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Fünf Jahre rot-rot-grüne Hochschulpolitik

Vieles wurde erreicht – und Einiges nicht geschafft

2014 wurde den Beschäftigten und Studierenden der Thüringer Hochschulen im Koalitionsvertrag viel versprochen. Inwiefern wurden diese Versprechen gehalten? Wo gibt es noch Nachholbedarf. Eine kritische Auseinandersetzung mit 5 Jahren rot-rot-grüner Hochschulpolitik in Thüringen.

Quelle: pixabay - CC3 - Gerd Altmann

Wenn man in einigen Jahren mit zeitlichem Abstand auf die Jahre 2014 bis 2019 zurückblicken wird, dann werden – auch ohne nostalgische Verklärung – sicherlich viele positive Aspekte in Erinnerung geblieben sein:

  1. Die den Hochschulen zur Verfügung gestellten Landesmittel sind erstmalig über einen längeren Zeitraum um kontinuierlich vier Prozent jährlich gestiegen. Die Planungen der Vorgängerregierung diesbezüglich sind konsequent umgesetzt worden, ohne dass eine Finanzministerin ein Veto eingelegt hat bzw. eine „Notstandsklausel“ gezogen hat. Die Thüringer Hochschulen haben eine nie dagewesene Planungs- und Finanzierungssicherheit erhalten, die noch auf das Jahr 2020 ausgedehnt worden ist.
  2. Die Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA) an Fachhochschulen werden seit 2016 ebenso wie ihre Kolleg*innen an Universitäten regelmäßig in Entgeltgruppe 13 eingruppiert – ein gemeinsamer Erfolg von GEW, Personalräten und Landesregierung.
  3. Mit der Aufwertung der Berufsakademie zur Dualen Hochschule Gera-Eisenach ist 2016 eine zehnte staatliche Hochschule in Thüringen gegründet worden, die auf duale Studienangebote spezialisiert ist.
  4. In einem umfangreichen Beteiligungsprozess ist das Thüringer Hochschulgesetz novelliert worden. Zahlreiche GEW-Forderungen sind darin eingeflossen, beispielsweise:
  • die regelhaft paritätische Zusammensetzung der Hochschulgremien,
  • die Verpflichtung zu einer Zivilklausel,
  • die Einführung von Diversitätsbeauftragten,
  • eine Stärkung des Gleichstellungsauftrages,
  • Qualifizierungsvereinbarungen bei befristeten Qualifizierungsstellen,
  • die Ermöglichung von Departement-Strukturen,
  • die Einführung einer Landeswissenschaftskonferenz,
  1. Weiterhin profitieren Beschäftigte an Thüringer Hochschulen von anderen Verbesserungen für Beschäftigte im Landesdienst, beispielsweise:
  • deutlich verbesserte Anrechnung von Dienstreisezeiten von Arbeitnehmer*innen, (Anwendung der beamtenrechtlichen Regelungen)
  • 5 Tage Bildungsfreistellung im Jahr,
  • Stärkung der Personalräte im Thüringer Personalvertretungsgesetz,
  • studentische Beschäftigte werden seit 2019 durch Personalräte vertreten.

Allerdings hat die Regierungskoalition einige ihrer selbst gesteckten Ziele verfehlt:

  1. Das Ziel eines Tarifvertrages für studentische Beschäftigte hat die Landesregierung weitgehend selbst verschuldet verfehlt; der ernsthafte Wille, dieses Thema anzugehen, war nie zu erkennen. In der Tarifgemeinschaft der Länder hat das Thüringer Finanzministerium gegen den eigenen Antrag, diesbezüglich Verhandlungen zu führen, gestimmt.
  2. Drittmittelbeschäftigte wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter*innen werden auch nach dem novellierten ThürPersVG in Personalangelegenheiten nur auf Antrag durch den Personalrat vertreten. Für diese Gruppe ist entgegen der Bekundungen im Koalitionsvertrag keine Verbesserungen erreicht worden. Personalräte haben weiterhin kaum eine Möglichkeit, „gute Arbeit“ für diese (sehr große) Beschäftigtengruppe durchzusetzen.

Darüber hinaus wird die hochschulpolitische Bilanz der ersten rot-rot-grünen Landesregierung getrübt durch mangelnden Gestaltungs- oder Veränderungswillen in verschiedenen Bereichen:

  • Die relativ gute Finanzausstattung der Hochschulen ist nicht in eine deutliche Steigerung des Anteils unbefristeter Beschäftigung umgesetzt worden. Die Struktur und Entwicklungspläne aus dem Jahr 2014, die von den Hochschulen einen Stellenabbau verlangen, sind weitgehend gültig geblieben. Ein relativ großer Anteil des Mittelzuwachses ist in die Steigerung der Haushaltsreste der Hochschulen geflossen, ohne dass mehr Personal eingestellt wurde bzw. die Beschäftigungsbedingungen des Personals verbessert worden sind.
  • Das Ministerium hat ziemlich starrköpfig an dem schon unter der Vorgängerregierung von den Hochschulleitungen eingefädelten Projekt eines einheitlichen ERP (Enterprise Resource Planning) Systems festgehalten, was extrem kosten- und personalintensiv ist und das jetzt zu scheitern droht.
  • Von der kaufmännischen Buchführung als wesentlichem Steuerungselement der unternehmerischen Hochschule ist man nicht abgekommen.
  • Die starke Stellung der Hochschulleitungen wurde aufrechterhalten. Insbesondere besteht die von jeglicher demokratischer Kontrolle losgelöste Landesrektorenkonferenz weiter und ist lediglich in Landespräsidentenkonferenz umbenannt worden.
  • Bei der Höhe der Lehrverpflichtung hat es keinerlei Verbesserungen gegeben. Viele Lehrkräfte haben weiterhin eine wöchentliche Lehrverpflichtung von 24 Lehrveranstaltungsstunden.

Insgesamt ist in den letzten Jahren hochschulpolitisch viel erreicht worden, wenngleich wir als GEW mehr erwartet haben.

Insbesondere beim Kapitel „Gute Arbeit“ müssen die nächsten Seiten von der künftigen Landesregierung schnell aufgeschlagen werden.

Kontakt
Thomas Hoffmann
Stellvertretender Landesvorsitzender
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