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Mehr demokratisches Miteinander

Bildungsarbeit nach Hanau

Wer bisher an Hanau gedacht hat, hatte im besten Fall einen positiven Bezug zur Stadt: Beginn der Deutschen Märchenstraße, Grimm-Märchenfestspiele, Apfelwein oder Konzerte prägten einen Teil der Wahrnehmung des Ortes. Im schlimmsten Fall war es irgendeine Stadt in Hessen. Am 19. Februar 2020 änderte sich dieses Bild unwiederbringlich.

Symbolbild - Quelle: Canva Pro

Mit dem rassistischen, rechtsterroristischen Anschlag, bei dem zehn Menschen ermordet wurden, verschob sich die öffentliche Wahrnehmung der Stadt. Entsetzen, Trauer und Unverständnis machten sich in der bundesdeutschen Öffentlichkeit breit. Erneut. Und zur Trauer um die Opfer mischte sich Unverständnis, wie es zu einer solchen Tat kommen konnte. Für Menschen, die in den Augen von Rassist*innen als „fremd“ gelesen werden, war diese Tat jedoch keine Überraschung. Ihnen begegnen tagtäglich Ablehnung, Bedrohung, Drangsalierung und sie werden meist nur dann gehört, wenn es darum geht, Sündenböcke zu präsentieren. Vor allem das Wort „Überfremdung“ wird dann oft und zu gern in den Mund genommen – erst recht seit in den Parlamenten offen rassistische Positionen als gleichwertig diskutiert werden.

Hinzu kommt diffuse Angstmacherei, die sich schnell in Verschwörungstheorien und manchmal auch in Terroranschlägen manifestiert. Auch wenn das öffentliche Gedächtnis immer wieder Lücken aufweist: Es gibt eine beängstigende und traurige Kontinuität rechten Terrors nach 1945.

Alles in Allem haben wir viel vor und wir sind als Bildungsarbeiter*innen auch willens, das umzusetzen. Was wir jetzt brauchen, ist der Wille der politischen Entscheidungsträger*innen, Bildung als ein wesentliches Instrument der Gestaltung eines demokratischen Miteinanders zu begreifen.

Was können wir als Bildungsarbeiter*innen dagegen tun?

Die Gesellschaft ist dem jedoch nicht hilflos ausgeliefert. Meine Vorschläge sind:

  1. Haltung zeigen und bewahren! Wir treten für die freiheitliche demokratische Grundordnung ein. Unser maßgebliches Ziel ist es, egal ob im Kindergarten oder an der Volkshochschule, in der Regelschule oder dem freien Bildungsträger, diese zu vertreten und einzufordern.
  2. Hinhören und hinsehen! Wenn in unserem beruflichen Umfeld Diskriminierung stattfindet, dann müssen wir dem entschieden entgegen treten. Und wir müssen den betroffenen Menschen zuhören.
  3. Angebote unterbreiten und ermöglichen! Die politische Bildung ist in Thüringen gemessen am Anteil der Gesamtlehrstunden auf dem vorletzten Platz bundesweit. Diese Zahl muss erhöht werden und früher beginnen. In der 8. Klasse an der Regelschule oder in der 9. Klasse am Gymnasium ist es viel zu spät, demokratische Prinzipien zu vermitteln.
  4. Qualität anbieten! Die reine Stundenzahl im Unterricht ist nicht die einzige und beileibe nicht die beste Methode, um demokratisches Bewusstsein in der Gesellschaft zu fördern. Das beginnt schon in der Ausbildung der pädagogischen Berufe. Wenn Lehrer*innen hier erst zum ersten Mal von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit hören, wenn sie ihnen im Unterrichtsalltag begegnet, dann ist hier zu viel versäumt worden.
  5. Weg von der Projektitis! Die politische Jugend- und Erwachsenenbildung muss verstetigt werden und sie muss allen Altersgruppen zugänglich gemacht werden. Der Bildungsurlaub kann hier ein wirksames Instrument sein. Die Regelfinanzierung von bereits erprobten Konzepten der außerschulischen Jugendbildung sollte ein anderes sein.
 
Kontakt
Katja Nonn
Referatsleiterin Erwachsenenbildung und berufliche Fort- und Weiterbildung
Adresse Heinrich-Mann-Str. 22
99096 Erfurt
Telefon:  0361 590 95 0