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Schule in freier Trägerschaft: Finanziert durch schlechtere Entloh­nung der Lehrer

Wilhelm Richter arbeitet als Lehrer an der Friedrich-Adolf-Richter-Schule in Rudolstadt. Der freie Träger dieser Schule ist die AWO Rudolstadt. Hier erzählt er über die fehlende Verlässlichkeit hinsichtlich Arbeitsvolumen und Gehaltshöhe, über systematische, aber nicht bezahlte Überstunden und über eine faire Urlaubsregelung:

  • Der Träger der Schule, in welcher Sie arbeiten, ist die AWO. Wird dort nach einem Tarifsystem bezahlt oder werden die Gehälter frei verhandelt?

Es ist bei den meisten freien Trägern so, dass es einen Haustarif bezie­hungsweise eine Vergütungsordnung gibt, aber keinen verhandelten Tarif­vertrag. Ausnahme ist hier wohl nur das Jugendsozialwerk Nordhausen, die den „Tarif“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes anwenden. Bei all diesen Trägern wird nach diesen Vorgaben bezahlt, das wurde mir immer beim Bewerbungsgespräch mitgeteilt. Abweichungen davon sind mir nicht bekannt. Diese Haustarife sind aber nicht verhandelt worden, diese werden einfach im Geschäftsvorstand beschlossen und dann mitgeteilt. 

  • Sind Sie als Lehrer mit einem 2. Staatsexamen angestellt?

Ja, angestellt bin ich als Lehrer mit einem 2. Staatsexamen, wobei es sich bei mir um ein DDR-Diplom handelt. Ich habe meinen aktuellen Verdienst über die GEW mal nachrechnen lassen. Es ist ein Konstrukt mit einem Festgehalt und einem Bonussystem. Selbst wenn der Bonusanteil voll gezahlt wird, komme ich nur auf circa 80 Prozent der Vergütung, die ich im öffentlichen Dienst erhalten müsste. Alle freien Träger bei denen ich bisher war, bezah­len nur etwa soviel, wie sie nach den Vorschriften für die Schulen der freien Träger zahlen müssen. 

Noch problematischer ist die Tätigkeit als Honorarkraft mit Stundenhono­raren zwischen 20 und 25 € verbunden mit der Möglichkeit, seine letzte Honorarrechnung per Gericht eintreiben zu müssen, so geschehen bei Gobi Gotha. 

  • Wofür gibt es denn einen Bonus?

Das ist nicht zu erkennen. Vielleicht um den Mitarbeitern zu zeigen: Wir zahlen mehr, als wir unbedingt müssten. Das stimmt aber nicht. Auskunft von der GEW war, dass diese Boni gar nicht gekürzt werden können, weil das Gehalt dann unter diese 80 Prozent fallen würde. 

Aber das Hauptproblem ist nicht wirklich die Bezahlung, sondern die Gestaltung der Arbeitsverträge. Es ist so, dass man auf der Grundlage eines unbefristeten 50 Prozent- oder 75 Prozent-Vertrages von einem Schuljahr zum nächsten mitgeteilt bekommen, wie viel Stunden wir beschäftigt wer­den. Man hebelt an dieser Stelle die Gesetzesvorschrift über die befris­tete Beschäftigung ein bisschen aus. Das war beim Jugendsozialwerk so, dort hatten alle einen 35-Stunden-Plus-Vertrag. Und jetzt ist es ähnlich, ich habe einen Grundvertrag, das heißt man hat einen unbefristeten Vertrag über 50 Prozent und bekommt dann, wenn man mehr arbeiten möchte, von Jahr zu Jahr mitgeteilt, wie viel man denn mehr arbeiten darf. Im Folgejahr kann man sich darauf aber nicht verlassen, dass man wieder genauso viel arbeiten kann und somit denselben Verdienst hat. Das ist für mich bei den freien Trägern das größte Problem: Hier wird recht frei über die Arbeitskräfte verfügt.

Momentan habe ich also einen festen Anteil von 50 Prozent, arbeite in diesem Schuljahr jedoch 75 Prozent. Wenn es schlecht läuft, habe ich im nächsten Schuljahr wieder nur 50 Prozent. Für langfristige Finanzierungen wie Wohneigentum oder Altersvorsorge ist das sehr problematisch.

  • Wie viele Urlaubstage stehen Ihnen denn zu?

Grundsätzlich hat hier jede Lehrerin, jeder Lehrer 29 Arbeitstage Urlaubsan­spruch. Bei meinem jetzigen Arbeitgeber werden die weiteren Ferientage sehr kulant gehandhabt. Von anderen Trägern weiß ich, dass es dagegen für die über den Urlaub hinaus gehenden Ferientage Anwesenheitspflichten oder Einsatz in anderen Tätigkeitsfeldern des Trägers gibt. Von den freien Trägern, bei denen ich bisher war, ist das also der fairste. 

  • Wie sind die Regelungen zu Überstunden? 

Es ist arbeitsvertraglich geregelt, dass man bei Vollbeschäftigung pro Woche zwei Überstunden/Vertretungsstunden unentgeltlich machen muss, also wie bei den staatlichen auch. Es wird von der Schulleitung versucht so zu planen, dass auch jeder diese zwei Stunden machen kann, mehr nach Mög­lichkeit nicht. Es wird also mit diesen zwei Stunden gerechnet, obwohl sie nicht bezahlt werden, also wie bei den staatlichen auch. Wenn man mehr als diese zwei Stunden hat, dann wird versucht, dies mit anderen Freistel­lungen oder weggefallenem Unterricht zu verrechnen. Eine Mehrbezahlung ist eher unwahrscheinlich. 

  • Gibt es in Ihrer Schule einen Personalrat bzw. eine Mitarbeiterver­tretung?

Nein, gar nicht. Das liegt im wesentlich daran, dass die junge Generation von Lehrerinnen und Lehrern in Gewerkschaftsarbeit keinen Sinn sieht und sich alle weitgehend raushalten. Schließlich ist man froh, ortsnah in Thürin­gen überhaupt eine Stelle als Lehrer gefunden zu haben. Ich hätte so etwas gern angestoßen, aber da stehe ich ziemlich verloren da. 

Allen Beteiligten sollte bewusst sein, dass die Arbeit der Schulen in freier Trägerschaft, die der Gesetzgeber mit 80 Prozent des Verdienstes im öffent­lichen Dienst ermöglicht, unter anderem durch die geringere Entlohnung der Lehrer und Pädagogen mitfinanziert wird. Die im Vergleich zu den staatlichen Schulen weiteren Bedingungen an diesen meist kleinen Schu­len mögen das zum Teil rechtfertigen. Aber in Kombination mit geringerem Beschäftigungsumfang entsteht schnell eine Einkommenssituation, die für diesen Berufsstand einfach peinlich ist. 

  • Vielen Dank für das Gespräch.
Kontakt
Dr. Michael Kummer
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Michael Kummer