Workshops für Lehrkräfte an Thüringer Schulen
Resiliente demokratische Schulen in Thüringen in Zeiten autoritärer Versuchungen
Über das Themenfeld Schule versuchen autoritär-populistische Parteien sich nicht nur im Wahlkampf zu profilieren. Auch im Falle eines Wahlerfolgs verfügen sie hier auf Landesebene besonders weiten Gestaltungsspielraum. In Workshops mit dem Verfassungsblog hat die GEW Thüringen vor diesem Hintergrund mit Lehrkräften bearbeitet, welche Strategien in einem solchen Szenario antizipiert werden können und welche juristischen und pädagogischen Handlungsspielräume Bestand haben.
Mit dem Landtagswahlkampf am Horizont und der Erfahrung der Kommunal- und Europawahlen im Rücken wurden im Frühsommer Workshops durchgeführt, die sich mit der Frage auseinandersetzen: „Was wäre, wenn eine autoritär-populistische Partei den bzw. die Bildungsminister:in stellt?“. Das Angebot ist ein Ergebnis einer Kooperation des Landesverbands der GEW mit dem ‚Thüringen Projekt‘ des Fachforums für Verfassungsrecht ‚Verfassungsblog‘. Das ‚Thüringen Projekt‘ hat sich zur Aufgabe gemacht, für verschiedene Politikfelder herauszuarbeiten, was passieren könnte, wenn autoritärpopulistische Parteien in einem Bundesland staatliche Machtmittel in die Hand bekämen. Herausgekommen sind politisch und juristisch plausible Szenarien, die nun in Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit vermittelt werden.(1)
Sorgen der Lehrkräfte
Bevor diese Szenarien für das Themenfeld Schule im Workshop anhand von praktischen Alltagsbeispielen bearbeitet wurden, schilderten die teilnehmenden Kolleg:innen zunächst, welche Sorgen sie hierzu umtreiben. Diese reichten von Unsicherheit über die Zukunft ihrer SchülerInnen bis hin zu ihrer Position in der Schule. Eine Kollegin führte etwa an:
„Meine Schüler:innen sind ohnehin schon durch ihren Inklusionsgrad marginalisiert, häufig mehrfach – was passiert mit ihnen?“.
Eine andere formulierte:
„Ich mache mir Sorgen, dass ich an meiner Schule isoliert werden könnte – von einzelnen Elternteilen, beliebten Schülern oder bestimmten Kollegen“.
Gleichzeitig wurden in den offenen Gesprächsrunden auch stärkende Eindrücke geteilt, etwa dass im Kollegium Veränderungen spürbar seien, in Folge der großen bundesweiten Demokratiedemonstrationen im Frühjahr und herausfordernde Situationen mit Schüler:innen und Elternteilen nun klarer begegnet würden.
Die anschließende Arbeit an den Szenarien führte nicht nur zu konstruktiven Beratungssituationen unter den Teilnehmenden, sondern zeigte auch auf, dass der Rückhalt durch den eigenen Berufsstand stärkend wirkt: „Ich weiß, ich bin nicht allein, ich kann auf euch zählen“ äußerte ein Teilnehmer am Ende der drei Stunden.
Gleichzeitig wurden auch Entwicklungsbedarfe deutlich.
Durch den steigenden Rechtfertigungsdruck von außen steige die Bedeutung didaktischer, pädagogischer und fachwissenschaftlicher Begründungssicherheit in der konkreten Auseinandersetzung mit Elternteilen und Schüler:innen – um die Entscheidungen über die demokratisch, wissenschaftlich und didaktisch verankerte Auswahl und Aufbereitung von Unterrichtsinhalten auch bei sich verändernden Lehrplanvorgaben mit inhaltlicher und kommunikativer Klarheit und in pädagogischer Verbundenheit abzusichern. Insbesondere für Themen wie Gesprächsführung und -vorbereitung sowie Rollen- und Handlungssicherheit in eskalationsbedrohten Momenten mit Schülern und Eltern wurden Fortbildungsbedarfe artikuliert. Aber auch die Verfügungsstellung von unterrichtspraktischen Hilfestellungen für von autoritär-populistischen Parteien marginalisierten Themen, etwa durch Fachgesellschaften oder Verlage, stießen auf Nachfrage.
Daneben wurde aber auch auf organisatorischer Ebene Unterstützungsbedarfe ausgetauscht: Der einfache und flächendeckende Zugang zu Rechtsberatung für das pädagogische Personal, ebenso wie für betroffene Elternteile und Schüler:innen, die Stärkung von Schulleitungen als Nadelöhr zischen Schulverwaltung und Kollegium und auch die Bedeutung von ‚Kräftebecken“, die durch Vernetzungsarbeit schulformen- und -arten übergreifend entstünden. Gewerkschaften, hierin waren sich die Teilnehmenden einig, können hierfür wertvolle Partner:innen sein.
1 - Gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) und HausEins wurden die Ergebnisse des Verfassunsblogs in dem Podcast „Thüringen 2024- Was wäre wenn…?“ aufgearbeitet. Nachzuhören bei allen einschlägigen Podcast-Anbietern.
07743 Jena