben alle dazu gelernt, Lehrkräfte wie Schüler:innen, Erzieher:innen wie Eltern. Strukturelle Herausforderungen wie (Herkunfts-)Sprache und deren Erwerb, Ausstattung mit Breitband für digitalen Unterricht, Unterschiede in den Klassenstufen, Unterschiede in den Fächern und regionale Unterschiede (früher Lockdown, etc.) dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es vielen Schulen im zweiten Lockdown besser gelungen ist, ihre Schüler:innen zu erreichen und zugleich aber nicht verbergen, dass es mancherorts nicht gelungen, eine Unterrichtsinfrastruktur zu schaffen, die alle Kinder mitnehmen konnte. Wie groß die Verluste sind, wie groß die Lernrückstände liegt ebenso im Dunkeln wie der Umfang zusätzlich erworbener Kompetenzen. Sinnvoll wäre hier eine flächendeckende Studie, die aber wohl nicht umgesetzt werden kann. Das TMBJS plant jedoch eine zweite Befragung, um die Erfahrungen der Lehrkräfte zu erheben und daraus Empfehlungen abzuleiten.

Zeit für Bildung, dies war ein weiterer Konsens in dieser Runde. Ob es dabei um individuelle Zeit geht oder auch kollektiven Zeitgewinn durch Flexibilisierung des Stundenplans, stärker individualisierte Lernzeit für Schüler:innen: Vieles ist denkbar und machbar. So hat das TMBJS denn auch in Aussicht gestellt, ein Baukastensystem zu entwickeln, Mut für Freiräume zu schaffen und Schulen und Pädagog:innen als Expert:innen ihres Tuns zu bestärken.

Dies war der Beginn einer intensiven zur Frage des Umgangs mit Bildungs(un)gerechtigkeit und Wegen, diese im Sinne aller zu gestalten. Die Debatte wird weitergeführt werden. Gerne nehme auch ich Eure Erfahrungen auf und verweise an dieser Stelle auf unser Angebot der Vernetzung.

Der nächste Runde Tisch tagt voraussichtlich am 23. März 2021.


 

Runder Tisch am 18. Februar 2021

Am 18. Februar 2021 fand der dritte Runde Tisch zur „Bildung in der Pandemie“ statt. Als Schwerpunkt war vereinbart (und ursprünglich für den 16. Februar 2021 geplant), den Wiedereinstieg in den Schulbetrieb zu diskutieren. Zu unser aller Überraschung wurden aber mit dem Kabinettsbeschluss am 16. Februar 2021 Fakten geschaffen, die sich auch in der stattgefundenen Beratung nicht mehr ändern ließen.

Der Geschäftsführende Vorstand hatte daher diskutiert, ob die GEW Thüringen den Runden Tisch verlässt.

Weil es trotz und wegen der Brisanz darum geht, miteinander im Gespräch zu bleiben und es notwendig ist, über den Jetztmoment hinaus Perspektiven für eine sichere Schule zu entwickeln, wurde entschieden, dem TMBJS die Gelbe Karte zu zeigen. Das habe ich zu Beginn der Sitzung getan und noch einmal deutlich gemacht, dass der Runde Tisch keine Alibiveranstaltung für ministerielle Entscheidungen ist, sondern ein Beratungsgremium ist, dass einer Ideenwerkstatt gleich Vorschläge entwickelt, die in die Entscheidung des TMBJS einfließen müssen.

Für den nächsten Runden Tisch werden wir uns mit der Frage beschäftigen, wie Lernstandserhebung und Aufarbeiten von entstandenen Bildungsrückständen gelingen können. Dazu wird Prof. Marcel Helbig eingeladen, der mit seinem Vorstoß, das Schuljahr bis zu den Weihnachtsferien zu verlängern, zwar aus vielerlei Sicht keine perfekte Antwort zur Problematik gefunden hat, aber selbstverständlich viele zu klärende Fragen aufwirft. Ich hoffe sehr, dass wir an diesem Runden Tisch gemeinsam Ideen entwickeln, den Bildungsinteressen der Schüler:innen gerecht zu werden und dennoch die Belastungen für die Lehrkräfte und Erzieher:innen nicht noch weiter ausufern zu lassen.

