Zum Inhalt springen

Hintergrund

Wie die neue Schulordnung zu berechtigtem Ärger bei den SPF führt

Woher kommt der Ärger der SPF und was hat das mit Corona, Gutachten, ungleicher Anerkennung bei gleichen Aufgaben und der neuen Schulordnung zu tun?

Symboldbild - Quelle: Canva Pro

Das Thüringer Schulgesetz (ThürSchulG) wurde im Jahr 2019 umfassend geändert. Das bedeutet, dass auch die Thüringer Schulordnung (ThürSchulO) geändert werden muss, denn sie beschreibt Einzelheiten, wo das Schulgesetz nur den großen Rahmen setzt. Da zum 01.08.2020 die meisten Neuerungen des Schulgesetzes in Kraft traten, war klar, dass die dazu gehörige Novellierung der Schulordnung auch sehr umfangreich werden würde.

Der Vorlauf war nur scheinbar großzügig.

Am 19.12.2019 erging an die GEW Thüringen als eine der Anzuhörenden die Aufforderung, schriftlich zu den Vorschlägen des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) Stellung zu nehmen. Bis zum 14.02.2020 hatten wir dazu Zeit. Eine solche Zeitspanne ist im Vergleich zu den üblichen acht Wochen sehr kurz bemessen, denn Weihnachten nahm uns da-von ca. zwei Wochen. Wir wollten aber nicht nur die Gremien wie den Landesvorstand oder den Geschäftsführenden Vorstand beteiligen, sondern auch innerhalb des Referates allgemein- und berufsbildende Schulen mit den Betroffenen selbst reden und dazu bedurfte es einer Reihe von verschiedenen Terminen. Um sinnvoll über einen solch umfangreichen Entwurf diskutieren zu können, muss er vorher gesichtet und für einzelne Themen bzw. Gruppen aufbereitet werden. Durch die Feiertage, in denen die Kolleginnen und Kollegen in ihrem wohlverdienten Urlaub waren, verkürzte sich die Zeit also merklich.

Schnell war klar, dass ein Punkt, an dem sich Einiges ändern sollte, obwohl das aufgrund des novellierten Schulgesetzes nicht nötig gewesen wäre, die Aufgaben von Sonderpädagogischen Fachkräften (SPF) war. Für uns ein „No Go!“ und so sahen es auch mehrheitlich die Kolleg*innen, die unser Angebot zur Diskussion über den Entwurf der Schulordnung im Januar 2020 wahrgenommen haben. Wobei zur Wahrheit gehört, dass die Gruppe der SPF selbst sehr unterschiedlich in ihrer Ausbildung ist und daher auch sehr verschiedene Meinungen hat, was sie tun kann und will.

Und dann kam Corona ...

Was daher nicht bzw. nicht rechtzeitig kam, war der Schulordnungsentwurf in den Landtag, so dass der Bildungsausschuss sich damit befassen konnte. Eigentlich hätte die Schulordnung zum 01.08.2020 veröffentlicht sein sollen, ab September gab es auf den Seiten des TMBJS zumindest eine vorläufige nichtamtliche Lesefassung. Es wusste aber niemand, ob der Bildungsausschuss des Landtages nicht doch noch Änderungen anmahnen würde. Warum gab es denn dann diese vorläufige Fassung? Weil die Schulordnung in ihrer Geltung so rückdatiert werden sollte, dass sie eigentlich bereits am 01.08.2020 gegolten haben sollte. Was dann auch geschah, wenngleich sie erst am 29.10.2020 im Gesetz- und Verordnungblatt veröffentlicht wurde1. Aber die Schulleitungen mussten ja wissen, was ihre Kollegien eigentlich schon zu Beginn des Schuljahres hätten umsetzen sollen.

Warum die SPF wütend sind

Im Schulgesetz wurden das Schulgesetz für die allgemeinbildenden Schulen und das Förderschulgesetz zusammengelegt. Das spiegelt sich auch in der novellierten Schulordnung wider. Aber warum sind die SPF so empört über diese neue Schulordnung?

Besondere Schuld daran haben § 29 und § 29a der ThürSchulO. Dort wurden die Aufgaben der Lehrer*innen für Förderpädagogik (§ 29) und die Aufgaben für SPF (§ 29a) niedergeschrieben. Beide sind für die Beratung, Unterstützung und Information der Lehrer*innen, Eltern und Erzieher*innen zu Fragen der sonderpädagogischen Förderung da. Sie unterscheiden sich z. B. darin, dass Lehrer*innen für Förderpädagogik eigenständigen Unterricht geben und SPF Teile der Grundpflege in Erfüllung ihres pädagogischen Auftrags erfüllen müssen. Neu ist aber, dass beide sonderpädagogische Gutachten weiter fortschreiben und Abschlussgutachten erstellen sollen. Diese Aufgabe ist bisher den Lehrer*innen für Förderpädagogik vorbehalten.

