Es ist geschafft! Der Masterabschluss ist in der Tasche. Neben anderen Optionen besteht jetzt die Chance auf eine akademische Laufbahn. Dafür ist die Doktorarbeit der nächste Schritt. Promovieren
ist in Deutschland aktuell nur an Universitäten möglich. In Thüringen sind das die Friedrich-Schiller-Universität Jena, die TU Ilmenau, die Bauhaus-Universität Weimar, die Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar und die Universität Erfurt. In Thüringen promovieren momentan rund 4.000 Menschen – Tendenz steigend –, etwa ein Drittel von ihnen ist weiblich. Studierende, die ihren Masterabschluss an einer Fachhochschule erworben haben, sind grundsätzlich denen mit Abschluss an einer
Universität gleichgestellt. Teilweise ist es nötig, zusätzliche Leistungen zu erbringen, um zur
Promotion an einer Universität zugelassen zu werden, wenn diese als promotionsrelevant erachtet werden.
Motiviert promovieren
Neben der Zulassung zur Promotion ist jedoch entscheidend, unter welchen Bedingungen die Promotion durchgeführt werden soll. Die Rahmenbedingungen des Promovierens sind stark abhängig vom Fach, dessen Kultur und weiteren Faktoren. Darum sind folgende verallgemeinernde Aussagen
als Orientierung in einem immer wieder sehr individuellen Prozess zu lesen.
Meist ergibt sich ein Promotionsvorhaben aus der Abschlussarbeit oder man bewirbt sich, insbesondere im naturwissenschaftlichen Bereich, auf eine der zahlreichen Ausschreibungen eines Interessengebietes. Wichtig, um die Jahre der Promotion motiviert durchzustehen, ist das Wissen über Ziel und Zweck der eigenen Forschung. Ist man sich sicher, sie oder er möchte promovieren und hat ihr/sein Thema gefunden, stellen sich Fragen nach einer geeigneten Betreuung und Finanzierung. Betreuende sollten dabei nicht nur fachlich bei der Erarbeitung der Promotion unterstützen können,
sondern auch in die wissenschaftlichen Netzwerke einführen, Hinweise auf geeignete Veranstaltungen, wie Tagungen oder Konferenzen geben können oder auf Ausschreibungen für die eigene Finanzierung oder Literatur hinweisen.
Promovieren finanzieren
Finanzierungsmöglichkeiten lassen sich in folgende Gruppen einteilen:
• (Qualifikations-)Stellen, finanziert aus Haushaltsmitteln der Universität/Forschungseinrichtung oder aus Drittmitteln (Mittel aus Privatwirtschaft und öffentlicher Forschungsförderung),
• Stipendien einer Stiftung oder Forschungseinrichtung,
• private Finanzierung (Lohnarbeit ohne Qualifikationsstelle),
geringfügige Beschäftigung (nicht sozialversicherungspflichtig!) z. B. als wissenschaftliche Hilfskraft und
nicht selten, insbesondere in der letzten Phase der Promotion,auch durch Transferleistungen.
Diese Finanzierungsoptionen unterscheiden sich hinsichtlich der Höhe der monatlichen Bezüge sowie der (Sozial-) Versicherungsabgaben. Während Angestellte, egal ob haushalts- oder drittmittelfinanziert, auf sozialversicherungspflichtigen Stellen in der Regel über den/die ArbeitgeberIn sozialversichert sind, zahlen StipendiatInnen nicht in die Sozialkassen ein. Zudem gibt es für StipendiatInnen keine eindeutige Regelung im Sozialgesetzbuch, wie sich ihr Krankenkassenbeitrag bemisst. Zahlreiche juristische Klagen dazu klärte das Bundessozialgericht 2013 und entschied: Der Stipendiengrundbetrag (ohne Forschungsmittel) diene der Absicherung des Lebensunterhalts und darf damit von der Krankenkasse für die Beitragsberechnung herangezogen werden. Bei einem Stipendium von rund
1.050 Euro monatlich würde der Beitrag aktuell rund 180 Euro im Monat betragen. Hier braucht es eine gerechtere Regelung der Sozialversicherungsgrundlagen und die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch die StipendiengeberInnen. Prinzipiell sollte aber, wie im Herrschinger
Kodex der GEW gefordert, immer ein sozialversicherungspflichtiges und tarifrechtlich geregeltes Beschäftigungsverhältnis präferiert werden.