Runder Tisch am 25. Januar 2021

Die behandelten Themenkomplexe waren Digitalisierung und Schutzmaßnahmen.

Zur Digitalisierung

Ausführlich berichteten Vertreter des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) über den Stand der verschiedenen Bestandteile des Digitalpaktes. Soweit so gut. Offenbar das meiste im Plan, vieles auf den Weg gebracht. Schwierigkeiten bereiten offenbar Lieferengpässe, so dass die Beschaffung länger dauert als erwartet. Alles gut also? Nein.

Die technische Ausstattung der Schüler*innen wird zunehmend zum Problem. Digitale Angebote von Schulen haben nämlich nur dann eine Chance auf Akzeptanz, wenn sie alle erreichen. Manch Schulleiter*in steigt aus diesem Grund nicht ins digitale Lernen ein, weil die Schere zwischen denen, die teilnehmen können und denen, die keine Chance dazu haben, nicht noch größer werden soll. Das ist gerecht, geht aber derzeit an den Bedürfnissen einer intensiven Betreuung im häuslichen Lernen vorbei.

Die Nachfrage, ob es hier andere Wege gäbe, wurde zunächst abgewiegelt, nach nochmaliger Verstärkung durch die Landeselternvertreterin und einer Schulleiterin zumindest ernster genommen. Eine Lösung haben wir leider nicht gefunden, aber vielleicht einen Stein ins Rollen gebracht.

Ein Problem bleibt die nach wie restriktive Haltung des Landesdatenschutzbeauftragten. Zwar haben die Schulen mittlerweile eine Übersicht, welche Tools als datenschutzkonform gelten, zugleich wurden ihnen aber auch etablierte Tools genommen. Das TMBJS hat zugesichert, proaktiv auf den Landesdatenschutzbeauftragten zuzugehen, um selbstverständlich sichere, aber nicht unnötig komplizierte Lösungen zu finden. Hinweise zur Weiterentwicklung der Thüringer Schulcloud wurden aufgenommen.

Über die Schutzmaßnahmen, die ab dem 1. Februar 2021 gelten, wurde ebenfalls ausführlich informiert.

Dass die Lehrkräfte durch das TMBJS mit FFP2-Schutzmasken versorgt werden, ist ein wichtiges Signal. Allerdings blieb offen, inwieweit angesichts der Maskenpflicht im ÖPNV und in den Schulen ab der Klassenstufe 7 auch die Kostenübernahme für Schüler*innen geplant ist. Nach einer eindringlichen Bitte des Bildungsministeriums haben sich tlv, die Landeseltern- und Landesschülervertretung sowie GEW und Evangelische Schulstiftung als Vertreterin der Schulen in freier Trägerschaft verständigt, einen gemeinsamen Aufruf zum Teilnahme an den wöchentlichen Schnelltests verabredet. Dieser Appell wird Ende dieser Woche erscheinen. 

Nächste Themen

Für den nächsten Runden Tisch haben wir uns darauf verständigt, den Stufenplan des TMBJS von links nach rechts zu bürsten und vom Kopf auf die Füße zu stellen. Geprüft werden soll, welche Maßnahmen funktioniert haben, aber vielleicht noch besser sein könnten und was ergänzt werden muss, um Schule unter Pandemiebedingungen sicher zu gestalten. Das wird mit Sicherheit eine spannende Diskussion.

Runder Tisch am 14. Januar 2021

Auftakt und Themensammlung

Am 14. Januar 2021 trat der Runde Tisch, selbstverständlich als Videokonferenz, erstmals zusammen. Zum TN-Kreis gehören Schulleitungen der Schularten Grundschulen, Sekundarstufe I, Sekundarstufe II, Berufsbildende Schule; je eine Vertretung der Staatlichen Schulämter, der Studienseminare, Landeseltern- und Landesschülervertretung, HPR; ThILLM, Thüringer Landkreistag, Gemeinde- und Städtebund, Freie Schulen, GEW, tlv sowie Vertreter*innen des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS).