Diese Gutachten müssen gerichtsfest sein, wie der Fachterminus heißt, man muss also wissen, wie diese Gutachtenfortschreibung zu geschehen hat (das Erstgutachten wird durch den Mobilen Sonderpädagogischen Dienst erstellt, daher „Fortschreibung“). Für Lehrer*innen ist dieses Wissen ein Teil des Studiums und ihres Vorbereitungsdienstes. Aufgrund ihres Abschlusses sind sie in E13 oder A13 eingruppiert und haben eine bestimmte Pflichtstundenanzahl zu leisten. Wie bei anderen Lehrer*innen wird dabei davon ausgegangen, dass diese Pflichtstundenzahl so bemessen ist, dass sie im Rahmen ihrer vollen Arbeitswoche Zeit für die Aufgaben haben, die sie als Lehrer*innen über den reinen Unterricht hinaus tun müssen, z. B. bei Lehrer*innen für Förderpädagogik die Fortschreibung von Gutachten sowie Abschlussgutachten. SPF haben verschiedene Ausbildungen.2 Daher sind sie in der Regel in die E 9 eingruppiert. Sie haben im Rahmen einer normalen 40-Stunden-(oder entsprechenden Teilzeit-)Woche eine hohe Anzahl von Fördermaßen zu absolvieren. Aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer Erfahrungen haben sie bereits bisher Zuarbeiten zur Gutachtenfortschreibung und für Abschlussgutachten gemacht, die Verantwortung und die Letztredaktion trugen die Lehrer*innen für Förderpädagogik.

Gleiche Aufgaben, aber nicht die gleiche Anerkennung

Nun heißt es für Teile der Aufgaben von SPF und Lehrer*innen für Förderpädagogik: deutlich unterschiedliche Bezahlung für gleiche Arbeit, unterschiedliche Bemessung der Arbeitszeit für gleiche Aufgaben.

Wir als GEW Thüringen hatten das bereits in unserer Stellungnahme im Februar 2020 abgelehnt. Sollte das TMBJS bei dieser Aufgabenverteilung bleiben, dann sollte es mit der Umsetzung eine Anerkennung der neuen Aufgaben für die SPF geben, so unsere Meinung:

  • Weniger Fördermaßnahmen, wenn Gutachten geschrieben werden!
  • Zeitguthaben für Überstunden, Sabbatical oder für den vor-zeitigen Ruhestand!
  • Einen monetären Ausgleich für die neuen Tätigkeiten!

Vieles wäre denk- und diskutierbar gewesen. Gekommen ist bisher: nichts. Das macht SPF wütend.

Was sich auch noch änderte

Die Einbeziehung der früheren Förderschulordnung und die Aufgabenbeschreibung von SPF sind nicht die einzigen Änderungen in der Schulordnung, einige seien hier genannt:

  • Zum Thema Schulhorte gibt es jetzt ausführlichere Anweisungen.
  • Das Thema sonderpädagogische Ferienbetreuung wirft für SPF Fragen auf, da die sonderpädagogische Ferienbetreuung auch an Schulhorten (und nicht nur an Förderschulen) angeboten werden kann und von SPF zu leisten ist. Resultieren daraus weitere Anforderungen und Aufgaben für SPF?
  • Beim Erwerb des Realschulabschlusses gibt es neue Regelungen.
  • Die Termine und Modalitäten bei Einschulung und Übergang in weiterführende Schulen wurden an-gepasst, z. B. zur Laufbahnempfehlung.
  • Die Erhebung von (Schüler*innen-)Daten wurde umfangreich angepasst, ebenso die Aussagen zum Datenschutz.
  • Die Regelungen zu Internaten wurden überarbeitet.

Wie es weitergeht

Zum Schuljahr 2021/2022 treten die letzten Änderungen des Schulgesetzes in Kraft. Das bedeutet, dass auch die Schulordnung noch einmal novelliert werden muss. Diese Änderungen müssten zum 01.08.2021 in Kraft treten. Ob aufgrund der Coronapandemie und der (vermutlichen) Landtagswahlen in Thüringen tatsächlich zu diesem Zeitpunkt schon klar ist, wie die Schulordnung endgültig aussieht, steht in den Sternen.

Nicht himmlisch, sondern real ist aber, dass wir im Frühjahr 2021 jede Gelegenheit nutzen müssen und werden, auf die oben angesprochenen Probleme aufmerksam zu machen. Jede SPF sollte dann dabei sein und für sich eintreten, wie es bereits jetzt viele Kolleg*innen tun.

Kontakt
Marlis Bremisch
Referentin für Bildung und Gewerkschaftliche Bildungsarbeit
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
Telefon:  0361 590 95 21