Zudem unterscheidet sich der Umfang von Qualifikationsstellen teilweise eklatant. Nicht selten haben Promovierende in den Geistes- und Sozialwissenschaften Teilzeitverträge mit weniger als 50 % Stellenumfang. Hingegen können Promovierende in den Ingenieurwissenschaften auch mit Vollbeschäftigung rechnen. Auch innerhalb eines Institutes kommt es zu teilweise paradoxen Situationen: DoktorandInnen mit gleichen Qualifikationen und ähnlichen (Labor-)Tätigkeiten gehen mit einem Einkommensunterschied von rund 300 Euro nach Hause, da eine Person auf einer 50 %-Haushaltsstelle (inkl. Lehre) tätig ist und die andere mit 65 % Wochenarbeitszeit aus Drittmitteln
finanziert wird. Die Dauer der Finanzierung durch Stipendien oder befristete Stellen steht zudem häufig der realen durchschnittlichen Promotionsdauer um einige Jahre nach. Daher sollte auf eine gute (Zeit-)Planung geachtet werden. Promovierende stehen insbesondere in der letzten Phase ihrer Promotion vor einem erneuten Finanzierungsproblem und dem damit verbundenen Stress. Eine Anpassung der Finanzierungsdauer an die Realität und damit die finanzielle Absicherung der Promovierenden ist hier zwingend notwendig. Zudem fehlen oft Sicherheiten für Schwangerschaft, Promovieren mit Kind und den Krankheitsfall, um die Promotion dennoch erfolgreich beenden zu können.
Betreuen ohne Abhängigkeit?
Im Laufe der Promotion offenbart sich häufig ein weiteres schwerwiegendes Problem: das Verhältnis zu den Betreuenden. Dabei spielen Erreichbarkeit, Ansprechbarkeit, Interesse am Thema des/der jeweils Anderen eine wichtige Rolle für das Gelingen. Formal gibt es seit mehreren Jahren, auch in den Promotionsordnungen verankerte, Betreuungsvereinbarungen zwischen Promovierenden
und Betreuenden, die gegenseitige Rechte und Pflichten dokumentieren. Deren Ausgestaltung und Umfang ist meist an einem Minimum orientiert, kann aber durchaus erweitert werden. Leider haben diese Dokumente bisher keinen rechtsverbindlichen Charakter und dienen lediglich als Mittel der Verständigung und als Appell. Eine rechtliche Verbindlichkeit dieser gegenseitigen Vereinbarungen
wäre jedoch insbesondere zur Absicherung der abhängigen Promovierenden für den Fall notwendig, dass sich das wohlwollende BetreuerInnen-Promovierenden-Verhältnis zu einem weniger guten Verhältnis wandelt.
Diese Abhängigkeit der Promovierenden vom Betreuenden ist zudem häufig nicht nur eine wissenschaftliche. Je nach Promotionsform ist der Betreuende auch fachlicher und arbeitsrechtlicher Vorgesetzter, bewertet maßgeblich die Arbeit und entscheidet so über das Gelingen der Doktorarbeit.
Unabhängig vom oft mangelnden Wissen über die eigenen Rechte sorgt eine solche Abhängigkeit auf Seiten der Promovierenden für Nicht-Inanspruchnahme der eigenen Rechte aus Angst vor negativen Auswirkungen. Fächerübergreifende Graduiertenzentren, in denen Austausch, Vernetzung und Qualifizierung von Promovierenden auch hinsichtlich ihrer Rechte stattfinden können, sind hier ein erster Schritt, der auch die Möglichkeiten zur Selbstorganisation von Promovierenden und Mitbestimmung durch Promovierende bietet.
Lysett Wagner & Cindy Salzwedel