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Sonderpädagogische Fachkräfte: Vertretungsstunden sind Unterricht und keine Fördermaßnahmen!

Im Mai erhielt ich eine Petition von Kolleg*innen eines Förderschulzentrums aus dem nördlichen Schulamtsbereich, in dem die Praxis beklagt wurde, dass Sonderpädagogische Fachkräfte (SPF) nicht nur an den Förderschulen, sondern auch oft an den Schulen mit gemeinsamen Unterricht als Vertretungslehrer*innen eingesetzt werden. Das erfolgt jedoch ohne die dazugehörige Stundenberechnung der Arbeitszeit, da diese offiziell als Fördermaßnahme geführt wird.

Foto: GEW

Ein weiterer Punkt war die Berechnung der Mehrarbeit, die in diesem Zusammenhang auftritt. Denn SPF "dürfen" vier Fördermaßnahmen bzw. fünf Zeitstunden unentgeltlich Mehrarbeit leisten. Die Kolleg*innen fühlen sich ausgenutzt und nicht wertgeschätzt. Hierzu steht im Abschnitt V - Mehrarbeit von Sonderpädagogischen Fachkräften - in den "Hinweisen zur Mehrarbeit von Lehrkräften im Schulbereich (Az.:1B5/0348):

"Die für die Lehrerinnen/Lehrer dargestellten Differenzierungen zwischen Tarifbeschäftigten und Beamten in Vollzeit/Teilzeit ist auf die sonderpädagogischen Fachkräfte übertragbar. Besonderheiten ergeben sich jedoch aus der von den Lehrerinnen/Lehrern abweichenden Arbeitszeitaufteilung. Insoweit wird auf die für sonderpädagogische Fachkräfte geltenden Regelungen zur Arbeitszeit hingewiesen. Insbesondere ist die Bezugsgröße zur Bestimmung von Mehrarbeit nicht die Pflichtstundenzahl sondern die Fördermaßnahme, die Präsenzzeit (Tätigkeit in Schulvorbereitenden Einrichtungen) und/oder die eigenständige Unterrichtsstunde."

Zur Arbeitszeit der SPF steht in der VVOrgS1516 im Punkt 2:

  • Absatz 1: "Die regelmäßige Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Sonderpädagogischen Fachkraft (SPF) beträgt durchschnittlich 40 Zeitstunden wöchentlich. Dies entspricht 30 Fördermaßnahmen."
  • Absatz 2: "Jede Sonderpädagogische Fachkraft ist bei Bedarf im Rahmen der jeweils geltenden gesetzlichen und tariflichen Vorschriften zur Leistung von Mehrarbeit verpflichtet. Es wird auf die aktuellen Schreiben des für das Schulwesen zuständigen Ministeriums zur Anordnung, Genehmigung und Abgeltung von Mehrarbeit in der jeweils gültigen Fassung verwiesen."
  • Absatz 4: "Für jede erteilte Fördermaßnahme (im Förderzentrum, im Gemeinsamen Unterricht und in der Schuleingangsphase an Grund- und Gemeinschaftsschulen) werden 1,25 Zeitstunden auf die Arbeitszeit der Sonderpädagogischen Fachkraft angerechnet...."
  • Absatz 5: "Für dienstliche Obliegenheiten verbleiben einer vollbeschäftigten Sonderpädagogischen Fachkraft 2,5 Zeitstunden, bei teilzeitbeschäftigten Sonderpädagogischen Fachkräften anteilig."
  • Absatz 8: "Werden Sonderpädagogische Fachkräfte mit eigenständigem Unterricht am Förderzentrum eingesetzt, wird jede erteilte Unterrichtsstunde wie 1,5 Zeitstunden angerechnet(siehe auch 5.3.2)."

Im Punkt 5.3.2 steht in

  • Absatz 4: "Sonderpädagogische Fachkräfte erteilen grundsätzlich keinen eigenständigen Unterricht."
  • Absatz 5: "Wird Unterricht eines Lehrers im Gemeinsamen Unterricht von einer Sonderpädagogischen Fachkraft vertreten, erfolgt dies in Form einer Fördermaßnahme."
  • Absatz 6: "In Ausnahmefällen kann das Schulamt die Erteilung eigenständigen Unterrichts am Förderzentrum durch sonderpädagogische Fachkräfte genehmigen, ..."

Um Probleme bei der Berechnung der Arbeitszeit zu klären, muss geklärt werden, was ist eine  Fördermaßnahme? Wie setzt sich die Arbeitszeit der SPF zusammen?

In einer Materialsammlung vom 24.09.2014, die der Hauptpersonalrat erhielt, sind die Aufgabenbeschreibungen enthalten. Darin werden genannt die

Fachunabhängigen Fördermaßnahmen (FM):

  • Zielgerichtete, zeitlich begrenzte, ergänzende sonderpädagogische Maßnahmen zur Entwicklungsförderung des Kindes,
  • werden als Einzelförderung oder in Kleingruppen (auch Klassenübergreifend) im Rahmen der sonderpädagogischen Ergänzungsstunden durchgeführt,
  • umfassen die Förderbereiche Sensorik, Motorik, Kognition, Kommunikation, Lern- und Arbeitsverhalten, Motivation, Emotionalität und Sozialverhalten auf Grundlage des individuellen Förderplans,
  • sie werden in der Regel von jeweils einer SPF realisiert, die für diese FM eigenverantwortlich ist.

Fachorientierte Fördermaßnahme/Begleitung im Förderunterricht:

  • dienen der Sicherung und Festigung fachspezifischer Fähigkeiten und Fertigkeiten,
  • umfassen die Vorbereitung auf und die Begleitung der Schüler während des Unterrichts durch individuelle und differenzierte Hilfestellungen auf der Grundlage der individuellen Förderpläne
  • können in unterschiedlichen Organisationsformen gestaltet werden, wie z. B. Projektarbeit, Freiarbeit, kurze Trainingssequenzen,
  • erfolgen in der Regel im Klassenverband im Rahmen der sonderpädagogischen Ergänzungsstunden
  • diese Unterrichtsstunden werden in der Regel von jeweils einem Lehrer und einer SPF realisiert
  • liegt in der Verantwortung des unterrichtenden Förderpädagogen

Die Arbeitszeit berechnet sich bei beiden FM-Formen wie folgt:

45 min Präsenz + 30 min Vorbereitung/Absprache/Nachbereitung = 1,25 h = 1 FM

Auf die Sonderpädagogische Betreuung möchte ich hier nicht weiter eingehen. Dies entspricht der tatsächlichen Arbeitszeit.

Nachdem ich hier alle Richtlinien, Anordnungen etc. gelesen habe, kann ich die Kolleg*innen verstehen, die sagen: "Wie kann eine Fördermaßnahme eine Vertretungsunterrichtsstunde sein?" Eine Fördermaßnahme wird maximal in Kleingruppen durchgeführt und nicht in Klassen im Gemeinsamen Unterricht genauso wenig wie in Klassen am Förderzentrum.

Unsere Forderungen sollten daher sein:

  1. Vertretungsstunden sind Unterricht und keine FM und werden auch als solche berechnet mit 1,5 Zeitstunden.
  2. Abminderungsstunden werden in Fördermaßnahmen berechnet also 1,25 Zeitstunden.
Kontakt
Ulricke Rausch
Leiterin Referat Tarif- und Beamtenrecht
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
Telefon:  0361 590 95 0
Referatsleiterin: Ulricke Rausch