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Einschätzung der Landesvorsitzenden

Dialog Schule 2030: Einfach nur ein weiteres Papier?

2017: Kommission Zukunft Schule: Herausforderungen und Chancen für Thüringens Schulsystem. 2018: Der Thüringenplan. Für eine gute Zukunft unserer Schulen. 2021: Dialog Schule 2030. Leitziele und Forderungen an die Thüringer Bildungspolitik.

Einfach nur ein Papier mehr?

Auf den ersten Blick scheint dies „nur“ eine Aufzählung von bedrucktem Papier zu sein. Viele Seiten Problembeschreibung, Lösungsansätze, Forderungen und immer wieder Herausforderungen. Aber ohne den Start im Frühjahr 2017 wären Regelschullehrkräfte wie auch die Ein-Fach-Lehrkräfte sehr wahrscheinlich noch nicht in der A13/E13 (und die Grundschullehrkräfte schon gar nicht), Mehrarbeit würde nach wie vor nur in Freizeit abgegolten, Schulsozialarbeit nur marginal abgesichert und neueingestellte Horterzieher:innen müssten sich immer noch mit einem Beschäftigungsumfang von 50 % zufrieden geben.

Doch auf den zweiten Blick beschreibt die oben gemachte Aufzählung einen Prozess, der 2017 begonnen wurde und tatsächlich, im Gegensatz zu vielem anderen, kontinuierlich fortgesetzt wurde. Aus meiner Sicht der erste Erfolg: Niemand ist bei der reinen Erkenntnis stehengeblieben, dass das Thüringer Schulsystem vor einem Wandel steht, sondern alle Beteiligten sind miteinander Wege gegangen, diesen Wandel zu begleiten, zu evaluieren, entsprechende Forderungen abzuleiten und am Ende in politische Entscheidungen zu überführen.

Neue Qualität durch den Dialog Schule 2030

Der im Dezember 2019 begonnene Dialog Schule 2030 war nicht einfach nur die Fortsetzung des vorangegangenen Werkstattprozesses, sondern hatte sich ganz klar zum Ziel gesetzt, Perspektiven für die Thüringer Schulen zu entwickeln. Diese sollen dazu beitragen, das Dilemma zwischen Fachkräftemangel auf der einen und Bildungsqualität auf der anderen Seite zu bewältigen. Herausgekommen ist ein Papier, dass neben acht Kernforderungen eine Reihe von Vorschlägen enthält, die tatsächlich von Praktiker:innen für Praktiker:innen entwickelt wurden.

Jeder Vorschlag, der in den insgesamt sieben Werkstätten auf den Tisch kam, wurde geprüft und nicht, wie so oft, beim kleinsten Zweifel an der Umsetzbarkeit, von ebendiesem weggewischt. Selten habe ich ein so offenes, kritisches und doch so konstruktives Suchen und Ringen um Ideen erlebt wie in diesen fast anderthalb Jahren. Coronabedingt hat sich die Arbeit in den Werkstätten verzögert, aber nur zeitlich verlangsamt, nie ausgesetzt. In der Steuergruppe hielten wir den Roten Faden fest in der Hand und die Redaktionsgruppe hat dem Ergebnisbericht den letzten Schliff gegeben. An dieser Stelle möchte ich meinen Dank und meinen Respekt an alle Beteiligten aussprechen, an die Eltern- und Schülervertretungen ebenso wie an die Mitarbeiter:innen des TMBJS, an die Schulämter, Schulträger und alle unsere Kolleg:innen, die sich in den Werkstätten mit ihrer Erfahrung und ihrer Expertise eingebracht haben.

Kernforderungen teils schon umgesetzt

Einige der Kernforderungen, die im Dialog Schule 2030 vereinbart wurden, sind bereits Realität:

  • Horterzieher:innen können nun bis zu 80 % arbeiten und damit den Weg zur echten Ganztagsschule weitergehen,
  • es wurden insgesamt 840 Stellen für Lehrkräfte in den Haushalt 2021 verhandelt und
  • die Grundschullehrkräfte erhalten ab dem 01.08.2021 die A13/E13.

Allein diese Ergebnisse zeigen, dass es eine übergreifende Zustimmung zu unseren gewerkschaftlichen Forderungen gab, an denen letztlich der Thüringer Landtag nicht mehr vorbeikam.

Was demnächst (wahrscheinlich) umgesetzt wird

Viele andere Dinge werden nun auf den Weg gebracht:

  • Die Debatte um einen Sozialindex nimmt Fahrt auf,
  • im nächsten Landeshaushalt sollen Planstellen für Ganztagsangebote und Multiprofessionelle Teams geschaffen werden, und
  • es wird ein Pilotprojekt „Verwaltungsassistenzen“ geben, bei dem erprobt wird, wie eine wirksame Entlastung der Schulleitungen von Verwaltungsarbeiten gelingen kann.
  • Die Beteiligten haben sich darauf verständigt, dass zwei weitere Studienseminare in Nord- und Südthüringen eingerichtet werden sollen, wenn Ausbildungskapazität und -qualität, aber auch Nähe zum ländlichen Raum sichergestellt werden müssen.

Auch die Themen „Zentrum für Lehrer:innenbildung“ sowie Änderung der ersten Phase der Lehrer:innenausbildung wurden konstruktiv diskutiert und bieten uns viele Möglichkeiten, unseren Forderungen nun auch Nachdruck zu verleihen.

Nun liegt es an den Bildungspolitiker:innen

Worauf es jetzt ankommt? Die Bildungspolitiker:innen dieses Landes, aber auch das Thüringer Kabinett, sollten diesen Bericht sehr genau lesen und über entsprechende Gesetzesentwürfe dazu beitragen, die Herausforderungen des Wandels im Thüringer Schulsystem zu gestalten und nicht zu verwalten.

Bei diesem politischen Diskurs sollten die Leitziele des Dialogs immer die Richtschnur sein, weil es notwendig ist, Bildungspolitik jenseits von Legislaturperioden zu machen. Schulen, Pädagog:innen, Eltern und Schüler:innen benötigen Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit von Beschlüssen. Erst dann entsteht die kreative Freiheit, Lösungen auch im Kleinen zu finden, Eigenverantwortung zu übernehmen und sich der Herausforderung „Schule vom Kind her denken“ mit aller Kraft zu stellen.

Auch für die GEW ergeben sich Hausaufgaben

Auch wir sollten uns mit den Ideen und Vorschlägen der Werkstätten befassen, Details diskutieren, den Feinschliff wagen. Es gibt noch einige offene Fragen, Ungeklärtes und nicht Geeintes. Hier liegt es an uns, diese Frage im Sinne unserer Kolleg:innen zu beantworten und Vorschläge zu machen.

Eines steht fest: Corona hat über diesen Prozess noch einmal wie ein Brennglas gewirkt. Viele Fragen beschäftigen uns und andere an Schule Beteiligten schon länger, dennoch müssen auch wir Antworten auf die Fragen finden, die uns Corona neu gestellt hat. Ich freue mich darauf, zusammen mit Euch auf die Suche zu gehen.

Last but not least: Das Original

Lest den Ergebnisbericht, macht Euch ein Bild, diskutiert mit Euren Kolleg:innen und gebt uns Rückmeldungen. Der Weg ist nicht zu Ende, der Weg ist das Ziel.

Hier ist der Ergebnisbericht „Dialog Schule 2030“ online zu finden.

Kontakt
Kathrin Vitzthum
Landesvorsitzende
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
Telefon:  0361 590 95 12 (Sekretariat)