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Was die Novelle des Thüringer Hochschulgesetzes für Lehrbeauftragte bringen muss

Lehrbeauftragte stehen derzeit nach § 86 Abs. 2 Thüringer Hochschulgesetz (ThürHG) zum Land in einem „öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis eigener Art“. Die Eigentümlichkeit dieses Rechtsverhältnisses enteignet einen Großteil der Betroffenen nicht nur des ihnen für ihre Arbeit zustehenden Geldes, sondern auch wesentlicher Rechte, die ihren hauptberuflichen Kolleg*innen zustehen. Die geplante Novelle des ThürHG sollte für die Lehrbeauftragten folgende Verbesserungen bringen:

  • Deutlich mehr als den Mindestlohn: Im Durchschnitt erhalten Lehrbeauftragte in Thüringen für eine Lehrveranstaltungsstunde (LVS) mit 24 EUR pro Unterrichtsstunde nicht einmal ein Drittel dessen, was ihre Kolleg*innen nach Hause tragen.1 Bezahlt wird nur die Unterrichtszeit, nicht aber 
  1. die zugehörige Vor- und Nachbereitung,
  2. die Beratung von Studierenden,
  3. die Prüfungen, und
  4. die organisatorischen Aufgaben.

Da diese unbezahlten Tätigkeiten bei realistischer Betrachtung mit mindestens doppelt soviel Zeit zu Buche schlagen wie der eigentliche Unterricht, ergibt sich ein Stundenlohn von höchstens 8 EUR. Geregelt wird diese Vergütung derzeit durch eine Verwaltungsvorschrift2, die den Universitäten eine Marge von 16 bis 55 EUR als Rahmen vorgibt. Lediglich in „Fächern, in denen ein angemessenes Lehrangebot auf andere Weise nicht sichergestellt werden kann“, nähert sich der Betrag mit 66 EUR dem, was wissenschaftliche Mitarbeiter*innen oder Lehrkräfte für besondere Aufgaben pro LVS erhalten, und die Vorschrift tut alles dafür, dass dieser Höchstsatz wirklich nur in Ausnahmefällen gezahlt wird. Der willkürlichen Setzung von Dumpingpreisen muss Einhalt geboten werden und die Vergütung von Lehraufträgen ist an die Bezahlung des hauptberuflichen Personals (E 13 TV-L) zu koppeln.

  • Ausstattung mit Arbeitsmitteln: Während angestellte Mitarbeiter* innen ihre Arbeitsmittel sowie Büros von den Hochschulen zur Verfügung gestellt bekommen, tragen die Lehrbeauftragten die Kosten für ihre Arbeitsmaterial, Rechentechnik und Kommunikation selbst. Auch hier sind die Hochschulen und das Land in die Pflicht zu nehmen.

  • Soziale Sicherung: Die meisten Lehraufträge werden lediglich für ein Semester erteilt, wodurch Planungssicherheit für die Betroffenen zum Fremdwort wird. Einen Anspruch auf ALG I können Lehrbeauftragte selbstredend nicht erwerben und ihre Renten- und Krankenversicherung tragen sie selbst. Diejenigen Lehraufträge, die regelmäßig immer wieder vergeben werden müssen, sind in (Teilzeit-)Stellen umzuwandeln.

  • Vertretung durch den Personalrat: Die eigene Art des Rechtsverhältnisses verhindert auch die Vertretung von Lehrbeauftragten durch den Personalrat. Die einzige Ausnahme bildet Nordrhein-Westfalen. Dort ist der Personalrat zuständig, wenn Lehrbeauftragte mindestens vier LVS unterrichten.3 Werden sie länger als sechs Monate beschäftigt, haben sie zudem das aktive und passive Wahlrecht.4 Die Vierstunden-Regelung hat freilich einen Schönheitsfehler: Die Mehrzahl aller Lehrveranstaltungen ist zweistündig. Damit fallen alle Lehrbeauftragten heraus, die mehr oder minder regelmäßig nur ein einziges Seminar anbieten. Die Vertretung durch den Personalrat sollte also unabhängig von der Stundenzahl von Anfang an und die Wahlberechtigung nach sechs Monaten gewährleistet sein.

  • Sitze in den Gremien der universitären Selbstverwaltung: Auch in den Fakultäts- bzw. Fachbereichsräten und im Senat haben Lehrbeauftragte weder Sitz noch Stimme, da sie lediglich als Angehörige, nicht aber als Mitglieder der Hochschulen gelten. Dies ist vielleicht der wichtigste Nachteil, den der Missbrauch der Konstruktion Lehrauftrag mit sich bringt. Die unter Punkt 1 bis 4 gelisteten Zumutungen hätten wohl kaum so lange überdauert, hätten die Betroffenen in den über sie entscheidenden universitären Gremien ein Rederecht. Es wird in diesem Zusammenhang übrigens nicht ausreichen, die Lehrbeauftragten einfach den derzeitigen Vertreter*innen des Mittelbaus zuzuordnen. Der „Mittelbau“ ist zu heterogen, als dass die wenigen Personen in den Gremien ihn angemessen vertreten könnten. Sie müssen personell verstärkt werden, damit die unterschiedlichen Interessen wenigstens in die Diskussion einfließen können. Solange es bei der gesetzlich geforderten Stimmenmehrheit der Professor*innen bleibt, muss eine angemessene Vertretung aller „Mittelbauler*innen“ eben anders als über die Anzahl der Personen sichergestellt werden.

 

1 Zu den Zahlen vgl. tz 05/14 und hier.

2 Amtsblatt des TMBWK Nr. 7/2010 vom 23.07.2010, S. 214

3 Vgl. § 5, Abs. 4 LPVG NRW., 4 Vgl. §§ 11 u. 12 LPVG NRW

Ursula Renziehausen-Espelage © Universität Erfurt