Für mich weist dieses Format, und darin waren sich die Teilnehmer*innen auch einig, über die aktuelle Tagespolitik hinaus. Wir wollen in diesem Format eine gewisse Planbar- und Verlässlichkeit herstellen, die es aufgrund der Krisenbewältigung nur bedingt geben kann. Es soll darum gehen, auch mal eine unkonventionelle Idee aufzugreifen und aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Der Fokus liegt darauf, was kann gehen und was möglich ist. Es soll nicht drum gehen, was alles gar nicht geht und schon gar nicht um die Klärung individueller Fragen.

Wir haben neben einer Vereinbarung zu unserer Arbeitsweise und unseren Zielen eine umfangreiche Themensammlung angelegt und einige Themen zugleich intensiver erörtert.

Aktuelle Themen

Die Themenschwerpunkte des ersten Treffens waren Prüfungen und häusliches Lernen. Neben den Plänen, die das TMBJS recht ausführlich vorgestellt hat, konnten alle Beteiligten noch Hinweise und Wünsche formulieren.

Hinsichtlich der Prüfungen können wir davon ausgehen, dass die Abmilderungsverordnung der vom Sommer 2020 gleicht. Unterhalb der Verordnungsebene werden die Wahlmöglichkeiten der Schulen und der Schüler*innen erhöht, da insgesamt viel weniger regulärer Unterrichtsstoff vermittelt werden konnte als noch im vergangenen Schuljahr, aber auch die Anpassung der Bewertungsmaßstäbe soll möglich sein.

Ein Hinweis zur Fremdsprachenproblematik bei Schüler*innen nichtdeutscher Herkunftssprache wurde aufgenommen.

Die Prüfungsproblematik an den BBS haben wir ebenfalls diskutiert. Einerseits wird dazu noch im Landesausschuss Berufsbildung beraten. Andererseits habe ich angeboten, über den DGB Druck auf die Kammern zu organisieren, dass sie sich bewegen. Dazu werde ich mit Dr. Hess und Herrn Effler telefonieren.

Zum Häuslichen Lernen fand ich insbesondere den Wunsch der Landeselternvertretung interessant: Sie wünschen sich eine stärkere Struktur des Alltags und einen gemeinsamen Schulstart, weil es einigen Eltern wohl nicht gelingt, die sonst funktionierende Struktur für ihre Kinder in dieser Zeit aufrechtzuerhalten. Hier würde mich interessieren: Welche Erfahrungen macht Ihr bei dieser Thematik? Schreibt mir gern per E-Mail an kathrin.vitzthum(at)gew-thueringen(dot)de

Die Handreichung des TMBJS zum Häuslichen Lernen wird beständig weiterentwickelt, Angebote von Bildungsfernsehen werden aufgenommen. Auch die Folgen des anderen Lernens für die Arbeitszeit der Lehrkräfte wird in den Blick genommen, hier müsste der Hauptpersonalrat (HPR) auf Änderungen der Lehrerdienstordnung achten.

Anstehende Treffen und Themen

Wir haben vereinbart, dass wir uns etwa alle 14 Tage treffen, einen konkreten nächsten Termin haben wir aber bisher nicht vereinbart. Die oben erwähnte Themenfülle signalisiert, dass es wohl „Nebentische“ geben wird, an denen ggf. auch andere Akteure zu beteiligen sind. Darüber informiere ich, sobald ich Genaueres weiß.

Für den nächsten Termin wurden die Themen Digitalisierung (u. a. mit einem Auftrag an einen Bericht über den Sachstand durch die Schulträger) und besserer Schutz von Schüler*innen, Lehrkräften und Erzieher*innen vereinbart.

Zusammenfassung

Der Runde Tisch soll mehr sein als ein aktueller Problemlöser. Schule hat sich unter Corona verändert, verändern müssen. Aber auch der Blick auf das, was Schule leisten soll, welchen Wert Bildung hat, hat sich verändert. Dies gilt es jetzt zu nutzen, um ein nachhaltiges und gutes Bildungssystem zu entwickeln, dass auch in Krisenzeiten trägt. Insofern hoffe ich, dass es auch nächtlichen Ideen gelingt, bei Tageslicht ihre kreative Kraft zu entfalten.

Kontakt
Kathrin Vitzthum
Landesvorsitzende
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
Telefon:  0361 590 95 12 (Sekretariat)